SECHSTES KAPITEL
D ie F a r b e d e r A u g e n .
Die Augenfarbe der Niasser bestimmte ich mit d er Augenfarbentafel
von Prof. Rudolph Martin.
Bei 998 u n te r 1298 Eingeborenen ( + 78 °/0) notierte ich
die Irisfärbung zwischen den Nummern 2 u n d 3 gelegen, bei
292 ( + 22 °/0) zwischen 3 u n d 4; n u r bei einem Mann habe
ich eine heller als No. 4 gefärbte Iris beobachtet. Bei fünf
Männern fand ich die Irisfärbung, welche Nummer 2 der
Augenfarbentafel angiebt, sogar noch etwas dunkler.
Ich fand also wie bei den Minangkabau-Malaien auch bei
einer weitaus überwiegenden Anzahl Niasser eine Irisfärbung
zwischen den Num m ern 2 u n d 3 , das heisst dunkelbraun.
F a rb e der Iris:
Niasser: + 78 °/0 2—3; 4 ; 22 °/0 3 ||4 .
M. Malaien: + 77 7o % 3 ; ± 20 % 3 - 4 .
Aus dieser Tabelle geht deutlich die grosse Übereinstimmung
der Augenfarbe zwischen den Niassern u nd Minangkabau-Malaien
hervor. Bei den Niassern kommen prozentualisch n u r etwas m ehr
helle Augen v o r als bei den Minangkabau-Malaien. Wie bei letzte
ren habe ich auch mehrmals bei den Niassern die b raune Iris
von einem blauen Ring umgeben gefunden. Bereits frü h er wies ich
d a ra u f h in , dass dieser blaue Ring nicht als Rassenmerkmal
aufgefasst werden d a rf, sondern wahrscheinlich von physischen
Verhältnissen abhängig is t, eine Annahme, die von Rudolph
Martin fü r die Inlandstämme der Malaiischen Halbinsel geteilt
wird x) u n d 2).
1) Kleiweg de Zwaan, J. P., Bijdrage tot de Anthropologie der
Minangkabau-Maleiers. Akademisch Proefschrift. Amsterdam, 1908.
2) Kleiweg de Zwaan, J. P., Anthropologie. (Alfred Maass: Durch
Zentral-Sumatra. Teil II. Berlin, 1912).
Auch bei fast allen braunäugigen Holländern konnte ich
diese Erscheinung m eh r oder weniger deutlich beobachten,
In der Sklera der Niasser habe ich häufig b raune P igmentflecken
gesehen, besonders deutlich bei alten Leu ten , bei
jungen dagegen zeigt die Sklera nicht selten eine bläulich
weisse Beimischung. Von den Eingeborenen von Malakka
schreibt Stevens x): „Die Veränderung der Farbe der Augen
stimmt nicht im me r mit jen e r der Haut überein. Ein Mann
mit ungewöhnlich heller oder dunkler Haut besitzt häufig
Augen von der allgemeinen Durchschnittsfarbe. Es findet sich
keine Regel über das Verhältnis zwischen einem Hauttypus
und der Farbennuance der Augen; bei einer A nzahl von P rü fungen
ergaben sich zu viel W id e rsp rü ch e ” .
Dasselbe war bei den Niassern der F a ll, auch bei ihnen
ging eine hellere Hautfarbe in der Regel durchaus nicht mit
helleren Augen gepaart.
Schielende Augen habe ich u n te r den 1298 Niassern fünf
mal ( + 0,4 °/0) konstatiert; u n te r 569 Minangkabau-Malaien
fand ich 2 schielende Individuen ( = + 0,35 °/0). Adriani und
Kruijt (De Bare’e-sprekende Toradja’s. Den Haag, 1912) geben
unter 13070 Toradja, 89 ( = + 0,6 °/0) mit schielenden Augen
an (sido mata).
Einige indische Volksstämme legen dem Schielen eine besondere
Bedeutung bei, die Orang Belenda z. B. m e in e n , dass
der Schielende ein grösseres Gesichtsfeld hat als der Normalsehende.
Der b ö se , der Padi-ernte schadenbringende Geist
wird schielend dargestellt. Andre Stämme g lau b en , dass
schielende Leute den bösen Blick haben.
Bei den Eingeborenen von Nord-Nias herrscht der Glaube,
Schielen entstehe, wenn die Mutter während der Schwangerschaft
in einen Spiegel oder eine fondrahi (Priestertrommel)
gesehen oder wie ein Schreiner an einem Brett entlang geblickt
hat, um zu u n tersu ch en , ob dasselbe gerade abgehobelt ist.
Schielen heisst bei ihnen „ alege ” ,
1) Stevens, H. V., Anthropologische Bemerkungen über die Eingeborenen
von Malacca. Zeitschr. f. Ethnologie. 29ter Jahrg. 1877.