über die Phrenologie bei der Zusammenkunft der Naturforscher in Christiania citiren,’) wo er sagte:
’’Sie ist in den allermeisten Fällen durchaus auf keiner wahren wissenschaftlichen Grundlage erbaut,
und eingekleidet in die Form einer Lehre, wird sie stets des wichtigsten Charakters einer wissenschaftlichen
Lehre, der Gründlichkeit, ermangeln.”
Es ist indessen höchst wahrscheinlich, dass die äussere Form des Kopfes in mehrfacher Hinsicht
Zeugniss von den Seeleneigenschaften ablegen kann. Ich werde hierin besonders durch mehre
Eigenthümlichkeiten bestärkt, welche so allgemein an Schädeln von Verbrechern angetroffen werden;
aber aus den wenigen Erfahrungsgruppen, welche in solcher Hinsicht für einigermassen sichere anzusehen
sind, eine Wissenschaft errichten zu wollen, zumal mit solchen Ansprüchen, wie die der
Phrenologie, ist ein grosser Unverstand.
Wir müssen hiebei in Betrachtung ziehen, dass das Endziel der Phrenologie so hoch steht, dass
es wahrscheinlich bis zu einem höheren Grade, und auf wissenschaftlichem Wege nicht erreicht
werden kann. Ich bin überzeugt, dass kein gründlicher Naturforscher an die Möglichkeit zu glauben
vermag, die Anatomie und Physiologie des Gehirns weiter, als bis zur Erklärung einiger seiner
allgemeineren Grundzüge, Eigenschaften und Kräfte zu vervollkommnen. Wir müssen zwar erkennen,
dass die Kenntniss vom Bau und von den Funktionen so vieler niederen und einfacheren Organe
nicht weiter gefördert worden ist, als bis zu den ersten Fundamentalbegriffen. Wir denken dabei
an den Bau und die Funktionen eines grossen Theils der Ganglien, Drüsen u. m. Organe, welche
wir in ihrem Zusammenhänge und mit fast völliger Klarheit mittels guter optischer Apparate und
chemischer Agentien durchschauen können. Um wie Vieles höher steht nicht das unendlich zusammengesetzte
Gehirn, dessen einfache Elemente doch nur, so viel wir wissen, aus Ganglienzellen und
Nervenröhren bestehen! Aus diesen Elementen, welche unter sich unseren Augen so wenig Verschiedenheit
zeigen, sollten wir uns getrauen dürfen, die verschiedenen Seelenfunktionen und deren
verschiedene Entwicklungsgrade zu erklären? Das ist in der That nicht glaublich.
Wenn man die Zeit von Jahrtausenden in Betrachtung zieht, welche die Physiologie zu durch?
laufen gehabt hat, ehe sie bis zu dem gegenwärtigen Standpunkte gelangt ist, auf dem sie sich mehr
durch Sicherheit im Wissen, als -durch Ausdehnung, Umfang und Vollständigkeit auszeichnet, so
scheint es zu viel verlangt zu sein, dass eine so detaillirte Physiologie des Gehirns, als die Phrenologie
die Aufgabe zu sein hat, an der Seite der Stammwissenschaft dieser so weit Vorbeigehen sollte.
Ich habe zu zeigen gesucht, dass die Phrenologie nicht als eine eigene Lehre aus der Physiologie
entwickelt werden könne; sie muss sich ganz und gar auf genaue Vergleichungen zwischen
dem Baue des Schädels und den Seeleneigenschaften der Individuen gründen.
Man wendet ein, die Phrenologen seien auf diese Weise verfahren. 4 | Es ist aber doch offenbar,
dass sie keine Genauigkeit bei den Messungen der Schädel beobachtet und schon in den jüngeren
Perioden der Lehre gewisse Sätze als sichere und gegebene angenommen haben, die dies bei weitem
nicht gewesen sind. Nichts desto weniger hat man diesen das ganze Gewicht und den ganzen
Einfluss wissenschaftlicher Grundgesetze beilegen wollen und hiebei scheinbare Stützen sowohl aus
der Anatomie und Physiologie, als aus anderen Wissenschaftsfächern entlehnt.
Ich habe bereits angedeutet, t dass die Phrenologen selbst ihre Lehre nicht mit gebührender
Kritik bearbeitet haben; die zahlreichen und ernsthaften Einwürfe, welche von anderen Gelehrten
vorgetragen worden, sind als feindliche angesehen und zurückgewiesen worden.
') a. a. O. pag. 91.
Auf diese Weise hat die Phrenologie nun mehre Jahrzehende durchlaufen und ist durch ein
einseitiges Sammeln solcher Erfahrungen, welche ihr günstig zu sein schienen, während die widersprechenden
durch wenig gründliche Erklärungen und Ausflüchte zur Seite geschoben wurden, scheinbar
befestigt worden. Ein ganzes Lehrgebäude ist auf diese Weise auf mangelhaften Grundlagen
und ohne wissenschaftlichen Zusammenhang errichtet worden. — Auf diese Weise geschaffen, kann
dies Lehrgebäude auf die Länge unmöglich bestehen. — Ich hoffe, die Zeit wird nicht mehr fern
sein, in welcher man dies allgemeiner einsehen und erkennen, und anfangen wird, neue und sichere
Materialien zur Begründung und Erweiterung dieser interessanten Richtung des Wissens zu sammeln.*)
l) Die kürzlich vom Rector SimeseN mitgetheilte Arbeit "Om den nöjagtige Bestemmelse af Hovedets Störreise og Form
(Ueber die genaue Bestimmung der Grösse- und Form des Kopfes) Forhandl. ved de Skand. Naturf. femte Möde i Kjöben-
havn 1847, verleiht uns schon eine Hoffnung, dass diese Zeit sich nähert.
Diese Arbeit giebt uns auch einen Begriff davon, welche Genauigkeit und Mühe erforderlich ist, um nur allein die
Grösse und Form des Kopfes bei verschiedenen Individuen zu beurtheilen. Wie viel schwerer muss es nicht sein, mit
Sicherheit die entsprechenden verschiedene^ Grade der Seelenfähigkeiten währzunehmen, welche durch kein Ausmessen bestimmt
werden können!