
Aus der mittleren Region der Knospe entstellt die Ten take lsch eide (Fig. 140, ts), jener
zweischichtige dünne Mantel, welcher das Polypid mit dem Cystid verbindet und, je nach dem sich
das erstere zurückzieht oder hervorstülpt, bald mehr dem einen, bald mehr dem anderen anzugehören
scheint. Beim eingezogenen Polypid umhüllt er die Tentakelkrone (Fig. 140, 142), und seine Schichten
liegen dann so, wie die Blätter der Knospe, aus der sie hervorgingen. Beim ausgestreckten Polypid
umhüllt er den Darm etwa bis zum Magen, und seine Schichten haben die umgekehrte Lage: das
Ectoderm befindet sich aussen, das Mesoderm innen.
' Der oberste Theil der polypoiden Knospe, der Halstheil, geht in die Leibeswand über, indem
die an der Umbiegungsstelle gelegenen Zellen sich durch rege Vermehrung nach allen Seiten hin ausbreiten:
„Untersuchungen“, S. 18 32. Auf diese Weise wird aus dem Material der Knospenanlage
selbst das „Cystid“ gebildet und für die Unterkunft der immer grösser werdenden Polypide gesorgt.
Vorläufig zwar, d. h. bis zum Ende des Larvenstadiums, treten die Cystide noch nicht typisch hervor,
weil der untere Abschnitt des Embryo Raum genug bietet. Die neuen Zellen stauen sich nämlich in
der Leibeswand an, wo sie dicht gedrängt bei einander liegen, wie das weiterhin (S. 57 f.) noch zu
schildern sein wird. Wenn sich aber bei Verwandlung der Larve der untere Abschnitt einrollt, so
entfalten sich die Cystide rasch und jedes Polypid hat seine eigene Behausung.
Durch Abspaltung einer an der Oralseite der Knospe auftretenden Zellenleiste entsteht aus
dem äusseren Knospenblatte der F u n ic u lu s : „Untersuchungen“,. S. 66—67. In Fig. 139 und 140
ist derselbe bei f sichtbar.
Hat sich der Funiculus von der Knospe abgelöst, so wird er an seinem zur Embryonalwand
hinführenden Ende zweischichtig, indem daselbst beide Blätter zu seiner Verlängerung beitragen. So
entsteht ein zapfenförmiger Keimstock, der später durch Strobilation in einzelne Theile zerschnürt wird,
welche die S ta tö b la s ten darstellen: „Untersuchungen“, S. 68—81. Im Stadium der Fig. 140 sind
die Keimstöcke beider Knospen schon angelegt.
In ähnlicher Weise wie der Funiculus bilden sich, die f r e ie n M u sk e ln , vor Allem die,
welche als Retractoren und Rotatoren das Polypid in Bewegung setzen. Sie entstehen aus einzelnen
Zellen des äusseren Knospenblattes, welche beim Wachsthum der Knospe zu langen, contractilen Fäden
(Fig. 141, 142, r ) ausgesponnen werden: „Untersuchungen“, S. 61- 63.
Das äussere Knospenblatt liefert endlich auch die G e schleehtsprodu cte: den Samen, der
am Funiculus, und die Eier, die an der oralen Cystidwand ihre Entstehung nehmen.
So geht aus der einzelnen Knospe ein v o lls tä n d ig e s Individuum, das P o lyp o c y stid
mit a llen sein en Organen, hervor.
Ausserdem aber entwickeln sich aus der nämlichen Anlage auch die jü n g e r e n K n o sp e n ,
wie denn schon der Keimstock eigentlich als eine strobilirende Knospe zu betrachten ist.
Die Tochterknospen entstehen an der Oralseite der Mutterknospe aus dem Zellmaterial des
Halses der letzteren. Die e r s t e (Fig. 140, B) tritt schon zu einer Zeit auf, wo der .Halstheil noch
nicht in die Leibeswand übergegangen ist, sie lässt also auf das deutlichste ihren Ursprung aus der
Primärknospe erkennen. An dieser, mit der sie zur „Doppelknospe“ verbunden ist, bildet sie einen
kurzen, zweischichtigen Bruchsack, der später, wenn das Cystid sich weiter entwickelt hat, nach der
äusseren Wand verlegt wird (Fig. 142, B). Hier wiederholen sich dann dieselben Vorgänge, welche
bei der Primärknospe zu beobachten waren und welche die Ausbildung einer zweiten Individuengeneration
zur Folge haben. Die Entwickelung dieser zweiten Generation findet jedoch erst in der
postembryonalen Periode ihren Abschluss; zur Zeit wo die Larve sich festsetzt, ist nur die erste
Generation (A) völlig ausgestaltet.
