Genugthuung gereichte es mir, als ich fand, dass bei einigen marinen Formen Verhältnisse bestehen,
die jener Auffassung eine weitere Stütze bieten.
Behufs Orientirung über die verschiedenartigen Beziehungen, welche bei den viviparen Ecto-
procten zwischen dem Embryo und den Individuen des Stockes Vorkommen, verweise ich auf die
kurze Zusammenstellung bei Prouho, ’92, S. 624 ff. Prouho sieht, wie natürlich, den Oviparen Zustand
als den ursprünglichen, den viviparen als den abgeleiteten an; bei diesem unterscheidet er vier Fälle,
von denen die beiden ersten für uns von besonderem Interesse sind, weil sie das, was bei den
Phylactolämen nur noch andeutungsweise zu erkennen ist, in voller Klarheit zum Ausdruck bringen.
Der erste Fall findet bei Älcyonidium duplex statt, einer von Prouho neu beschriebenen Art,
über deren Fortpflanzung er in derselben Arbeit (’92, S. 580 ffi) einiges Nähere mitgetheilt hat;
Älcyonidium duplex ist insofern getrennten Geschlechtes, als Hoden und E ier sich an
dem F u n icu lu s zweier verschiedene r , aber in einem Cystid v e r e in ig te r P o lyp id e e n twickeln.
Zur Zeit, wo ein Polypid, welches • wir A nennen wollen, eben seine organische Ausgestaltung
erreicht hat, zeigt sich an der Oralseite des selb en Cystides eine Knospe, aus der
ein jüngeres Polypid, B, hervorgeht. Lange bevor dieses erwachsen ist, treten an seinem Funiculus
Eier auf, während an dem Funiculus von A die H od en an la g e sichtbar wird. Allmählich beginnt
nun das Polypid A zu degeneriren, die Spermatogonienhaufen fallen vom Funiculus ab und zerstreuen
sich in der Leibeshöhle, um daselbst ihre weitere Entwickelung durchzumachen. Wenn das weibliche
Polypid B erwachsen ist und sein Funiculus ein von zahlreichen Eiern erfülltes Ovarium darstellt,
sind von dem Polypid A ausser den Samenzellen nur noch einige „braune Körper“ vorhanden. Die
reifen Eier lösen sich dann vom Funiculus ab und g e la n g e n durch V e rm it t e lu n g e in e s nur
den w e ib lic h e n P o lyp id en eigenen „ In te r ten ta cu la ro rg an s“ in die T en tak e lsch eid e , wo
sie sich etwa zu sechs bis acht in der Nähe der Ausstülpungsöffnung befestigen und in die Embryonale
n tw ick e lu n g eintreten. Nach Ablauf derselben verlässt die Larve die mütterliche Kolonie durch
die A u s stü lp u n g sö ffn u n g des be tr e ffen d en Po lyp id e s, das trotz der Function als Oöcium
inzwischen seine gewöhnliche Lebensthätigkeit fortgesetzt hatte.
In vorstehendem Referat sind diejenigen Punkte, welche den Vergleich mit den Phylactolämen
besonders begünstigen, durch den Druck hervorgehoben. Fast Alles, was wir bei Plumatella im
Princip angenommen hatten, sehen wir bei Älcyonidium duplex erfüllt, und selbst minder wichtige
Einzelheiten dienen zur Vervollständigung dieser Parallele. Ich will die gegenseitigen Beziehungen
beider Formen durch Aufzählen ihrer Berührungs- und Differenzpunkte noch genauer zu präcisiren
suchen.
Berührungspunkte.
1. Die Oöcien (d. h. das Oöcium von Plumatella, zusammen mit dem Ovarium als Anlage
eines besonderen Individuums aufgefasst, und das weibliche Polypid von Älcyonidium) stehen einander
in g e sch le ch tlich e r H in sich t gleich. Ihr Funiculus dient als Ovarium; in ihrem Innern vollzieht
sich die Embryonalentwickelung; durch ihre Mündung gelangen die Larven ins Freie.
2. Auch die P r im ä rp o lyp id e , in deren Cystiden sich die Oöcien entwickeln, stehen einander
in geschlechtlicher Hinsicht gleich. Beide sind männlicher Art, ihr Funiculus liefert die Sper-
matozoen.
3. Die Oöcien haben den Primärpolypiden gegenüber die gleichen La g eb ez iehu ng en. Dies
ist um so bemerkenswerther, als die Orientirung von Mutter- und Tochterknospen bei den Gymnolämen
sonst eine grundsätzlich andere ist als bei den Phylactolämen.
