Stück Fleisch gefafst, und mit der rechten
greift er, mifstrauisch schielend, nach dem
ihm von Ulyfs gereichten Becher; der Cyclope
selbst ist eine ganz zur bösartigen Viehnatür
erniedrigte, widrige, Menschennatur, welche
keinem Gefühle von der Kunst des Ausdrucks
Raum läfst. So fern hätte also das Werk,
was wir auf unserm Blatte sehen, vor jenem
seinen Vorzug.
B e f r e m d e n d ist gleichwohl die grofse
Jugend der Figur, welche der Cyclope hält;
befremdlich das Diadem, oder Kopfbinde,
die sein Haar umwindet, und auf keinen Gefährten
Ulyfsens hin weisen kann. Und was
soll man bey der Hirtenflöte denken, welche
der Cyclop in der Hand hält! sie ist nicht
nur ganz müfsig, sondern schickt sich auch
zur Handlung nicht. Alles diefs führt auf
eine ganz.-andeije,_JEabel. Die Hirtenflöte
bringt uns den Polyphem, als Liebhaber der
Seenymphe Galatea, in Erinnerung; eine solche
Flöte hielt er unter dem Arme auf einem
Gemälde, wo er vom Felsen herunter sah,
wie sich Galatea in ihrem Wagen auf der See
belustigte *)• Eine Hirtenflöte geben ihm die
Dichter in bekannten Stellen, wenn sie ihn
über seine verachtete Liebe zur Galatea klagen
lassen *). Die Flöte führt uns also auf
die Liebe zur Galatea. Aber was wird dann
die jugendliche Figur seyn, die er am Arm
hält? Diese erhält eben nun ihre Erklärung
und Bestimmung; es ist Acis, der schöne
A c i s , der Geliebte der Galatea, welchen der
Cyclope mit einer thierischen Eifersucht verfolgte.
Einmahl überfällt er sie beyde in einer
vertraulichen Unterredung; aufgescheucht
fliehen sie beyde; die Nereide stürzt sich in
die See; Acis flieht längs dem Ufer; der grausame
Polyphem verfolgt ihn, und schleudert
ein Felsenstück nach dem glücklichem Nebenbuhler.
Es läfst sich denken, dafs ein Künstler die
Fabel dahin verändert hat: der Cyclope hat
den getödteten Acis ergriffen, hält nun seinen
Raub, und sitzt mit dummen Stolz und
viehisch befriedigter Rachgier ganz dämisch
da. Jede niedrige Leidenschaft drückt sich,
auch wenn sie befriediget ist, in widerlichen
Zügen aus; noch mehr der viehische Grimm
des Neidischen und Hassenden, wenn er froh
ist dafs er geschadet hat. Wie gern wendet
man sein Gesicht von einem Heimtückisch-
Bofshaften weg, welcher grinsend lacht, dafs
er seinem Gegner einen Streich versetzt hat.
Eine ähnliche Ansicht giebt hier der Cyclope;
seine Syrinx hält der gefühllose Unmensch
neben sich in den Arm gelehnt. Nun ist auch
deutlich, warum die jugendliche Figur ein
Diadem hat; es ist eine Art von Heros, eine
edle F igu r , der Geliebte einer Nymphe 3).
Die Liebe des Acis und der Galatea ist auch
sonst ein Gegenstand der bildenden Kunst