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 die  Spuren  der  frühem  Gemeinschaft  in  der  Sprache,  den  Sitten  und  den  physischen  Charakteren  
 ausmittelt  Es  ist  von  grossem  Interesse,  dass  solche  Ausmittelungen  geschehen.  Für  die  Völker  
 Süd-Amerikas  steht  die  Ethnologie  in  der  grössten  Verpflichtung  gegen  den  ausgezeichneten  franzö-  
 zischen  Naturforscher  D ’O rbigny. 
 Er  nimmt  für  den  grössten  Theil  von  Brasilien,  Paraguayi und  Guiana  eine  gemeinschaftliche  
 Race  an,  welcher  er  den  Namen  nßace  brasüio-guaranienne”  gegeben  hat,  und  zu  welcher  er  
 auch  den  grossen  Karaibenstamm  in  Guiana,  auf  den  Antillen  u.  s.  w.  rechnet.  Die  Hautfarbe  
 des  Guaranistammes  ist  gelblich  mit  einer  schwachen  Einmischung  von  Roth.  Hierbei  ist  es  
 indessen  besonders  bemerkenswerth,  dass  mehre  Schriftsteller  diesen  Indianern-im  Allgemeinen  
 runde  Köpfe  zuschreiben.  Von  den  Böi-ocudos  fügt  aber  B lum en ba ch   hinzu,  dass  deren  Köpfe  
 seitlich  etwas  zusammengedriickt  seien.  ' Ich  habe  eine  Menge  Guaranier-  und  auch  mehrere  
 Karaibenscliädel  untersucht,  aber  niemals  einen  derselben  rund,  sondern  im  Gegentheil  alle  
 länglich,  mit  weit  heramstekmdem  Hinterhaupte,  gesehen.  Diese  D ’O r b ig n t 'scÄ   ”Race  brasiliöi  
 guaranienne”  erstreckt  sich  sonach  von  Guiana  durch  Brasilien  und  Paraguay,  so  wie  von  den  
 Antillen  bis  an  den  Fuss  der  bolivianischen  Andes,  d.  i.  bis  an  die  Grenzen  des  alten  PeruKin.  
 Zu  diesem  grossen  Volksstamme  gehören  die  Tapuios  und  alle  hier  angeführten  Völker,  nebst  
 noch  mehren  andern. 
 Nachdem  ich  bei  einer  frühem  Gelegenheit')  zu  zeigen  gesucht  habe,  dass  das  in  Peru  vor  der  
 Dahinkunft  der  Incas  herrschende  ürvolk  auch  dolichocephalisch-prognathisch  und  somit  von  derselben  
 Schädelform,  wie  auch  vermuthlich  von  den  übrigen  Grundzügen  der  guaranischen  Völker  
 war,  und  da  diese  auch  einen  dem  der Aymores  oder Botokuden  so  sehr ähnlichen Namen,  nämlich  
 Aymaras,  bekommen  haben,  so  dürfte  Grund  zu  der  Annahme  vorhanden  sein,  dass  jene  ältesten  
 Bewohner  Peru’s,  die  Aymaras,  einem  Zweige  des  grossen  Guaranistammes  angehörten.  ■ 
 Ausser  den  interessanten,  hier  oben  angeführten  Schädeln  habe  ich  in  einer  spätem  Sendung  
 vom  Prof.  A b b o t h   einen  merkwürdigen,  balsamirten  Kopf  von  derselben  Guaranirace  erhalten,  der  
 demjenigen  sehr  ähnlich  ist,  welcher  sich  in  B lumen ba ch ’s   Sammlung  zu  Göttingen  befinden soll,  und  
 dem,  welcher  in  Prinz  Ma x im il ia n s   Reise8)  abgebildet  steht,  so  wie  auch  zwei  anderen  im  Hun-  
 TER’schen  Museum  zu  London. 
 Dieser  Kopf  ist  ausgezeichnet  wohl  erhalten;, di|..JIaut  ist  (obgleich  trocken)  gelblich  mit  einem  
 leichten  rothen  Tone,  mit  ziemlich  langem,  schwarzem,  glänsendem,  schlichtem  Haar,  ohne  Augenbraunen  
 und  Bart.  Die  Stimmend  ein Theil des  Scheitels  sind  in  einer nach  hinten  gehenden Rundung  
 geschoren;  in  der  Mitte  des  geschornen  Feldes  steht  ein  runder,  ungeschorner  Fleck  von  anderthalb  
 Zoll  im  Durchm.,  aber  mit  sehr  kurzem,  abgeschnittenem  Haar.  Jedes  Ohr  ist  mit  einer  grossen,  
 hübschen  Rose  bedeckt,  welche  in  der  Mitte  aus  kurzen  baumwollenen  Dochten  und  im  Umfang  aus  
 kurzen,  gelben,  grünen  und  rothen,  glänzenden  Vogelfedern  besteht  Hinten  hangen  von  jeder  dieser  
 beiden  Ohrenrosen  vier  Zierathe  herab,  etwa  einen  Fuss  lang;  jede  endigt  sich  ganz  unten  in  einem  
 hell-ziegelfarbenen  Büschel  von  groben  Baumwollenfäden,  wie  Lichtdochte;  von  jedem  Büschel  geht  
 eine  Schnur  zur  Ansatzstelle  des  Ohres,  und  um  diese  Schnur  sind  kleine  Federn  in  kurze  abwechselnd  
 rothgelbe  und  schwarze  Ringe  gebunden,  in  deren  unterstem  die  Federn  am  grössten  und 
 *)  Abhandlung  XVI. 
