Auch Aigner x) hat diese Erscheinung beobachtet: „Die
mittlere Länge des oberen Abschnittes der Kranznaht ”, schreibt
er, „ is t bei bei den menschlichen Schädelformen bei allen
Rassen (mit Ausnahme der Afrikaner) und bei beiden Geschlechtern
au f der rechten Seite grösser als auf der lin k e n ;
das Gleiche gilt von den Orangs; die männlichen Hylobates
haben re ch ts , die weiblichen links das grössere Mittelmass.
Auch bei seinen Marker Schädeln fand Barge die Bogenentfernung
rechts durchschnittlich grösser als lin k s , der Unterschied
war jedoch geringer. Ausserdem waren die individuellen
Masse rechts viel weniger konstant grösser als lin k s ; in 53,85 °/
d e r Fälle war die Bogenentfernung rechts und in 46,15 °/
links am grössten.
Um feststellen zu k ö n n en , ob diese Erscheinung vielleicht
d u rch eine stärkere Wölbung des Schädels an der Seite, wo
die Bogenentfernung Stephaneon-Bregma am grössten ist,
verursacht w ird , mass Barge auch die direkte Entfernung
zwischen beiden Punkten. Als er hierauf mit Hülfe dieser
beiden Entfernungen den durchschnittlichen Wölbungsindex
bestimmte, fand er ihn rechts etwas kleiner als lin k s , was also
au f eine etwas stärkere Wölbung des Schädeldaches rechts weist.
Der durchschnittliche Wölbungsindex betrug bei seinen
Friesenschädeln rechts 93,37 und links 94,5 — ein Unterschied
also von 1,13 Einheiten. Dieser Unterschied ist jedoch
zu gering um ihn als Erklärung gelten lassen zu können.
Der Unterschied zwischen rechts und links bestand jedoch
a u c h , wenn man beiderseitig die Bogenentfernung Stephaneon-
Bregma in Prozenten der totalen Länge der Sutura coronaria
ausdrückte, wobei also der Einfluss der Wölbungsdifferenz
fast ganz ausgeschaltet war. Desungeachtet fand Aigner an
d er rechten Seite des obersten Teiles der Sutura coronaria
eine relativ grössere Länge. Es wird also ausser der Wölbungsdifferenz
wahrscheinlich noch eine andere Erklärung für den
1) Aigner, P., Über die Ossa parietalia des Menschen, ein Beitrag
zur vergleichenden Anthropologie. Inauguraldissertation. München
1900.
Unterschied rechts u nd links gegeben werden müssen. Barge
meint die nächstliegende Annahme sei wohl, dass der linke
Musculus temporalis im allgemeinen kräftiger entwickelt ist als
der rechte und dass so die linke Linea tem p o ra lis, welche die
Umfangslinie des genannten Muskels ist, mehr in die Höhe,
n äh e r nach der Medianlinie hin geschoben wird. Wodurch die
Bevorzugung des linken Musculus temporalis verursacht wird,
weiss Barge nicht zu sagen. Möglicherweise könnte eine bessere
Vascularisation an der linken Hälfte des Kopfes eine Rolle spielen.
Dass grössere Massenzunahme des Schläfenmuskels Verschiebung
der Schläfenlinien verursacht, sehen wir auch hei
den anthropoiden Affen. Besonders am männlichen Schädel
breiten die oberen Schläfenlinien sich m ehr und m ehr auf
dem seitlichen Schädelrand aus und erzeugen an ihrem Rande
Knochenleisten. Mit fortschreitender Entwicklung rücken die
Schläfenlinien immer höher zum Scheitel h in au f, stossen
endlich in der Pfeilnaht auf einander und erzeugen den bekannten
Sagittalkamm. Am stärksten ist dies bei dem m än n lichen
Gorilla der Fall, jedoch auch bei dem weiblichen Gorilla
wird manchmal, wenn auch in geringerem Masse entwickelt,
ein derartige Kamm beobachtet. Bei den Orang-Utan ist n u r
bei männlichen Exemplaren ein Sagittalkamm zu finden; bei
dem männlichen Schimpanse findet man bisweilen einen flachen
Sagittalkamm J).
Untersuchen wir n u n , wie es rechts u nd links mit dem
Wölbungsindex der niassischen Schädel steht. Die direkte
Entfernung Stephaneon-Bregma beträgt bei 27 Schädeln rechts
durchschnittlich 7,06 cm. Als Maximum wurde 8,6 cm.
(No. 185) und als Minimum 5,8 cm. (No. 58 C) gefunden.
Links beträgt das Mittel 6,86 cm., das Maximum 8,4 cm.
(No. 58 0 und 59 K) un d das Minimum 5,4 cm. (No. 58 E).
Der durchschnittliche Wölbungsindex beträgt dann rechts
92,77 und links 92,57, ist also rechts etwas grösser als links,
die Wölbung rechts ist demnach etwas kleiner als links, genau
das Umgekehrte von dem, was man erwarten sollte. Es zeigt sich
1) Obermaier, Hugo, Der Mensch aller Zeiten. Berlin, 1913.
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