In der Regel wird noch im Embryo eine zw e it e Tochterknospe (Bl) angelegt, welche nun
nicht mehr direct am Halse der Mutter, sondern an der daraus
hervorgegangenen Cystidwand, zwischen dem Primärpolypid und
der ältesten Tochterknospe, auftritt. Bei der Niederlassung der
Larve befindet sie sich noch in sehr jugendlichem Stadium (Taf.
VIII, Fig. 151, 152, B 1).
Auf die zweite Tochterknospe kann späterhin eine d r it t e
(B2), v ie r t e (Bs) und selbst eine fü n f t e (B4) folgen, welche
immer wieder zwischen dem Primärpolypid und dessen jeweilig
jüngster Tochter sich einschalten, also aus dem zuletzt entwickelten
Theile des ersten Cystides hervorgehen; und da alle diese Knospen
sich ihrerseits auf gleiche Weise entwickeln und durch Knospung
vermehren, so ergiebt sich, dass nicht bloss die beiden ersten,
sondern auch a lle üb rigen I n d iv id u e n des S to ck es, nebst
sämtlichen S ta tö b la s ten und Geschlechtsproducten, aus
dem Zellmaterial der Primärknospen gebildet werden.
Es könnte auffallen, und ich habe es früher selbst betont
(’90, S. 116), dass der Satz, jedes Cystid gehe mitsamt dem
zugehörigen Polypid aus der polypoiden Knospenanlage hervor,
hinsichtlich der Primärknospen eine Einschränkung erleidet.
Denn allerdings ist ja ein T h e il der definitiven Leibeswand schon
entwickelt, ehe die Primärknospen sichtbar werden, und diesen
Theil finden wir auch in den beiden ersten Cystiden wieder: er
bildet das mittelste Stück der Kolonial wand, welches in der Textfigur
VI durch dichtere Streifung bezeichnet ist. Jedes Primärcystid
besteht also aus zwei ursprünglich verschiedenen Theilen, einem
basalen Abschnitt, welcher schon vor der Knospenbildung vorhanden
war, und einem distalen, welcher sich aus den Knospen
selbst entwickelt hat.
Es wäre jedoch falsch, wenn man hieraus auf einen
F ig . YI. Stadium aus der Verwandlung
der Larve in den festsitzenden Stock,
nach Braem, ’90, Taf. XV, Fig. 168, VII.
Die bleibenden Theile sind durch Querstreifung
hervorgehoben.
A die beiden Primärindividuen; B
erste, B ' zweite Tochterknospe; C Enkelknospe;
D Duplicatur des Embryonal-
cystids; Db Duplicaturbänder; uP unterer
Pol des Embryonalcystids; a ß f Grenze
zwischen dem der Rückbildung unterworfenen
Embryonalcystid und den bleibenden
Cystiden; 8. ß angenommene
Grenze zwischen den beiden definitiven
Cystiden; die punktirten Bogenlinien bezeichnen
die ungefähre Grenze zwischen
dem unteren Theil der Cystide A , welcher
schon v o r Anlage der polypoiden
Knospen vorhanden war, und dem oberen
Theil, welcher aus den polypoiden Knospen
selbst hervorging.
principiellen Unterschied in der Bildungsweise der ersten und der folgenden Knospen schliessen wollte.
Auch die späteren Knospen (B, B l) liegen anfangs in einem Cystid, welches nicht aus ihnen selbst,
sondern aus dem Zellmaterial der Mutterknospe herstammt. Dieser dem Mutterthier angehörige Theil
der Leibeswand ist es, den wir jenem basalen Abschnitt der beiden ersten Cystide zu vergleichen
haben. Hier wie dort beginnen die polypoiden Knospen sich erst auf einer gewissen Entwickelungsstufe
an der Cystidbildung zu betheiligen, nämlich erst dann, wenn der vorhandene Raum für sie nicht mehr
ausreicht: Das junge Thier wächst gleichsam aus seiner Wiege heraus, die es nun selbständig zu
seiner definitiven Behausung ausbaut.
Während aber bei den Primärknospen diese Wiege lediglich als Unterkunftsraum für die
Knospen selbst dient, hat sie bei den späteren Knospen ausserdem eine andere Bedeutung: sie ist
hier gleichzeitig ein Theil des mütterlichen Cystides, gehört also schon einem älteren Individuum