sches Wesen, eine weibliche Figur mit einer
Fackel; welche wohl keine andre als Venus
selbst, hier als Brautfuhrerinn, seyn
kann. Man mufs glauben, sie steht hinter
oder bereits innerhalb des Fahrzeuges, in
welchem man noch an beyden Enden zwey
Trojaner als Gefährten des Paris sieht; man
erkennt sie an der Phrygischen Mütze. Die
Behandlung ist meisterhaft, alle Personen
nehmen Antheil an der Handlung; von allen
Nebenfiguren sind die Augen auf die Hauptfigur
gerichtet; der Ausdruck des Erstaunens
ist an beyden, Paris und Helena, nicht blos
im Gesichte, sondern selbst in der Stellung
sichtbar; sie fährt zurück, die Füfse bleiben
wie angefesselt, an der Stelle; der Knabe unterstützt
sie und zieht sie wieder vorwärts;
sie hält das eine Ende des Schleyers, als
selbst begierig den schönen Mann anzm
schauen; hiedurch wird der ganze Oberleib
entblöfst, und die völlige schöne Gestalt dem
Auge des erstaunten Paris dargestellt. Dieser
ist ganz in Betrachtung, Anschauen, und Bewundern
versunken; sein Blick hängt an
dem reitzenden schönen Weibe, das er vor
sich sieht; diefs rechtfertiget ihn, dafs er so
ganz unbeweglich sitzen bleibt. Der Charakter
des Werks scheint also in so fern völlig
erschöpft zu seyn.
D a s s die Vorstellung von der gewöhnlichen
Erzählung ab weicht, fällt in die Augen;
denn diese lautet so: Paris wird beym Me-
nelaus zu Sparta bewirthet; Menelaus reiset
nach Creta, empfiehlt seinen Gast der Helena;
diese wird von Paris zur Flucht überredet.
Allein bey den Alten ist mehr als eine
Art der Erzählung bekannt gewesen. Man
mufs sich diefs daher erklären: so viele Dichter
hatten den Helenenraub erzählt, und,
jeder auf eigne Weise, mit Nebendingen und
Umständen ausgeschmückt; nun kamen die
Vorstellungen auf dem Theater hinzu, welche
natürlicher Weise mehrere Abänderungen
erforderten, damit sich alles zur tragischen
Handlung, wie sie die Bühne erfordert,
schickte; die Künstler haben wiederum
ihrerseits die Frey heit, eine Handlung so zu
stellen und anzuordnen, dafs die Darstellung
malerisch schön ausfällt. Hier ist der Ort
nicht, alle die Verschiedenheiten anzuführen;
nur diejenige will ich beybringen, welche
uns dem Kunstwerk näher führt. Helena
verrichtete ein Opfer am Ufer des Meeres,
nicht weit von dem Orte, wo die Gefährten
des Paris ihr Schiff ans Land gezogen
hatten. Hier wird sie von den Trojanern
überfallen und ans Schiff zum Paris gebracht.
In diesem Sinn ist auch unser Kunstwerk
gearbeitet '),
') A u c h in dieser Erzählung finden sich Verschiedenheiten. Nach Einigen brachte
sie das Opfer an der Küste von Laconica dem Bacchus und der Ino; beyde Gottheiten
warm, den Spartanern nicht fremd; nach Ändern sahen sich Paris und Helena zuerst auf
der Insel Cythera, dem laconischen Gebiete gegen über, wohin Helena gegangen war, im