S v en L oven, welcher auf seiner Reise nach Spitzbergen die genannte Gegend besuchte, brachte
diesen Schädel mit her und verehrte ihn dem anatomischen Museum. Er hat die reinste ovale Form,
fast stärker ausgeprägt, als in den schwedischen Schädeln, und zeigt ^dieselbe Gesichtsbildung.
Es wäre wahrscheinlich leicht gewesen, einige Schädel aus den anatomischen, Sälen Kopenhagens
zu erhalten; da aber diese lebhafte Handelsstadt schon von älteren Zeiten her^Von Menschen aus so
vielen verschiedenen Ländern und Volksstämmen bewohnt und besucht worden ist, so konnten solche.
Specimina schwerlich als erläuternd -angesehen- werden; es, wäre denn, dass deren Abstammung uns
näher bekannt wäre. Dies gilt noch mehr von Deutschland, wo verschiedene Volksstämme so oft
einander verdrängt haben, wo Colonieen von so verschiedenen Nationen angelegt worden und wo noch
jetzt Slaven, Franken, G a llier und Germanen so mit einander vermengt sind, dass man nur durch^
höchst ausgedehnte Forschungen befähigt werden würde, zu unterscheiden, was dem. einen oder dem
anderen von ihnen angehörte.
* Vom Dr. W il d e in Dublin erhielt ich im vorigen Jahre meinen Gipsschädel von Alexander
O’Connor, angeblich dem letzten Könige von Irland. W il d e hält den Schädel fü r .ein Specimen der
Schädelform der Irländer. Ich sandte ihm dagegen einen Gipsabguss* des uralten schwedischen
Schädels, welchen ich vom Pros. L iedbeck empfangen hatte. Wir haben beiderseits die Bemerkung
gemacht,, dass diese beiden Schädel eine so ähnliche Form haben, dass schwerlich eine Verschiedenheit
zwischen ihnen zu entdecken sein möchte.
2. Schädel von Slaven.
Die in den hiesigen Sammlungen sich befindenden S1 avenschädel iy sind: einer von einem Czechen,
einer von einem Polen^und zwei von Russen,, Den Czech en schädel erhielt ich vom Prof. P r e sl in
Prag; der Polen schädel und der eine Russische sind vom Hrn. Oberdirektor S chwartz in Gipsabgüssen
gegeben worden; das Original zum Polenschädel gehört dem anatomischen Museum in Upsala,
der russische befindet sich in der Sammlung des verstorbenen Dr. S purzheim. Den andern Russenschädel
hat Hr. Pröf. L oven gütigst milgetheilt;-er bekaiprihn aus .einem Russengrabe auf Spitzbergen.
Diese Anzähl ist freilich geringe, und ich würde es mir nicht erlauben, auf so wenige Specimina
irgend Schlüsse zu gründen, wenn ich dabei nicht Gelegenheit;4 gehabt hätte, die äussere
Kopfform von einer grössern 'Anzahl lebender Slaven zu untersuchen.
Die Hirnschale zeigt, von oben gesehen, eine kürzere oder hinten abgestutzt-gferundete Eiform
(Forftia breviter oväta), deren grösste Länge die hintere oder grösste Breite um nicht voll & übersteigt,
so dass die erstere sich zur letztern = 1000 : 888 oder ungefähr'— 8 : 7 verhält. An drei der genannten
Schädel nähert sich der Umriss einem Vierecke mit abgerundeten Ecken, dessen vordere Seite kleiner
als die hintere ist; am vierten, welcher von einem Russen ist, nähert er sich mehr der runden Form
(Forma ovato^rotundata). Die Angesichtsknochen zeigen sich, wie an den schwedischen Schädeln,
wenn man den Kopf von oben ansieht, wenig über den Umfang des Schädels hervorragend.
Die grösste Länge ist etwa 0,170; die Breite zwischen den vorderen Schläfengruben 0,102; die
Breite zwischen der grössten Wölbung der Scheitelbeine hinter den Schläfen 0,151; der Umriss um
die Glabella und die grösste Convexität des Hinterhaupts 0,520'; die Höhe variirt von 0,129 bis 0,153.
J) Ein Slaven(Kleinrussen-)schädel ist Eig. IV. PL-III abgebildet.
Auch die slavischen Schädel sind an dCr^Stirn etwas abgestutzt, mit starken Augenbraunenhöckern.