 2)  a.  a.  O.  Atlas  PI.  17  Fig.  5. 
 schwarz  sind.  Auf  jedem  Auge  ist  eine  schwarze,  aus  einem  verdickten  Balsame  verfertigte  Erhöhung  
 von  der  Weite  der  Orbitalöffnung, befestigt;  schief  über  jeder  derselben  sitzen  zwei  weisse  
 Streifen,  welche  vermuthlich  die  Augenliederränder vorstellen  sollén.  Diese weissen  Figuren bestehen  
 aus  den  bogenförmigen  Vorderzähnen  eines  kleinen  Nagers,  eingedrückt  in  den  Balsam.  Wahrscheinlich  
 sind  sie  von  einer  kleinen  Cavia;  mit  dem  blanken,  weissen Schmelze nach  vorn  gewendet  
 geben  sie  dem  Ganzen  ein  eigentümliches  Gepräge. 
 Die  Zähne  sind  ausgezogen;  zwischen  die  Kinnladen  ist  ein Büschel  von baumwollenen  Schnüren  
 eingesetzt,  mit  einem  Knoten  auf  jeder  Schnur;  aus  der  Mitte  dieses  Büschels  hängt  eine  ziemlich  
 dicke  und  starke,  geflochtene  Schlinge,  beinahe  anderthalb  Fuss  lang,  herab.  Nach  Prof.  A b b o t h ’s  
 Angabe  soll  dieser  Kopf  aus  der  Gegend  von  Paranä  sein.  Prinz  M a x im il ia n   erklärt,  dergleichen  
 mumificirte  Köpfe  seien  eine  Art  von  Trophäen,  nämlich sKöpfe  von  gefangenen  und  vermuthlich  
 übrigens  aufgefressenen  Anführern.  Diese  Trophäen  mögen  wohl  bei  den  kannibalischen Siegesfesten  
 der  Indianer  aufgehängt  werden. 
 Das  Scheren  ist  auf  keine  üble  Weise  bewerkstelligt;  nach  des  Prinzen  M a x im il ia n   Angabe  soll  
 es  meistenteils  mit  einem  Instrumente  geschehen,  das  aus  einem  gespaltenen Rohre  zugerichtet wird.  
 Eigen  ist  es,  dass  die  amerikanischen  Indianer  im  Allgemeinen  das  Haar  auf  dem  Gesicht  und  
 dem  Körper  ausreissen,  weshalb  auch  mehre  Reisende  ihnen  einen  geringen  Haarwuchs zuschreiben. 
 b)  Der  Schädel  eines  bezähmten  Indianers.  Prof.  A b b o t h   sandte  auch  den  Schädel  eines  sogenannten  
 ’’zahmen Indianers.”  Er  ist  etwas  kleiner,  als der der Tapuios,  hat kleinere Parietalhöcker,  
 gleicht  aber  übrigens  den  guaranischen  im  Allgemeinen,  ist  lang,  fast  schmal  oval,  mit  langem,  
 schmalem  Hinterhauptshöcker,  gewölbter  Scheitel  und  Stirn,  hat  grosse  Orbitae,  ziemlich  herausstehende  
 Jochbögen,  eine  kleine,  etwas  gerundete  Nasenöffnung  und  etwas  prognathische  Kinnladen.  
 Auch  an  ihm  sind  die  Ohrenöffuungen  sehr  weit;  die  Pyramiden  eines  jeden  Schläfenbeins füllen  die  
 ganze  Bucht  zwischen  Keil-  und  Hinterhauptsbein;  die  Choanen  sind  niedrig  und  das  Basilarstück  
 nebst  dem  Hinterhauptsbeine  mit  der  untern  Seite  des  Corpus  ossis  sphenoidei  platt. 
 Bei  dieser  Gelegenheit  dürfte  es  auch  dankbar  zu  erwähnen  sein,  dass  dem  anatomischen  Museum  
 noch  ferner  ein  Guaranischädel  aus  Rio  Janeiro  vom  Dr.  L ang g a a rd, welcher sich bei mehren*  
 Gelegenheiten  für  unsere^ Sammlungen  interessirt  hat,  zu  Theil  geworden  ist. 
 Auch  dieser  Schädel  ist  dolichocephalisch  prognathisch,  aber  etwas  grösser  als  die übrigen.  Ich  
 habe  Anlass  zu  glauben,  dass  er  aus  den  Gegenden  zunächst  Paraguay  ist.