Wir besitzen im Carolinisehen Institut sechs Guaranisehädel von Dr. A b b o t h in Bahia, einen von
Dr. L anggaabd in Rio Janeiro, einen von Hrn. ConsUl B il l b e b g in Buenos Ayres, einen aus Bolivia
von' Hrn. L il jf .d a h l , und drei Aymaras aus Peru, geschenkt von Hrn. C h a um e t t e des F o sse e s
in Lima. Auch .diese sind von mir besonders beschrieben worden. ’) . Alle diese Schädel nebst den
übrigen des Guärfani- und Caraibenstammes sind dolichocephalisch mit ziemlich geräumigem Sabä-
deltheil und ziemlich grossen Kiefern.
Gehen wir nun weiter nach Norden, so treffen wir in den vereinigten Staaten und Canada an
deif'ätlan tischen Seite auch die dolichocephalische Form als die vorherrschende an, nämlich jroter den
vielen Stämmen, welche gewöhnlich zu den sog. rothen Indianern gezählt werden, wie die Algonkins
nebst deitroquis-KlaSse.*) 1
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M o e t o n hat vortreffliche Abbildungen geliefert von dolichocephalischen nordamerikanischen Indianern:
Cherokee, Gkippeway, Miami, Ottigamie, Lenni-LenapA, Naumkeag, Potowa-
tömie, Cayuga (besonders ausgezeichnet), Oneida, Hufon,f Paw n ee, Gotonay (Blackfoid||| Ich
selbst habe von Dr. M o e to n vier dolichocephalische Schädel aus Missouri,;|Sac Indian), Michigan
(Ottava und Miami), Rhode Island (mit der Aufschrift ”Narraganset”),zum Geschenk erhalten.
Nach allen diesen Specimina mit Hinzufügung desjenigen, was ich vorher von äem in Ghristiania befind-
liclien sog.; rothen Indianer aus Newfoundland angeführt habe, glaube.ich wohlberechtigt annehmen
zu können, dass die dolichoeejshalische Schädelform auch die vorherrschende an der atlantischen
Seite von Nordamerika gewesen ist
Hierzu kommt nun noch, dass die E skim o s, deren Gebiet auch an diese Seite grenzt, ebenfalls zu
den dolichocephalischen Völkern gehören, obgleich sie unter diesen eine ganz eigentümliche Stelle einzunehmen
scheinen. Viele Verfasser betrachten die E sk im ö s als verwandt sowohl mit den Tschuden
als mit den Mongolen. Selbst M o e to n bringt sie in seinem allgemeinen ethnographischem Theile8) in
eine und dieselbe Familie mit den Lappen und Samojeden unter dem Namen ’’The Polar Family ,
von welcher er sagt: ”This singulär race is exclusively s e it on the northern skirts of the continents
of Europe, Asia and America.” In dem speciellen Theile* 2 *4) benennt er sie ’’Mongol-Americans.”
Nichts kann, in so fern man an nimmt, dass ^die Schädelform ein Zeugniss in der Frage über Stammverwandtschaften
in sich trägt, unrichtiger sein. Bereits bei der Versammlung der skandinavischen
Naturforscher 1842 habe ich in meiner ersten Darstellung: ’’Ueber die Schädelform der Nordbewohner”
die Grönländer unter die prognathischen Dolichocephalen gestellt und die Beschreibung von
zwei Grönländer Schädeln geliefert, welche mir von dem grönländischen Naturforscher Va h l mit-
getheilt waren. Diese Darstellung wurde in Gegenwart von so competenten Richtern wie E sc h r ic h t ,
van d e r H o ev en , I b s e n und N il s so n gemacht; sie theilten vollkommen dieselbe Ansicht. Eine fernere
Bestätigung hiervon lieferte E s c h r ic h t bei der Versammlung skandinav. Naturf. in Christiania
1844 in seinem Vortrage über die Bedeutung der Formverschiedenheit des Hirnschädels und des
ganzen Kopfes. Er äusserte dabei, dass die Schädelform der Grönländer und Eskimos besonders
charakteristisch ist und veranschaulichte dieses durch das Vorzeigen einiger Grönländerschädel
aus dem physiologischen Museum der Kopenhagener Universität.5) Die Grönländerschädel, welche
*) S. o. Abhandl. XVI.
2) Latham, ’’The varieties of the human species” in Ore’s ’’Circle of the Sciences.”
*) Crania americana p. 50.
4) A. a. O. p. 247.
