die Muse des epischen Gedichts, zu welchem
diese Einführung des Trojaners mit ihren
Folgen einst Stoff geben wird; nicht minder
sind ihre Folgen Gegenstand der lyrischen
Poesie geworden; dahin leiten die anderen
beyden Musen, Euterpe und Terpsichore,
jene mit der Doppelilöte, und diese mit der
Lyra /).
Nicht historisch mufs das Werk betrachtet,
und also nicht ausgeklügelt werden, zu
welchem Zeitpunct der Geschichte es zu
ziehen sey; noch weniger ist die Vermählung
vorgestellt; sondern das Ganze ist eine
schöne Künstlercomposition, welche die leidenschaftliche
Liebe von Paris und Helena
in ihrer ersten Entstehung darstellt. Paris
von dem Amor zugeführt, mufs nicht gedacht
werden, als werde er mit Gewalt zu
ihr geführt; sondern der Künstler drückt das
Erstaunen über die Schönheit der Helena
aus, welche ihn unbeweglich macht; die
Sittsamkeit der Helena und der Kampf ihres
Herzens ist nicht weniger gut gefafst; indessen
spricht die Liebe, die entstehende L e idenschaft
für den schönen Trojaner. Wie
konnte diefs natürlicher gedacht seyn, als
dafs Venus sie zu überreden sucht I Weifs-
lich hat der Künstler die Göttin als Matrone
vorgestellt, theils, um nicht zw ey jugendliche
weibliche Schönheiten neben einander
zu stellen, theils in der Hinsicht, dafs sie hier
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die Ehestifterin ist, und die Stelle einer Juno
Pronuba vertritt; welche in keiner Hinsicht
an der Handlung Antheil nehmen konnte;
denn sie ist selbst eine ehrsame Dame; und
die ganze Entführung der Helena war ihr
ein Greuel; wenn man auch nicht den Ausspruch
des Paris als Schiedsrichter der drey
Göttinnen dazu nehmen will. Die Draperie
ist sehr reich, und das Gewand von hinterwärts
über den Kopf gezogen, wie sonst an
den Statuen der Juno. Die ausgebreiteten Flügel
des Amor füllen geschickt die Leere zw ischen
den Figuren auf dieser Seite des Marmors
aus, und gruppiren. Amor macht hier
eine bessere Figur, als auf dem Relief im
ersten Hefte 4. Bl., welches fast als Gegenstück
betrachtet werden kann: denn Amor
führt auf demselben die Helena dem Paris zu.
So weit wäre diefs Relief beschrieben und
erklärt, wie es sich bey dem ersten Anblicke
darstellt. Es ist auf einer Vase von Marmor
von einer beträchtlichen Gröfse, von schöner
Form, und mit reichen Laubwerksornamenten
versehen, ausgeführt. Bekannt war
die Vase schon lange, aber nur wegen einer
darauf befindlichen Schrift; von Neapel aus
brachte sie der bekannte Jenkins nach Rom;
wo Orazio Orlandi ein Kupfer von der Vase,
und ein anderes von dem Relief besonders,
mit einer Erklärung an das Licht gestellt
hat; einer Erklärung, mit welcher ein Anti