Hehr Director Ti s chbein hatte noch
einen Gedanken, welcher in der rechten Anwendung
seinen guten Werth hat. Die Cy-
clopeninsel, und die Insel der Phäacier, so
wie die so ganz verschiedne Aufnahme des
Ulyfs bey beyden, sind in einen feinen Con-
trast gestellt. Dort ein gebildetes Volk, ein
angebautes Land, eine schöne fruchtbare Gegend
, beschäftigte Menschen, welche die
Natur nutzen und verschönern, aber auch
das, was Natur und Fleifs darbeut, zu ge-
niefsen wissen. Welchen Reitz hat das ganze
Gemälde! Eben diese Menschen sind aber
auch, weil sie cultivirt sind, gastfrey, voll
Gefühl für einen Fremden, welcher viele
Mühseligkeiten überstand. Gehet man tiefer,
so erscheinen die herrlichen Vortheile und
Vorzüge des gesellschaftlichen Zustandes und
der politischen Verfassung. Was allem aber
eine individuelle Farbe giebt, ist, dafs alles
in den frühem Zeiten der Welt aufgestellt
ist, da patriarchalische Autorität durch mehrere
Stamm Verbindungen in Volksversammlung
übergieng, und doch noch nicht ganz
aufgelöfst war; der König ist noch blos Oberhaupt
an der Spitze der Stammältesten; Handel
und Schifffahrt fieng bereits an, Reich-
thümer, Requemlichkeit des Lebens und Vergnügungen
zu verschaffen, und die Stadt
mit schönei^Wohnungen, Tempeln und Lustgebäuden
auszuschmücken.
Welchen Abstand macht dagegen eine
rauhe, wüste, wilde, unwirthbare Insel, mit
überhängenden Klippen am Ufer, mit aufge-
thürmten schroffen schauervollen Felsengebirgen,
an denen sich hier und da Höhlenöffnungen
von ferne zeigen, welche von Wilden
bewohnet werden, die ungesellig, ohne
Verkehr, zerstreut neben einander leben, blos,
was die rohe Natur darbeut, geniefsen; nur
so weit Gebrauch von Menschenverstand
gemacht haben, dafs sie Heerden halten, weil
sie einheimisch waren, und sie sie wild auf
der Insel antrafen. Die Natur bot ihnen Wein
und wildwachsendes -Getraide dar; aber ungenutzt
bleibt alles; unthätig, blos auf groben
sinnlichen Genufs eingeschränkt, leben
sie instinktmäfsig dahin, und vergeblich ist
in sie der göttliche Funken der Vernunft gelegt,
der sie zur Menschenwürde erheben
konnte. Von solchen Mifsgeschöpfen liefs
sich auch kein Menschengefühl, keine Gast-
freyheit, kein Mitleid, erwarten.
Man sage nicht: aber diesen Contrast kündigt
doch der Dichter nicht an! Es wäre ein
schlechter Dichter, wenn er es thäte. Er soll
und will erzählen und darstellen, und die
Einbildungskraft beschäftigen, er lehrt nur
durch Inhalt der Dinge selbst, durch die Stellung
der Sachen, und durch ihre Darstellung.
Wenn man nur ein wenig mit dem frühen
Aterthum bekannt, geschweige wenn man