ein subalterner Charakter; und doch zeichnet
er sich so schön, selbst neben und nach dem
Achill, aus, und wird in manchen Fällen
so gar hervorstechend; er ist dabey vortrefflich
gehalten und durchgeführt. Vielleicht
irren wir uns; aber es ist ein Lieblingscharakter
für den Dichter; warum sollte er es
nicht auch für uns seyn] Wir würden den
Helden lieben, wenn wir ihn unter uns wandeln
sähen; vielleicht gäbe es so gar Damen,
die ihn dem götterähnlichen Achill vorzögen.
Denn, den schönen Nireus, von dem
weiter nichts zu sagen war, als, der schöne
NireusI 3) werden sie doch nicht jenen an
die Seite setzen wollen? Am meisten tritt
Diomeds Charakter hervor, wenn er neben
Ulyfs gestellt ist, oder Ajax ihm entgegen
gestellt wird. Der gute, treuherzige, nur
etwas plumpe und unbehülfliche Ajax] dieser
hat auch Leibesstärke, und in einem weit
gröfsern Mafse; bestätiget aber die Erfahrung,
dafs in grofsen Fleischmassen die geistige
Kraft sich nicht so ganz rege und thä-
tig äufsern kann; selbst die Bewegung der
Körper setzt ein gewisses mechanisches Ver-
hältnifs zwischen Seele und Körper voraus.
Hector, neben diesen beyden gestellt, nähert
sich ihnen oder gleicht ihnen an Leibesstärke;
aber als Trojaner, als Anführer des
ganzen Heeres, als Mann und Vater, zieht
er das Gemüth des Lesenden fast ganz von
jenem Begriffe der Stärke ab.
A m Diomed ist diefs die eigene Bestimmung
der Stärke und des Muthes, dafs guter
gesunder Verstand damit verbunden ist, der
sich im Berathschlagen und Rathfassen, Beschlüssen
und Entschlüssen, und Wählen
ohne Rücksicht auf Gefahr, zeiget; kömmt
es zur Ausführung, so ist der Mann entschlossen,
dreist und unternehmend, und
immer bey kaltem Blute. Ulyfs hat Erfindungskraft,
Scharfsinn, Vorsicht; für gefährliche
Unternehmungen ist er also dem Diomed
als Gefährte zugegeben. Diomeds Verstand
zeigt sich im Beurtheilen; tief eindringend
ist er nicht, aber kräftig im Ausführen;
Beyde haben den Beystand der Minerva;
aber der eine für kluge Anschläge, der andre
für kriegerischen Muth; bey Ulyfs deutet
Minerva auf überlegne Klugheit, bey Diomed
auf erhöhte Tapferkeit. Bey jenem ist
mehr Geistiges und Sittliches; bey diesem
überwiegende Körperkraft, mit Geradheit,
Rechtlichkeit, Bravheit; freylich kömmt zuweilen
ein wenig Aetolische Rohheit mit
dazwischen.
W as aufserdem im Homer seinen Charakter
noch mehr zu bestimmen bey trägt, ist
seine Jugend und sein Verhältnifs zu den
übrigen Helden, die ihm an Alter, Ansehen,
Macht und Einflufs auf die Achiven überlegen
sind. Diefs macht einen Abstand vom