Die Scheitelfläche ist breit und wenig gewölbt; das Hinterhaupt verlängert sich nicht in
ein nach hinten verschmälertes Tuber öccipitale, sondern läuft mehr lbthrecht abschüssig zu den
Lineae semicircularesi majores hinab. Die Scheitelbeinhöcker sitzen am Anfänge des Hinterhaupts,
welches^ .eine grosse, 'niedrig gewölbte oder platte Oberfläche bildet, die den grössten Theil der Höhe
des Schädels einnimmt und den hintern Theil der Scheitelbeine mit dem hintern Ende der Pfeilnath,
nebst der ranzen Lambdanath befasst. Die Lineae semicirculares majores bilden somit aufs genaueste
die untere Kante des hinterstem Hinterhauptsrandes oder" des Schädelgrundes. Die Wölbung des
Hinterhaupts zunächst über diesen Linien bildet eine Bogenlinie, deren Höhe etwa die Hälfte ihrer
‘Chorda, gerechnet, wie bei den schwedischen Schädeln, zwischen den äusseren Gehöröffnungen durch
die Kante des Rückenmarksloches, beträgt. Dieselben Lineae semicirculares majores vereinigen sich
unter einem sehr stumpfen Winkel oder gehen mittelst einer schwachen Biegung in einander über.
Dadurch bekommt die Protuberantia occipitalis die Form einer transversellen, stumpfen Erhöhung.
Die zwei Flächen unter- und innerhalb der genannten Grenze, auf welchen die Halbkugeln des kleinen
Gehirns ruhen, sind stark convex und steigen mit dem hintern Theile aufwärts, so dass sie in die
hintere Oberfläche des Hinterhaupts übergehen. Die Ansatzstelle für das Nackenband (Crista- occipitalis
externa) steigt zum Theil aufwärts. Das Rückenmarksloch ist von derselben Form und Grösse,
wie an den Schädeln der Schweden. Der Abstand zwischen den Processus mastoidei ist an dem
einen russischen Schädel 0,140, an dem andern 0,135, an dem polnischen 0,128, an dem %echi-
schen 0,114. I f e
Von der SeitcBangesehen, zeigt die Stirn wegen der vorragenden Tubera frontalia ein Antlitzprofil,
welches sich dem lothrechten nähert; doch ist die Stirn an dem einen russischen Schädel nach
hinten abschüssig. Das Hinterhaupt ist, wie schon angeführt ward, abgestutzt abschüssig und ohne
hervorstehenden Hinterhauptshöcker. Die Insertion des äussern Gehörganges fällt hinter die Mitte
der Längsachse des Kopfs. Die Oeffnungen der Gehörgänge sind so beschaffen, wie an den schwedischen
Schädeln; die Processus mastoidei sind gross; die Lineae semicirculares der Schläfen gehen
in die-: Oberfläche des Hinterhaupts hinein.
Die Antlitzbildung gleicht aufs genaueste der der Schweden; doch sind die Wangengruben an
allen vier Schädeln flach, und der untere Rand der Jochbögen ist schwach S-förmig; die Jochhöcker
sind klein; die Augenhöhlenoffnungen, welche horizontal liegen, sind viereckig mit gerundeten Ecken
und so gross, wie bei den Schweden. Der Alveolarfortsatz des Oberkiefers ist, so wie auch die Form
und Grösse der* Kiefer, fast dieselbe. Das Gaumengewölbe ist an allen vier Schädeln niedrig und vorn
platt, gegen den Alveolarrand hinabsteigend. Eine hinter dem Alveolarrande nach hinten gezogene
Linie geht unter die Spitze des Processus mastoideus. Der innere Pterygoidalflügel stellt fast senkrecht,
der äussere ist auswärts gerichtet.
Nur an dem einem nämlich dem czechischen Schädel, ist der Unterkiefer erhalten; dieser zeigt
keine Verschiedenheit von denen der schwedischen Schädel.
Wie ich oben erwähnte, würde ich nach diesen wenigen Schädeln mir nicht erlaubt haben, irgend
allgeimeine Charaktere für die Schädelform der in Rede stehenden Völker aufzustellen, wenn ich nicht
an einer Menge lebender Personen voh slavischem Stamme, theils Russen, theils Polen und Czechen,
gefunden hätte, dass die Schädelbildung, wie ich sie beschrieben habe, im Wesentlichen herrschend
ist. Während eines Besuchs bei dem bekannten böhmischen Naturforscher, Prof. J ohannes S w a topu lk
P r e sl (einem Czechen), legte ich diesem meine Erfahrung über die Bildung der Schädel von Slaven
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