Arbeit über die Sprachverwandtschaft der in Rede stehenden Völker so viele sprechende Beweise
erhalten. Ich glaube jedoch hier vorzugsweise dié ferneren Bestätigungen anführen zu müssen,
welche wir durch die ethnologischen Untersuchungen erhalten haben, die ganz neuerdings über die
Eingebornen in den südlichen Theilen des hoch im Norden gelegenen russischen Amerika bekannt
geworden sind. Ich habe vhiebei nämlich hiifzuweisen auf eine neulich erschienene vortreffliche Arbeit
von Hrn. H. J. H olmberg. j) Dieser Forscher, welcher sich längere Zeit in diesem entlegenen Lande
aufgehalten und sich wohl vertraut gemacht hat mit der reichen russischen Litteratur über dasselbe
und seine Völker, theilt diese in vier Hauptstämme ein, nämlich: Thlinkithen, welche nach dem
russischen Namen K^ljuseh von den meisten Ethnologen Kolusehen genannt werden, Konjagen,
Thnaina und Aleuten, welche je ferner in eine bedeutende Anzahl kleinerer Stämme zerfallen.
In dem erschienenen Theile werden die zwei erstgenannten oder die Koluschen und Konjagen
abgehandelt. Was die Koluschen anbetrifft, so zeigt sich rer Verf. geneigt, dieselben in Ueberein-
stimmung mit W rangel als verwandt mit den Azteken zu betrachten, obgleich ihre Sprache noch
sö wenig bekannt ist. Ihre Schädelform beschreibt der Verfasser nicht.
Von den Konjagen, welche von den Russen Kadjaken oder kadjaksche Aleuten genannt
werden, führt der Verf. Folgendes in Bezug auf ihre Schädelbildung an: ”Im Aeussern der Konjagen
kommen einige charakteristische Kennzeichen yor, welche sie von den übrigen Völkern der nordamerikanischen
Westküste unterscheiden: zu diesen Kennzeichen gehört besonders die Bildung des
Schädels, welcher im Nacken nicht gewölbt, sondern abgeplattet ist.”
Schon nach diesen Angaben hatte man Veranlassung zu schlifssen, dass diese beiden Stämme
brachycephalisch und somit keine Eskimos seien. Dieses habe ich später zu bestätigen Gelegenheit
gehabt durch Erläuterungen des so hoch verdienten Gründers des anatomischen Museums in Helsing-
fors, Prof. E vert B onsdorff. Durch seine Güte habe ich Schädel der beiden genannten'Stämme zur
Untersuchung erhalten.
Der Thlinkithen- oder Koluschenschädel ist länger als der des Konjagen. Das Hinterhaupt
ist mehr platt als gewölbt, doch nicht so platt wie bei dem Konjagen, und sehr breit. Die
Scheitelebene ist breit und flach,' aber längs der Sutura sagittalis erhöht. Die Scheitelhöcker sind
fast eckig hervorstehend, die Entfernung zwischen ihnen ist bedeutend, die Seiten sind plötzlich abfallend,
die Schläfen angeschwollen; die bogenförmigen Schläfenlinien steigen bis zur Scheitelfläche
hinauf; der Abstand zwischen den SchläfenJ so wie zwischen dèn'Mastoidalregionen, sehr beträchtlich.
Die ganze Breite des Schädels ist wie bei den Buräten sehr in die Augen fallend. Der Grund des
Schädels* ist gleichsam eingedrückt nach oben gegen/die Hirnhöhle, so dass die Gelenkhöcker am
Hinterhauptbein.gleichsam in Fossae condyloideae vertieft sind; die Pars basilaris ossis occipitis ist
flach und horizontal. Die Breite über den Jochbögen ist bedeutend, sowie die des Kinnladenbogens;
der ganze Knochenbau ist sehr stark und das Gewicht des Schädels Ungewöhnlich gross.
Betrachtet man ihn im Profil, so möchte man leicht schliessen, dass dieser Schädel zu der doli-
chocephalischen Form gehörte, aber wenn man ihn von unten betrachtet oder seine Peripherie ansieht,
so zeigt sich deutlich der mongolische oder brachycephalische Typus. Die Gesichtsbildung hat jedoch
einige Aehnlichkeit mit der der Eskimos, so dass er im Ganzen eine Uebergangsform bildet zwischen
der Schädelform von diesen und der des Konjagen, welche mehr aztekisch ist. Sowohl B lumenx)
Ethnographische Skizzen über die Völler des russischen Amerikas, lste Abth. Aus den Acten der Finnl. Soc. der Wissenschaften
besonders abgedruckt. Helsingfors 1855.
