Die Rinde, an den jungen ziemlich dicken, etwas gefurchten Zweigen
rothbraun mit weissen Punkten besetzt, ist am alten Stamme dunkelbraun
rissig.
Die Knospen sind gelbbraun, stumpf kegelförmig und stehen wechsel-
ständig.
Die Blätter erscheinen im südlichen Klima früher, in unserer Lage aber
erst sehr spät im Frühjahre. Ih rer Form nach sind sie lanzettförmig, bis an
10 Zoll lang, mit scharf gezähntem Rande und scharfer Spitze. Die Masse
der Blätter ist ziemlich derb und lederartig, die Farbe d u n kelgrün, oben
glänzend, unten matt mit starken Blattrippen. Die B lätter stehen weohselständig
an den jungen Zweigen nnd bilden ihrer Grösse uud der horizontal
fächerigen Stellung wegen einen sehr dichten stark überschirmenden Baumschlag,
gewähren aber dem Baume eine besondere Schönheit. Der Blattabfall
erfolgt bei uns bei E in tritt der ersten Herbstreife, mitunter schon im September,
im Süden wohl viel später.
Die Blüthe ist halb getrennt au f einem Baume und männliche uud weibliche
Blüthen stehen auf gemeinschaftlichem Blüthenstiel.
Der Blüthenstand ist ein langes mit festem Stiel aufrechtstehendes
Kätzchen, das von der Spitze abwärts schütter m it männlichen Blumen besetzt
ist, und an seinem Grunde einige einzelne weibliche Blüthen trägt. Die
Blüthenstiele erscheinen in den Blattachseln der jüngsten Triebe.
Sämmtliche Blüthentheile sind sehr schön gelb und verleihen dem
blühenden Baume zwischen dem schönen dunklen Laube hervorstehend ein
ausserordentlich schönes Aussehen.
Die männliche Einzelblüthe besteht aus einem sechstheiligen Kelche mit
1 0 — 2 0 Staubfäden [Monoecia PolyandriaJ. Mehrere Einzelblüthen stehen
beisammen und bilden ein stielloses gedrängtes, kopfförmiges Kätzchen am
gemeinschaftlichen Blumenstiele. Die weiblichen Blüthen stehen meist am
Grunde der gemeinschaftlichen Blüthenspindel zu 3 oder 5. Die Einzelblüthe
besteht aus einem 5— Stheiligen Fruchtknoten mit eben so vielen Narben, der
von einer 5— Stheiligen Blüthenhülle umgeben ist, 2— 3 solche Blüthen sind
wieder mit einer 4theiligen Hülle umgeben, aus welcher der Fruchtbecher später
sich in der Form einer rundlichen , derbfleischigen, stachligen Fruchthülle
ausbildet.
Trotz der Reichhaltigkeit an Saamenansätzen entwickeln sich zur Reife
doch nu r 1 — 3, in der Regel enthält eine Fruehthülle 2 Saamen. Der Saamenkern
selbst ist eine nussähnliohe Frucht mit häutig holziger brauner Schale,
die von halbkugeliger, etwas abgeplatteter Form uud etwas zugespitzt ist. Im
Innern sind 2 dickfleischige Cotyledouen, die bei der Keimung nicht über die
Erde kommen.
Die Blüthe bricht im Süden im Mai, in Süddeutschland im Ju n i und in
nördlichen Gegenden mitunter erst Anfangs Ju li hervor. Die Fruchtreife und
der Abfall erfolgt im Oktober. Der Saame muss zum Anbau ebenso sorgfältig
aufbewahrt werden, wie die Eichel, und keimt im Frühjahre mit Hinterlassung
der Kernstücke.
Die Mannbarkeit tritt im freien Stande und im wärmeren Klima im
2 5 .— 30. Jah re ein, im Walde um 15 — 20 Jah re später.
Die Kastanie ist über Asien, Europa und Amerika im Bereiche der
wärmeren Zone verbreitet und innerhalb Europa ist ihre eigentliche n a tü rliche
Heimath. In Griechenland, Italien, Spanien und Südfrankreioh bis nach
Krain, Südtirol, iu den milderen G egenden der Schweiz bildet sie noch immer
natürliche Wälder oder Bestände, in Süddeutschland kommt sie in einzelnen
Büscheln, findet sich nu r noch einzeln ausser dem Walde in Weinbergen und
Gärten eingepflanzt, in Norddeutschland nur in Park- und botanischen Anlagen.
Im Süden Europa’s, Griechenland und Neapel ki-önt sie die Berge, in
Oberitalien und Krain gedeiht sie nu r in der Ebene und im Hügellande,
nördlicher kommt sie nur in ganz geschützten Lagen an Südabhängen gut
fort. Uebrigens verträgt sie die W inter Mitteleuropa’s ohne Bedeckung und
träg t selbst hinreichenden und keimfähigen Saamen. An der Südseite des weissen
Berges bei P rag stehen einzelne sehr schöne Stämme in deu Weinbergen, die
beinahe jährlich schöne, vollkommen reife Kastanien tragen. Dort, wo sie als
gewöhnlicher Waldbaum vorkoramt, steht sie theils rein in kleineren W äld chen,
theils gemengt im Eichen- oder Buchenwalde vereinzelt. Die reinen
Kastanienbestände sind meist Hochwald, der Fruchterzeugung wegen, doch
kommt sie auch im Niederwalde vor, obschon ihre Ausschlagfähigkeit minder
gu t ist, als bei der Eiche. Im Hochwalde ist ihr Wuchs ein anhaltender und
sie erreicht in guten Standorten ein hohes Alter und eine bedeutende Stärke.
Im freien Stande h ä lt sie viele Jahrhunderte aus und erwächst mitunter zu
Baumriesen, wie die berühmten Kastanienbäume am Aetna zwischen 3 0 0 0
bis 3 5 0 0 Fuss Seehöhe bezeugen, unter denen einer, Castagno di centO
Cötiß//* genannt, am Wurzelstocke 180 Fuss Umfang hat. In den italienischen
natürlichen Mittelwäldern kommt die Kastanie häufig vor, aber nur dort unter
der italienischen Sonne ist es möglich, dass auch u n ter dem Schutze der
Kastanien - Oberbäume Eichenschlagholz g e d e ih e t, selbst auch die auf
Kastanien rankende Rebe reife und süsse Trauben tr ä g t ; in unserem Klima
würde die dichte Krone der Kastanie im Mittelwalde als Oberbaum viel zu
viel schirmen.
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