einen Hercules gehalten, und nach dieser Idee
ist das ganze Werk ergänzet, weil es sehr
beschädiget war; die einzige liegende Figur,
welche Polyphem am Arme hält, war noch
unversehrt. Nach jener Vorstellung, dafs es
ein Plercules mit dem erschlagnen Cacus sey,
ist eine Zeichnung, in blofsem Umrifs, von
V is c o n t i gegeben in Museo Pio-Clementino
Tom. V. tav. A. 4.
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D ass in der Fabel von des Ulyfs Abentheuer
beym Cyclopen Moral liegt, ist nicht
zu läugnen; sie dringt sich dem Betrachtenden
auf; und in so fern läfst sich wohl erklären,
wie unser deutscher Künstler eine
sittliche Tendenz überall findet. Es mufs
nur nicht so verstanden werden, als sey die
Fabel in moralischer Absicht erfunden, oder
von dem Dichter und Künstler sey die Moral
zum Zwecke aufgestellt, und ausdrücklich
ein sittliches Gemälde beabsichtiget;
welches, wenigstens bey einem Kunstwerke
als Kunstwerke, nicht zugestanden wird;
diefs ist Werk des bildenden Genies, aber
nicht des moralisirenden Weltweisens.
Es ist leicht, sich über diesen streitigen
Punkt zu verständigen, wenn man nur will.
Der Dichter und der Künstler erhalten beyde
ihre Gesetze von der Kunst, und diese ist
auf Wirkung der sinnlichen Darstellung für
Phantasie und Gefühl gerichtet. Nun wirkt
aber auf den, der einige Geistesbildung hat,
ein Gegenstand zwar durch das Physische,
nicht weniger aber auch durch das Sittliche;
durch dieses, verbunden mit jenem, wird
ein höheres Vergnügen hervorgebracht; das
höchste Vergnügen wird durch das höchste
Schöne erweckt, und, ohne sittlichschön zu
seyn, kann das höchste Schöne nicht dargestellt
werden. Dem Kunstwerk und Künstler
ist es also vortheilhaft, wenn die schöne
Körperform mit sich auch das Geistige, und
dieses mit sittlicher Güte, verbindet. Empfindet
und denkt man viel bey einer Kunstvor-
stellung, so erhöhet diefs natürlicher Weise
das Vergnügen, und vervielfältiget den Ge-
nufs. Der Betrachtende erhält Eindrücke, welche
sittliche Gefühle erwecken. Finden sich
also in einem Dichter- oder Künstlerwerke
Gegenstände, in welchen man eine moralische
Tendenz wahrnehmen kann, so macht
dieses zwar nicht den Zweck des Kunstwerks
aus; es ist aber doch auch nicht das Moralische
zu verkennen oder abzuläugnen, es
liegt in der Sache selbst; und warum sollte
man nicht auch in einem Kunstwerke etwas
Belehrendes finden, ohne dafs man den epischen
Dichter oder Künstler in einen Moralisten
verwandelt, und sich den Vorwurf zuziehet,
dafs man das ganze Werk und dessen
Charakter verkenne]