SANDiFOET^habea T h 1 i J||ifch e n scfiädel unter dem Nataew Jß r. Schigitana” von derselben
Form,- wie der hier besprochene,- besehrieben und abgebildet; sowohr der BLUMENBACHSche wie der
SASDiFOETSche sind durch die KRUSENSTEBNSche Expedition von der Norfolksbai lieimgebracht. Der
Schädel'-des Konjagen ist'Vorzüglich ausgezeichnet durch seine Kürze, sein flaches, breites, schräg
hinten abschüssiges Hinterhaupt, seine hohen Schläfenbcflnlinien, seine kurze, trapezoidale, viereckige
Soheitelfläche, seim»breifejn Jochbögen, den' schmalen, scharfen Nasenifiken, sowie eine kleine, bimförmige
Nasenöffnung. Die Zähne dieses Schädels sind ansgefallen und die Alveolen zusammengesunken,
so dass man nicht urtheilen kann, wie der Alveolarbogen beschaffen war während der Zeit,
da die Zähne noch vorh-äffden waren. Auch an diesem .Schädel ist die Scheitelebene längs der
Pfeilnath erhöht. Durch seine Kürze und sein flaches Hinterhaupt hat dieser Schädel Aehnlichkeit
mit dem der Azteken.
Durch eine besondere Güte des Herrn H enry Christy hat unser Museum drei Schädel von
Azteken erhalten, welche' aus einem «Maschen Begräbnissplatze bef-Mexico ausgegraben sind.
Dieser Begräbnissplats wurde entdeckt, sii^ man 1849 für die Befestigung der Stadt Mexico Wälle
und Waben um die Stadt zog, um sie gegemhUe Kriegsheere der vereinigten Staaten vertheidigen
zu -können. Man fand bei diesen Ausgrabungen ausser den Schädeln eine Menge aztekis-jher Geschirre,
Geräthschaften und Bilder, «von denen ein grosser The-il von Hrn. YoumS in Me^jcb in
Verwahr (genommen wurde. Die Schädel, welche'Ich von Hrn. C Ä iy erhielt, waren vier an'Zähl;
der eine wurde, in Uebereinstimmung mit ihm,‘der ethnologischen Gesellschaft in London durch
ihren Secretär, Hrn. Cora. überladen: Alle vier Schädel wurden in der ethnologische» .Section der
British association in Glasgow 1855 jvorgezeigt und sind in den Verhandlungen der Versammlung
erwähnt wö^-den.*) Sie haben grosse Aehnlichkeit mit den hrachycephalischen peruanischen Schädeln,
welche plgroN abgebildet hat, sowie mit denen, welche ich unter dem Namen Inea-Peruaner
beschriebeirnabe.* 3 4)
Diese Aztekenschädel sind alle kleiner als der Konjagenschädel, nicht so breit und haben nicht
so angeschwollene Schläfen. Sie sind auch' ausgezeichnet durch ihre Kürze, durch ihr breites,
flaches, schief nach hinten abschüssiges Hinterhaupt, hohe Schläfenbogenlinien, ihre kurze, trapezoidale
Scheitelfläche mit einer kleinen Erhöhung oder Firste längs der Sutura sagittalis; die Basis cranii
ist sehr kurz; das Gesicht ist schwach prognathisch wie bei kalmückischen Mongolen; die Alveolarbögen
sind breit, die Nasenöffnungen sind fast klein, aber die Nasenbeine hervorstehend wie bei
Europäern. — Das Gesicht im Ganzen ist platt, mongolisch; die Kinnladenbögen ziemlich weit.
Zwischen dem russischen Amerika und Mexico liegt das Oregongebiet. Die Schädelform der
Bewohner desselben ist wohl bekannt durch Morton (Cr. Am.), welcher so gute Abbildungen der
Chenouk, Klatstoni, Killem^pk, Klatsap, Kalapooyah, Clickitat u. s. w. geliefert hat. Wir
haben drei interessante 0 regö n- I n di anerschädel in unserm Museum, zwei von Dr. Morton und
einen von Prof. Meighs in Philadelphia, Die ersteren habe ich bereits vor langer Zeit beschrieben5)
und ihren hrachycephalischen, mongolischen Typus gezeigt, welcher besonders deutlich hervortritt,
wenn der Schädel nicht der verticalen Abplattung unterworfen worden ist, welche unter diesen
J) a . a. 0 . Pi. LY.
| A. a. 0 . §j III.
3) On Celtic, Slavic and Aztec crania. Report of the. British association etc. Glasgow 1855 p. 145. (Rcferat).
4) S. o. Abhandl. XVL
*) S. o. Abhandl. XI.