den, das seiner Seele vorschwebt; aber der
Handelnde hört dadurch nicht auf, eine bestimmte
Person zu seyn, und der Geschichtschreiber
behält dabey seinen eignen Charakter
als Erzähler des wirklich Geschehenen.
Der Geschichtsmaler nimmt eben diese vorgezeichneten
Charakter, samt der Schilderung
der Handlungen, vom Geschichtschreiber in
Empfang, und bildet sie nach den Bedürfnissen
seiner Kunst weiter aus; sein Werk bleibt
immer ein historisches Gemälde, bleibt treu
und wahr. Allein Wahrheit der Kunst bestimmt
sich durch die Natur und die Grenzen
der Kunst. Dadurch, dafs die Charakter
und Handlungen einmal allgemein bekannt
sind, wird der Kunst vieles erleichtert. Allerdings
wäre zu wünschen, dafs unsre Künstler
ihre Sujets aus der neuen, aus der vaterländischen
Geschichte, wählen könnten. Allein,
andre Schwierigkeiten nicht gerechnet,
auch nicht bezweifelt, dafs sich wirklich ästhetisch
schöne Sujets auffinden liefsen, so müfs-
ten auch Mittel gefunden werden, dafs die historischen
Gegenstände genug bekannt und
leicht zu errathen und von ähnlichen zu unterscheiden
wären. Den Vorstellungen wirklicher
Begebenheiten der neuem Zeiten fehlt
oft das Unterscheidende, was sie, ohne vorgängige
Nachricht und Belehrung, dem Anschauenden
sogleich kenntlich machen könnte;
und hierin haben die einmal von der
Kunst aufgenommnen frühem und spätem
Mythen einen offenbaren Vorzug; da sie so
oft vorgestellt und so charakteristisch vorgestellt
sind, so erkennt man ein jedes Sujet ohne
Mühe. Es liegt also auch hierin ein Vortheil
für die sinnliche Darstellung, wenn der Homerische
Fabel cyclus mehr bearbeitet und
von Künstlern als Quelle gebraucht wird, woraus
sie ihre Sujets schöpfen. Litteratur und
Kunst bieten einander hülfreiche Hand.
A uf diesem Wege hat beydes, die dichtende
und die bildende Kunst, eine Anzahl
bestimmter Charakteren erhalten, welche zu
Idealen erhoben sind. Und diese Ideale haben
wieder die Ausübung der Kunst erleichtert.
Überall sind ihr die, jedem zu bildenden Gegenstände
angemessensten, Formen bereits
geliefert.
A ber man kann sagen, die Kunst ist dadurch
in einen zu engen Kreis eingeschlossen
, und der Erfindung, dem Originalgenie,
würden Fesseln angeleget werden, die die
muthige, feurige, stolze, Phantasie und Erfindungskraft
abzuwerfen berechtiget ist.
Wahr ist es, von so unermefslichem Umfange
die geschaffne Natur selbst ist, so ist
doch die nachzubildende Natur in weit engere
Grenzen eingeschlossen, in so fern die Kunst
nicht blos dabey stehen bleiben soll, dafs sie
nachbildet, jeden gemeinen Gegenstand co-
pirt, auch den gleichgültigen, fehlerhaften,