4. Ebenso stimmen die Z e itv e r h ä ltn is s e überein. Die Oöcien treten erst auf, wenn die
(männlichen) Primärpolypide ihre organische Ausgestaltung erreicht haben.
5. Bei beiden Formen ist das Oöcium vor den gewöhnlichen Individuen des Stockes durch
den Mangel e in e s eigenen Cystides ausgezeichnet: Es findet in dem Cystid des Primärpolypides
Unterkunft.
6. Auch sonst ist eine Art Dimorphismus zwischen dem Oöcium und den gewöhnlichen
Individuen zu erkennen; am stärksten bei Plumatella ausgeprägt, zeigt sich derselbe bei Älcyonidium
darin, dass nur das weibliche Polypid ein Intertentacularorgan aufweist, wodurch es zur Aufnahme
der reifen Eier befähigt wird.
V e r sch ie denheiten.
1. Bei den Phylactolämen liegen sowohl im Hoden wie im Ovarium die jüngsten Zellen stets
in der Nähe der Leibeswand; Prouho (’92, S. 583) giebt an, dass bei Älcyonidium die jüngsten
Eier immer dem Darm am nächsten liegen, aber seine Bilder, besonders Fig. 38, lassen eher das
Gegentheil vermuthen. Es bleibt daher fraglich, ob dieser Unterschied, welcher von grösser Bedeutung
wäre, in Wirklichkeit existirt.
2. Während das weibliche Polypid von Älcyonidium neben seiner Function als Oöcium die
Fähigkeit selbständiger Nahrungsaufnahme bewahrt hat, ist das Oöcium bei Plumatella nur
dem G e sch le ch tsleb en dienstbar, in jeder anderen Beziehung aber entartet. In Folge dessen ist
auch das Verhältnis zwischen Oöcium und Ovarium, d. h. zwischen dem Polypidkörper und dem
Funiculus, bei Plumatella in hohem Grade gelockert.
3. Während das (männliche) Primärpolypid bei Älcyonidium bald nach dem Erscheinen des
Oöciums degenerirt, kann es bei Plumatella erhalten bleiben; doch findet auch hier zuweilen eine
Rückbildung statt.
4. Während das weibliche Polypid von Älcyonidium zahlreiche Embryonen enthalten kann,
entwickelt sich in dem Oöcium von Plumatella immer nur e in Embryo.
Von diesen vier Differenzpunkten involvirt nur der erste, den wir jedoch nicht hinreichend
verbürgt fanden, einen pr in c ip iellen Unterschied. Die übrigen Unterschiede sind g ra d u e lle r
Natur und als Folgen einer mehr oder minder vorgeschrittenen, aber auf gleicher Bahn sich bewegenden
Entwickelung anzusehen. In dieser Beziehung finden wir nun bereits bei den Gymnolämen, und
zwar wiederum bei den Ctenostomen, Verhältnisse, die eine w e ite re Annäherung an die Phylactolämen
darstellen. Sie sind durch Joliet entdeckt und in der erwähnten Übersicht von Prouho als
zweiter Fall aufgeführt worden.
Nach Joliet (’77, S. 262 ff.) bilden sich bei Valkeria cuscata, Boioerbankia imbricata und
Lagenella repens die Geschlechtsorgane dicht neben einander am Funiculus, der Hoden am unteren, das
Ovarium am oberen, dem Darm benachbarten Abschnitt desselben. Beide Organe reifen jedoch nicht
gleichzeitig, vielmehr ist das Ovarium noch ganz jugendlich, wenn die Spermatozoen bereits umher-
schwärmen und das Polypid auf der Höhe seiner Entwickelung steht.: Ist dieses Stadium erreicht, so
stirbt das Polypid ab und entartet zu einem „braunen Körper“. Der Funiculus bleibt erhalten, aber
von den Eiern jedes Ovariums g e la n g t nur eines zur Reife, während die übrigen atrophiren. Bald
nach dem Absterben des Polypides kommt an der Stelle, wo der Funiculus an der Leibeswand haftet,
eine Knospe zum Vorschein, welche sich rasch entwickelt, aber niemals ein v o llstän d ig e s
Polypid lie fe r t: Die Arme verharren im Knospenzustand, der Oesophagus bleibt geschlossen, die
im Rectum befindlichen Dotterkörner werden nie verbraucht. Dieses Polypid [,das weder sich
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