5) Forhandlinger ved de Skand. Naturf. fjerde Mode i Christiania 1844.
mein gelehrter Freund dort vorzeigte, hatten; ganz dieselbe Form, wie die, weleheijÄh von Dr. V a h l
erhalten hatte. Ich bin der Meinung, dass wenige Naturforscher in diesem Tkeil ein sichreres Zeugniss
geben können, als die Herren EscHBiCHTj^und I b s e n , welche beide mehr Gelegenheit gehabt haben,
Grönländerschädel kennen zu lernen, als die meisten übrigen Anatomen unserer Zeit — B l u men
ba ch hat zwei Bskimoschädel von Labrador abgebildet; der ein e fiist jedoch in schiefem Profil
dargestellt, so dass man das Hinterhaupt'nur unvollständig sieht; aber er sagt dagegen im Texte:
”06eiput protuberans’1*!; der andere*) ist in vollem Profil dargestellt und zeigt den vorsprinjgnden
Hinterhaupthöcker. — Auch .Sa n d ifo b t hat die Figur eines Grönländerschädels von V a h l .geliefert,
mit denselben Charakteren wie die obigen. Ebenso hat M o e t o n Abbildungen y ° V " e r Eskimo-
schädeln aus den nördHohstenÄheikm Amerikas und von der Ryiel Disco an deiäKüste von Grönland,
alle von der charakteristischen Form. Im Texte äussert er, dass sie eonstant charakteristisch
sind, dass sie auf das Bestimmteste verschieden' sind von den Schädeln der amerikanischen Indianer,
fugt'aber, auffallend genug, hinzu, dass diese (die Eskimos) die einzigen Amerikaner sind, welche
asiatische Charaktere haben. Es ist klar, dass der ausgezeichnete Mann hier mehr durch seine
befeits feststehenden Ansichten, als durch die strenge Prüfung von Thatsachen geleitet worden ist Er
sah* in det/GesicJitsbildung der Eskimos etwas Mongolisches, d. h. Asiatisches, aber erübersah das
vorspringende Hinterhaupt und auch andere Charaktere, welche nicht, mongolisch sind-*; aus demselben
Grunde vergass ?er gleichsam die guten Figuren, welche er seli^äf in seinem grossen .Werke von
den dolichocephalischen amerikanischen Indianern geliefert hatte, von denen besonders einige,
wie Cotonay (Blackfoot), C he rok ee, Chippeway und vor allen Cayuga, *) durch grosse Alveolarränder
und vorspringendes Hinterhaupt sich der Form der Eskimoschädel annähern. Auch, ich
bin geneigt, die Genealogie der Eskimos in Asien zu suchen. Jedoch habe ich hiefur bis
jetzt nur schwache Stützen. Ich habe nämlich an einer andern Stelle aufmerksam gemacht auf die grosse
Aehnlichkeit zwischen* der Schädelform der Eskimos und des Tungusenschädels, welchen wir in
den Sammlungen des Carolinischen Instituts^,’besitzen, sowie, auf B lümen ba ch ’s Beschreibung des
Tungusenschädels, welche vollkommen übereinstimmt mit den Charakteren der Eskimos (),.nämlich:
"habitus perfecte mongolicus: facie plana, act arcus^gomaticas latissima, fronte .depressa etc. —
occiput mirum in modum retro eminens ita ut protuberantiae ^ipitalijjexternae distantia a dentibus
äjncispribus superioribus; 9 poll. Lond. aequaret.” J |B lomen ba ch ha$ aifth einen SchädeLSinensis
Daürici beschrieben und abgebildet, von dem er im Anfänge sagt: ”Cränium «st genuini Tungusae
DaUricik S in e n s is tribus Saradulicae.” Nur Schade, dass das Hinterhaupt und das Längenverhältniss
weder in des Beschreibung besprochen wird, noch an der im Halbprofil gezeichneten Figur zu sehen ist:
Ich habe indessen vorher angeführt, dass das Carolinisehe Institut eine nicht unbedeutende Sammlung
von.ChinesenSchädeln'besitzt, welche sieh an Gestalt Sehr den tungusischen und den grönländischen
Schädeln nähern. Nach dieser Ansicht, würde also der Volkstamm, zu dem die Eskimos
gehören, nur in Nordamerika ein Polarstamm sein, aber von einer dünnen Ausbreitung auf den Inseln
det^Polarmeeres und in den'hdrdlichsten Theileu von Amerika sich von Westen nach Osten Uber
Asien nach China hin erstrecken, und dort die eigentliche chinesische Bevölkerung ausmaehen,
!) Dec. cran. div. gent. PI. XXIV.
2) a . a. 0 . Dec. tertia p. 9.
8) A. a. 0 . Tab. XXV.
4) Cran, americ. PI. 35.
5) A. a. 0 . Dec. altera p. 12.