Menelaus, der kurz vorher eine ganz bedeutende
Fleisch wunde erhalten hatte, konnte
einige Stunden darauf wieder aus allen Kräften
fechten. Des Menelaus ausdauernder
Muth, vermischt mit Anhänglichkeit und
Dankbarkeit, zeigt sich am rühmlichsten bey
der Vertheidigung des gefallenen Patroclus,
und bey der Wegführung seines Leichnams
3).
W as ihn sonst noch empfahl, war Folgendes:
er war ein schöner Mann; er ist bey
dem Dichter der blonde Menelaus; von
einem ansehnlichen Wuchs; denn er war
Kopfslänge gröfser als Ulyfs 4). Desto auffallender
hat es schon den Alten geschienen,
dafs Helena dem wackern Gemahl den weichlichen
süfsen Trojaner vorziehen konnte;
allein das Räthsel haben neuere Kenner der
Weiber, wo nicht hinlänglich gelöfst, doch
mit zahlreichen Beyspielen erläutert. Menelaus
hatte noch andere Vorzüge: nach unserer
Art zu sprechen, repräsentirte er gut, und
hielt einen ansehnlichen Hof; auch, wenn
er jetzt noch lebte, würde der Adel von
Sparta keine seiner Hofstellen unbesetzt gelassen
haben 5) y. sein Pallast war sehr glänzend;
wie gaffte nicht staunend der junge
Telemach, der als ein Landjunker aus dem
kleinen Ithaca kam! Endlich, Menelaus war
freygebig, gastfrey, um so mehr, da er selbst
auf seinen Reisen sich von vielen liebreich
aufgenommen, bewirthet, und mit Geschenken
überhäuft gesehen hatte.
N och Eins; dafs er seine entführte Frau
immer mit unveränderter Treue liebte, er-
giebt sich daher: wenn die anderen Helden
sich eine artige Gefangene zulegten, Agamemnon
eine Chryseis, Achill eine Briseis,
und in ihrer Ermangelung eine Diomede, Patroclus
eine Iphis, und so weiter: so hört
man nie, dafs er eine ähnliche Frey heit sich
genommen hätte. Auch Folgendes beweiset,
wie ernstlich er es in seiner Anhänglichkeit
an Helena meynte: vor Anfang des Krieges
war er mit Ulyfs als Gesandter von dem vereinigten
Achivischen Heere nach Troja gegangen,
um die Geraubte wieder zurück zu
fordern 6). Der Dichter hat uns nicht benachrichtiget,
ob er sie bey dieser Anwesenheit
in Troja selbst gesprochen habe.
D i e s en an und lür sich nicht glänzenden
Stoff sehen wir gleichwohl von dem
Dichter durch einen Zauber veredelt, mit
einer Würde behandelt, die durch Einfalt
noch mehr gewinnt, und von aller Anmuth
der Imagination und der Harmonie der Sprache
begleitet wird. Hat uns sein Zauber einmahl
ergriffen, sehen wir seine Helden in
dem Spiegel, den er uns vorhält: so erscheint
uns Alles grofs und heldenmäfsig; Rohheit
wird einfache edle Menschennatur, und ehrwürdige
Einfalt von Heldensitte; das Un