V on der Circe voraus gewarnt, verstopft
Ulyfs seinen Gefährten die Ohren mit Wachs,
und läfst sich selbst an den Masten festbinden,
mit dem Befehl, ihn nicht lofs zu lassen,
er möge noch so sehr bitten und winken;
er genofs also das Vergnügen, den
lockenden Gesang ohne Gefahr anzuhören.
Ob diefs, in Rücksicht auf Moral und Klugheit,
immer die beste Art den Gefahren der
Sirenenreitze zu entgehen seyn möchte, läfst
sich bezweifeln; man erhält auf diesem
Wege Eindrücke, die es besser wäre gänzlich
zu vermeiden, damit man sie nicht zu
seiner Quaal erhielt. Und an einen Mastbaum
angebunden ist man auch nicht
immer!
Da s Werk, wovon die Zeichnung genommen
war, ist ein marmorner Sarcophag
im Museo zu Florenz, dahin gebracht von
Volterra; also ein altes echtes Etruskisches
Werk, von schlechter Sculptur, aber im alten
Stil. Drey Sirenen, nicht unterwärts als
Vögel gebildet, sondern schöne weibliche
Figuren, sitzen auf Felsenstücken, und begleiten
ihren Gesang mit einer Rohrpfeife,
Lyra und Doppelflöte; sie sind schön gekleidet,
mit einem Gewand, das vom Nacken
über den Kopf gezogen ist. Das Schilf konnte,
wie alle ähnliche Gegenstände von einem
viel umfassenden Umfange, auf einem Marmor,
blos angedeutet werden; es sind also
nur drey Gefährten des Ulyfs vorgestellt, er
selbst ist mit den Händen an den Masten angebunden.
Man mufs sich vorstellen, dafs
das Schiff die Insel fast vorbey gefahren ist;
Ulyfs sieht voll Begierde und Sehnsucht nach
den Sirenen zurück; die Schilfer schauen ihn
voll Verwundern an, da sie bey verstopften
Ohren den Gesang nicht hören; zwey von
ihnen, Homer nennt sie Perimedes und Eu-
rylochus, scheinen die Banden zu befestigen.
Das Segel ist zwar aufgezogen, aber
noch nicht gestellt den Wind aufzufangen;
denn bey Annäherung an die Insel entstand
eine Windstille, und das Schiff konnte nur
durch angestrengtes Rudern vorbeygebracht
werden. Befremdlich ist auf dem Marmor
selbst, dafs das Segel mit rothen Streifen
bemalt, und dafs die drey am Bora des
Schiffes befestigten Schilder, und noch zwey
kleinere am äufsersten Vordertheile und am
Ende des Hintertheils, so wie auch das Schiff
selbst, mit Zierathen und Streifen aus Gold
geschmückt sind. Zum unvollkommnen
Ausdruck in der Sculptur gehöret auch die
Ansicht des Steuerruders mit den drey Rudern;
und an dem Vordertheile sind, aufser dem
Widderkopfe ')> auch drey Schiffsschnäbel,
R o s t r a , welche sich doch nur an Kriegsschiffen
der folgenden Zeiten befinden konn