liehen Theilen von Canada kommen brachycephalische Stämme vor, grenzend an die dolichocephali-
schen Eskimos.
Ich muss bedauern, dass ich nur einige nordamerikanische Schädel zu untersuchen und erst in
diesen Tagen Morton’s kostbares Werk ’’Crania Americana” durchzusehen Gelegenheit gehabt habe,
welches in grosser Pracht den Reichthum an variirenden Schädelformen hei den amerikanischen
Völkerschaften an den Tag legt.
Von südamerikanischen Schädeln habe ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt: drei^Specimina
von Aymaras-Peruanern, zwei von den sogenannten Incas-Peruanern, zwei Botokudenschädel,
von denen einer vom Hrn. F r eir eis in Rio de Janeiro eingesandt worden ist, mehrere Caraiben-
schädel, drei Araucanische, einen Charrhuas-, einen Puelehesschädel, hergeschickt aus der Stadt
Patagones in der Republik Buenos-Ayres, von dem den Naturwissenschaften eifrig ergebenen schwedischen
und norwegischen General-Consul in Montevideo, Hrn. T arräs, und einen Südpatagonier-
schädel, der, wie vorher erwähnt ward, vom Prof. Sv. L oven geschenkt ist; dabei habe ich zur
Vergleichung B eumenbach’s ’’Decades craniorum,” S an d ifor t’s vortreffliche ’’Tabulae craniqrum diver-
sarum nationum” u. m. a. benutzt.
Nach dem, was ich aus diesen Materialien habe schliessen können, müssen die amerikanischen
Volksstämme nach der Form der Schädel auf folgende Weise geordnet werden:
/ Grönländer u. Eskimos,
Koluschen,
Tscherokesen,
i Chippeways,
Irokesen,
Huronen,
Tschikkesah,
LCayugas,
Ottigamies,
Potovatomie’s,
Lennilenape,
I Blackfoot-Indianer.
Botokuden,
Caraiben,
Guaranis,
Aymaras,
Huanchas,
Südpatagonier.
Natches,
I Creeks,
Seminolen,
' Euchres,
Klatstonis.
Charrhuas,
| Puelcnes,
j Araucaner,
[ Neuperuaner. *
1 Americae septentrionalis
G. dolichocephalae prognathae
\ Americae meridionalis
Americae septentrionalis
G. brachycephalae prognathae {
Americae meridionalis
| Americae septentrionalis — Azteken in Mexico?
G. brachJy ce*p halae orthognathae |{ A£ meri. cae mer.id,.i ona.l.is 5 Chincas in Peru? )
Ueber die Schädel der Peruaner, die von mehren Naturforschern untersucht worden sind,
herrscht eine bedeutende Verschiedenheit in den Angaben ; ich erlaube mir daher, einige Worte über
diese besonders auszusprechen.
Me y e n * 2) bildet mehre brachycephalisch-prognathische Peru'änerschädel ab, welche er als den
Urbewohnern des Landes angehörend gewesen betrachtet. Mo r to n 8) stellt auch einen solchen unter
dem Namen eines ’’alten Peruaners”, aber zugleich einen andern von nahe verwandter Form unter
dem Namen Neuperuaner4) dar. D ’O rbigny führt vier Peruaner-Nationen an, nämlich Quinquas
oder Incas, Aymaras, Atacamas und Changos; aber nach seinen Angaben haben sie alle längliche
Köpfe und sind, so viel man nach der Beschreibung schliessen kann, prognathisch. T sc h u d i nimmt auch
vier Peruaner-Völker an, die er Racen nennt; von diesen sind aber nur drei Urracen und die vierte
ist hybrid. Zwei von diesen sind brachycephalische und zwei dolichocephalische. Die brachycepha-
lischen sind die Chinchas und eine Bastardform von diesen, die nun grossentheils Peru’s Küstenbewohner
ausmacht; die letzteren sind Aymaras und Huanchas. Im Museum des Carolinischen
Instituts befinden sich drei Formen von Peruaner-Schädeln, nämlich eine kurze unter dem Namen
Inca, eine ovale, dolichocephalisch-prognathische, deutlich D ’Orbigny’s und T schudi’s Aymaras, und
eine mit ungewöhnlich langem Hinterhaupt und niedriger Stirn, auch dolichocephalisch-prognathiSch,
nach P en tla n d aus dem Huacas-Lande. Ich habe diese Exemplare lange Zeit als typisch für die
Schädel der Peruaner angesehen, bin aber dabei immer in Ungewissheit geblieben, da ich bei den
Naturforschern, die das Land besucht hatten, so verschiedene Angaben gefunden habe. Um so will-
kommner war mir T schu d i’s Erforschung dieser Partie. Dieser Schriftsteller nimmt nämlich, wie
oben bemerkt ward, drei Urformen an, eine brachycephalische, Chinchas, und zwei dolichocephaliscl^
eine gewöhnlich ovale, Aymaras, und eine ausgezeichnet länglich-ovale, Huanchas. T schu d i hat
sich theils längere Zeit im Lande aufgehalten, theils die unvermischten Stämme aufgesucht, und
giebt an, auf welche Weise die gemischten entstanden sind. Er bemerkt somit aus guten historischen
Gründen, dass der Aymara-Stamm, von welchem die Herrschaft der peruanischen Könige
ausging, zuerst die Huanchas und dann die Chinchas unterjochte; dass die unterjochten Stämme
mit den siegenden vermischt wurden und Sprache, Religion und Sitten derselben annahmen. Daraus
sind Bastarderzeugungen und Variationen nach drei verschiedenen Richtungen hin entstanden, und
es ist klar, dass die reisenden Forscher bei so verwickelten Verhältnissen in ihren Schlüssen leicht
irre geführt werden konnten. Es scheint, dass T schu d i vorzugsweise durch die Gestalt der Schädel
sich hat leiten lassen, und es ist ihm wahrscheinlich desshalb geglückt, einen Gegenstand aus einander
zu setzen, der in ethnographischer Hinsicht von eben so grossem Interesse ist, als die Spuren
einer vergangenen Cultur und Geschichte Aufmerksamkeit erwecken.
P en t la n d ’s , B ellamy’s und Mehrer Ansicht, dass die sehr längliche, flachstirnige peruanische
Schädelform natürlich und nicht durch Kunst hervorgebracht sei, wie D ’O r biGny und Mehrere behaupten,
*) Hier ist der Verfasser, wie er selbst zugesteht, zweifelhaft, ob er die Az tek en und Chincas als Orthognathen ansehen soll.
Später, als er mehre zuverlässige Schädel dieser Völker selbst untersuchen konnte, rechnete er sowohl diese als die übrigen
Stämme Amerika’s entschieden zu den Prognathen. (S. u. a. seine Abhandl. ’’Ueber die Schädelform der Peruaner und
’’Blick auf den gegenwärtigen Standpunkt der Ethnologie etc.”). .M f ■ Herausg.
2) Nov. Act. Acad. eses. Leop^ Garol., Tom. XVI.
,v3) Frorieps N. Notizen, Bd. XV. No. 13 u. ff. Fig. 14.
*) 1. c. Fig. 15. a g ib