112 SSergteidjung bev totlben unb ber cultibivten Organismen.
if l biefelbe Verfebrtheit, mie fte bie Slerjte begehen, melhe behaupten,
bte Äranfbeiten feien fünfilic^e ©rjeugniffe, feine Staturerfheinungen.
©8 ba* biele 3Wüf)e gefoflet, biefeS 33orurtfjeil ju befämpfen; unb evff
in neuerer 3 eit ifi bie Slnfic^t ju r allgemeinen Slnerfennung gelangt
bafj bie Äranfheiten ÜRichtS ftnb, als natürliche Vetänbetungen beS
Organismus, mirflicb natürliche SebenSerfcbeinungen, bie nur berüov-
gebracht merben bur<h oeränberte, abnorme ©jiftenjbebingungen. ©S
ifi bie tra n fb e it alfo nicht, mie bie älteren Sterbe fagten, ein Seben
außerhalb ber Statur (V ita pra eter n a tu ram ), fonbern ein natür-
licbeS Seben unter bejiimmten, fra n f mahenben, ben Körper mit ©e-
fahr bebrobenben Vebingungen. @an§ ebenfo jtnb bie ©ulturerjeug-
niffc nicht fün filih e ®Probucte beS Vtenfhen, fonbern fte fmb Statur-
probucte, melcbe unter cigentbümlicben SebenSbebingungen entjianben
finb. 35er Vtenfh oermag burcb feine ©ultur niemals unmittelbar
eine neue orgattifhe gorm ju erzeugen; fonbern er fann nur bie D r-
ganiSmen unter neuen SebenSbebingungen jücbten, melcbe umbilbenb
auf fte einmirfen. Stile haus s iere unb alle ©artenpflanjen flammen
urfprünglicb oon milben Slrten a b , melcbe erft burcb bie eigentl;ümli=
hen SebenSbebingungen ber ©ultur umgebilbet mürben.
3)ie eingebenbe Vergleichung ber ©ulturformen (Staffen unb
Spielarten) m it ben milben, nicht burcb Kultur oeränberten Organismen
(Sitten unb Varietäten) ifi fü r bie SelectionStheorie oon ber
größten Sßihtigfeit. SßaS 3fmen bei biefer Vergleichung junächfi am
Vteiflen a u ffä llt, baS if i bie ungemöhnlicb furje 3eit, in melcher ber
SRenfh im Stanbe ifi, eine neue $orm heroorjubringen, unb ber um
gemöbnlicbe hohe ©reib, in meinem biefe oom Vtenfhen probucirte
$ornt oon ber urfprünglicben Stammform abmei^en fann; mährenb
bie milben Teuere unb bie ipflanjen im milben 3 ujlanbe 3 e*br auS,
3 o b r ein bem fammelnben ßoologen unb Votanifer annäbernb in ber-
felben $o rm erfebeinen, fo bafj eben hieraus baS falfcbe 3)ogma ber
SpecieSconflanj entflehen fonnte. S o geigen unS bie hauSthiere unb
bie ©artenpflanjen innerhalb meniger 3ahre bie grö§ten Veränberun*
gen. 35ie Veroollfommnung, melcbe bie 3ü<btungSfunfl ber ©ärtner
Sßergteicfjung ber toHbeit unb ber cultibirten Organismen. H 3
unb ber Sanbmirtbe erreicht hat , geflattet eS jept in febr fur^er 3ett,
in menigen Röhren, eine gans neue Thier * ober $flanäenform mill-
fürlicb 5u fchaffen. Vtan braucht gu biefem 3mecfe blofj ben DrganiS-
muS unter bem ©tnfluffe ber befonbeten Vebingungen $u erhalten unb
fortjupflanjen, melhe neue Vilbungen ju erzeugen im Stanbe ftnb;
unb man. fann fh o n nach Verlauf oon menigen ©enerationen neue
Sitten erhalten, melcbe Oon bet Stammform in oiel höherem ©rabe
abmeicben, als bie fogenannten guten Sitten im milben 3uftanbe oon
einanber üerfhieben ftnb. 35iefe Thatfa<be*ifl äufjerft m is tig unb
fann nicht genug berootgelmben merben. ©S ifi nicht mahr, menn
behauptet mirb, bie ©ulturformen, bie oon einer unb berfelben $ornt
abflammen, feien nicht fo febt oon einanber üerfhieben, mie bie mitten
Thier* unb Vflanjenarfen unter ftd). Söenn man nur unbefangen
Vergleiche anflcKt, fo läfjt fth fein le iht erfennen, bah eine
SRettge Oon Staffen ober Spielarten, bie mir in einer furjen Stehe oon
Bahren oon einer einigen ©ulturform abgeleitet haben, in höherem
©rabe oon einanber u n terge be n ftnb, als fogenanntc gute SpecieS
ober fetbfl oerfhiebene ©attungen (Genera) einer ftamilie im milben
3 uflanbe fth unterfheiben.
Um biefe äufferfi mihtige Thatfahe m ö g lih fl fejt empirifh gu
begrünten, befhlo§ T ) a rm i n eine einzelne ©ruppe Oon # a u 8thieren
fpecieü in tem ganzen Umfang ihrer ftormenmannihfaltigfeit gu flu-
tiren , unb er mäf)lte baju bie H a u s t a u b e n , melhe in mehrfaher
Vejiehung für biefen 3mecf gang befonberS geeignet ftnb. ©r hielt
fth lange 3e it h in tu rh auf feinem ©ute alle möglihen Staffen unb
Spielarten oon Tauben, melhe er befommen fonnte, unb mürbe mit
reichlichen 3ufenbungen auS alten Sßeltgegenben unterftüpt. fe rn e r
lief er fth in gmei Sonboner TaubenffubS aufnehmen, melhe bie
Bühtung ber oerfhiebenen Taubenfornten m it mahrhaft fünflleri-
fher Virtuofttät unb unermübliher Seibenfhaft betreiben, ©nb*
tih fehle er fth noch mit ©inigen ber berühmteren Taubenliebhaber
in Verbinbung. S o ftanb ihm baS reihfte empirifhe Vtaterial gur
Verfügung.
«ßaedfel, Statürlidjc ©tfeSpfungSgef^it^te. g