der Frauen sich, genau betrachtet, einer häufs-
lichen Sklaverey näherte, und die Erziehung
der Töchter zu keiner Ausbildung des Geistes
führen konnte: so müssen sehr ausgezeichnete
Geistesgaben erforderlich gewesen
seyn, um eine Haufsfrau bey den rauhen
Kriegern in Achtung zu setzen. Was auf
Männerherzen überall wirkte, war Schönheit
und körperliche Reitze. Alle Gewalt, welche
Helena über die Männer hatte, gründete sich
bey Homer’n auf ihre Schönheit. Schönheit
hat ihren Nahmen unsterblich gemacht; und
nicht blofs den ihrigen, sondern selbst den
Nahmen ihres Mannes. Wie würde sonst der
Nähme eines kleinen Fürsten von Sparta auf
die Nachwelt gekommen seyn, hätte er nicht
die schöne Helena zur Gemahlin gehabt! Hat
nicht auch in ändern Zeiten mancher der
Mächtigen der Welt seiner schönen Maitresse
eine Stelle in der Geschichte zu verdanken,
die ihm sonst schwerlich zu Theil geworden
wäre? Welche zweydeutige Sache ist also
der Nachruhm! Doch ist es immer noch
unschuldiger, dem Andenken der Nachwelt
durch eine schöne Frau empfohlen zu seyn,
als durch Flüche von Myriaden Unglücklicher.
F reylich theilt Flelena ihr Verdienst mit
dem Sänger. Ohne diesen wäre Menelaus
einer von den vielen Helden, von denen
Horaz sagt: Vor Agamemnon lebten viele
tapfre Helden, aber ihre Asche bleibt unbe-
weint, weil ihnen kein göttlicher Sänger zu
Theile ward. Dem glücklichen Sohne des
Atreus ward alles gewährt, eine schöne Frau,
ein Sänger, und des Nahmens Unsterblichkeit.
Zwar kam ihm beydes hoch zu stehen:
sich eine schöne Frau entführen lassen,
zehen Jahre ihrentwegen kämpfen, und sie,
zehen Jahre älter, wieder zurücknehmen, als
Frau eines ändern, ist ein etwas theuer erkauftes
und sehr vermindertes Glück. Nun
noch die Gefahren und Beschwerlichkeiten,
unter welchen er sie von Troja wieder zurück
führte; der Sturm trieb seine Schilfe ostsüdlich
im Mittelmeere und an den Küstenländern
acht Jahre lang herum. Doch endlich
kam er glücklich in Sparta an; und nun ward
ihm der Besitz seiner wieder erhaltenen Helena
auf den spätem Theil seines Lebens gesichert;
man hört auch nicht, dafs sie ihm
weiter zur Eifersucht Anlafs gegeben habe.
Wie vertraulich sie zusammen lebten, davon
mahlt uns der Dichter selbst eine häufsliche
Scene: Wie Telemach, vom Sohne Nestors
begleitet, an Menelaus Hofe ankömmt, um
Nachrichten von seinem Vater einzuziehen,
und beym Könige Menelaus Audienz hat:
tritt bald nachher Helena, ansehnlich wie
eine Diana, in den Saal ein, geführt von ihren
Sklavinnen; eine bereitet ihr einen erhabnen
Sessel mit Fufsbank, die andere trägt ihr