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Ferneres fiber die Schädelform der Finnen.1)
Bericht über eine ethnographische Abhandlung vom Hm. Staatsrathe Cahl von Haartman, betitelt: "Försök att bestämma den
genuina racen af de i Finland boende folk, som tala finska”, Helsingfors 1846. 4.)
D e n physischen Charakter des finnischen Volksstammes in seinen mehrfachen Variationen und
seiner ausgedehnten Verbreitung zu erforschen, ist lange %ines der'schwersten Probleme für die
Ethnologie gewesen. Die meisten europäischen und asiatischen Voiksstämme haben ihre Geschichte; ihre
Namen finden sich bei den uralten und mittelalterlichen Schriftstellern wieder. Die Finnen scheinen
hievon eine Ausnahme zu machen. Die Völkerschaften, welche- wir Finnen nennen, haben wahrscheinlich
in einer entfernten Vorzeit einen grossen Theil von Asien und Europa inne gehabt, sind
aber durch die Ausbreitung und durch die Eroberungen anderer Völkerschaften in viele Stämme getheilt
worden. Unter solchen Umständen haben sie wahrscheinlich ihren gemeinschaftlichen Namen verloren
und sind von den Nachbarvölkern nach den Ländern, welche sie inne gehabt, benannt worden. Sonach
haben unsere Nachbarn, die eigentlichen Finnen, nach Prof. K eysek in Christiania, den Namen
Finnen von Finland; und vermnthlich auch auf dieselbe Weise die Esthländischen den Namen
Esthen von Esthland bekommen. Die Slaven sollen sie jedoch nach demselben Schriftsteller mit
dem umfassenden Namen Tschuden (griech. Zxofrai) bezeichnen. Die vorliegende Abhandlung ist
ein willkommner Beitrag zur Kenntniss dieser uralten Völkerschaften. Der Verf. ist auch der Meinung,
dass die Bewohner- Finlands. aus mehren verschiedenen Stammesverzweigungen bestehen,
welche sich sowohl in den Sprachdialekten, als den physischen Charakteren von einander unterscheiden.
Der Verf. hat auf seinen ausgedehnten amtlichen Reisen mehre Hunderte von Personen in
verschiedenen Theilen des Landes kennen gelernt und Messungen bei ihnen angestellt, nach denen
er zu den folgenden Hauptergebnissen gelangt iist:
') ÖfVersigt af Kongl. Vetenskaps-Alademiens MAandlingar 1847, p. 811: Finnarms cranieform.
Archiv für Anatomie, Physiologie unü wissenschaftliche Medicin heransg. von Joh. Mülle* 1848 p. 893. Aus d Schied
von F. C. H. Creplin.
1) Der Kopf des Karelen ist oval und hochgewölbt, das Angesicht ist oval, der Kiefer schmal,
die Augen sind blau, das Haar ist weich, kastanienbraun; Nase gerade, Augen gross, Körperwuchs
schiiftchtig, etwas lang.
Jjj Der Kopf des Savolax ist fast rund, Scheitel |p.ch, Angesicht rund mit herausstehenden
Wangenbögta und breitem Kiefer, Augen klein, braun, Haar kastanienbraun, straff, Nase klein,
Kiefer und Jochweite breit, Hals kurz, Körper grobgliedrig.
3) Der Kopf des Tavastländers |g£t viereckig-gerundet, Schditel niedriger, Wangenbögen und
Kiefer breit, Augen klein, blau, Haar schlipht, flachsfarbig, Nase klein, stumpf, Körperwuchs kurz,
aber stark, mit groben Gliedmassen, meistens krummbeinig.
Nach diesen Angaben gehören die Savolaxen und Tavastländer zu den braehycephalischen,
turanischen oder scythischen Völkern, wogegen die Karelen Dolichocephalen sind.
Der Verf. beschreibt übrigens den K a r ten als fröhlich, lebhaft, geschwätzig, redlich und als
einen besondern Freund seines Pferdes. Sowohl der Savolax als der Tavastländer ist ernst, gesetzt,
mürrisch, wenig gesprächig, träge, langsam, ausdauernd, eigensinnig und wenig zugänglich, dazu
plump und ungesittet, redlich, aber zum Neide und zur Rachsucht geneigt.
Der Tavastländer ist der eigentliche oder tscliudisehe Finne, der Savolax eine gemischte
finnische Race mit überwiegendem finnischem Blute, der Karele aber von einer ganz andern, fast
entgegengesetzten Volksrace, welche in das Land eingedrungen ist und die Provinz, deren Namen
sie fuhrt, erobert hat. Der Karele hat aller Wahrscheinlichkeit nach ehedem seine eigene, von
der finnischen verschiedene Sprache gehabt, welche in der Länge d«r Zeit verloren gegangen und
ersetzt worden ist durch die finnische, von den Nachbarprovinzen her eingedrungene. Der Verf.,
welcher auf diese Verhältnisse hindeutet,.stellt auch hiebei ein neues Beispiel von einem Volke auf,
welches seine eigene Sprache verloren\nd sowohl die Sprache, als auch den-Namen der Nachbarn
angenommen hat Der Karele wird, wie der Tavastländer, ebenfalls Finne genannt. Der
Verf. hält die Karelen für verwandt mit den Arabern; sie sollen mit diesen eine erstaunliche
Aehnlichkeit haben. Die finnischen Sagen erzählen auch von Kriegen, welche vormals zwischen den
Karelen und den Tavasten stattgefunden haben.