vorbey; diefs kan durch eine aufgestellte
Säule ausgedrücket seyn; so wie die alten
Künstler zu thun pflegten; denn weit entfernt,
ganze Gebäude, wie die Neuem, auf
einer kleinen Fläche, welche blos Figuren
zu halten bestimmt war, aufzuführen, begnügen
sie sich, dafs sie etwas, was auf dem gegebenen
Raume nicht völlig vorgestellt werden
kan, blos, allenfalls durch einen Theil,
anzudeuten 2). Genug, beyde, Diomed und
Ulyfs, nähern sich dem Tempel der Pallas,
und Ulyfs zeigt nach der Stelle, wo es nun
an die Ausführung gehen wird. Dieser Raub
des Palladiums ist der Gegenstand, in vef-
schiedner Behandlungsart, von so vielen alten
Kunstwerken gewesen, dafs es wahrscheinlich
seyn kan, auch diesen Zeitpunkt
habe einmal ein Künstler genutzt; eben so
wie es alte Steine giebt, auf welchen beyde
Helden auf der Rückkehr mit dem geraubten
Palladium in eilfertigem Laufe vorgestellt
sind. •
D o c h die beyden Heldenfiguren beschäff-
tigen das Auge für sich allein genug; selbst
bey längern Anschauen. Ulyfs hat ein wenig
Gewand; Diomed als junger Held ist ganz
nackt, mit dem Speer und einem Schild, den
er auf die Erde stemmt und sich vorwärts
bückt, als suche er einen entfernten Gegenstand
zu entdecken oder genau ins Auge zu
fassen.
D i e bisherigen Stücke sind für die Bemerkung
belehrend, dafs der Künstler von
dem Dichter blos die Idee, die Personen mit
ihrem Charakter, und die Plandlung im Allgemeinen,
entlehnt; in der Ausführung aber
ganz dem Kunstsinn folgt, und die Kunstbedürfnisse
zu Rathe zieht. Und doch hat
auch diefs seine Grenzen; deren Wahrnehmung
einen Theil von demjenigen ausmacht,
was wir Künstlerweifsheit nennen wollen.
*) M an kan freylich, wenn man .einen Einfall, den man gehabt hat, unterstützen
will, immer etwas finden, das sich als Notlabehelf anführen läfst, wenn es auch noch so
weit herzuholen seyn möchte; aber das heilst nicht, erklären, und den Sinn angeben, den
der Künstler gehabt hat und gehabt haben mufs. Man kan sagen, der Künstler sey* von
des Dichters Erzählung ganz abgegangen, nach welcher die Thracier unter freyen Himmel
nächteten, und er habe ihnen und ihrem Könige Rhesus ein Lager und ein statli-
ches auf Säulen ruhendes Zelt angedichtet. Aber das wäre aus der L u ft ergriffen. Es
liefs sich auch sagen: die Säule bezeichne den Tempel des Apollo zu Thymbra, bey welchem
der Weg vorbeygegangen sey; denn jenseits des Simois lag dieser Tempel in einiger
Entfernung; es liefs sich die Stelle, BuchX, 450 zu Hülfe nehmen, wo Dolon die
Folge der gelagerten Bundsgenossen beschreibt: “ Gegen die Seeküste zu, (von Troja aus)
lagern die Carier, und Päoner —- bey Thymbra die L y cie r , Mysier, Phrygier und Mäo-
ner.” Die Erklärung hätte ein gelehrtes Ansehen, wäre aber nichts mehr und weniger als
spielender Witz oder Phantasie. Wollte man die Grabhügel mit Säulen auf dem Gefilde
von Troja zu Hülfe nehmen, so stöfst man gegen das im Homer bestimmte Local an; denn
das Grabmal des Uus lag auf einer ganz ändern Stelle, so wie das andre von derMyrinna.
Antiquarische Analogie hat der einzige Gedanke, dafs sich das Werk auf die Entführung
des Palladiums beziehen könne.
*) Es läfst sich sogar eine noch nähere Veranlassung zur Säule für den Künstler
daher ableiten, dafs auf den meisten Steinen, welche den Palladiumsraub darstellen eine
Säule, zwar immer mit einer kleinen Statüe, zu sehen ist, als in der Kunst angenommene
Bezeichnung des Orts der Handlung.