wurden! M^n hielt dafür, dass die in Rede stehende ungereimte, barbarische Sitte nur hei den wilden
Heiden in Amerika vorkäme, '
Seitdem durch den Grafenegger Schädel die Aufmerksamkeit auf die Frage gelenkt worden ist,
wiefern derselbe barbarische Gebrauch auch in der alten Welt Statt gefunden habe, sind mehr und
mehr Zeugnisse znr Bestätigung seines vormaligen wirklichen Vorkommens ip derselben zu Tag**
gefordert worden. Aus dem Vorhergehenden sieht man, dass wir Zeugnisse hierüber von altelf
Schriftstellern der Vorzeit und des Mittelalters, ohne auf dieselben zu achten, in unseren Händen
gehabt haben.
Zn den wichtigen Angaben, weiche Dr. F it z in g e k gemacht hat, erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit
ein paar Zusätze zu liefern.
■, Jn A m ed é e T h ie r e y ’s trefflichem historischem Werke über A t t il a '), von welchem ich nur die deutsche
iJhbersetzung kenne, wird, nachdem der Verf. gezeigt hat, dass zwar die eigentlichen Hunnen
Finnen vom Ural und vom Wolgathale, mit ihnen aber unter einer und ^derselben Oberherrschaft
Türl|en und aller Wahrscheinlichkeit nach Mongolen und ausserdem späterhin Slaven u. s. w.
vereinigt gewéten seien, angeführt, dass A t t il a selbst nebst einem Theile seines Volkes nach dem
kalmückischen Typus geschildert worden sei. In einer Note!), wird hierüber, wie über die Sitte, die
Hirnschale künstlich umzuformen, Folgendes geäussert:
’’Das Bild, welches man uns. von A t t il a überliefert hat, ist mehr das eines Mongolen,als das
eines uralischen Finnerg| Wir wissen ausserdem aus der Geschichte,, dass einige Hunnen sich
künstlicher Mittel bedienten, um ihren Kindern eine mongolische Physiognomie zu verschaffen, indem
sie die, Nase mit stark angezo^ên leinenen Bändern platt drückten und dazu den Kopf zusammen-
presSthn., um die Backenknochen hervorstehend zu machen.”
’’Welchen vernünftigen Grund konnte wohl diese bizarre Sitte haben, als - ein Bestreben, sich
einer Mensehenform zu verähnftchen, welche bei den Hunnen in grösserem Anselen stgnd, mit einem
Worte, sich der aristokratischen Race ähnlich zu machen? Die von römischen Schriftstellern angegebene
Absicht, dem Heim eine bessere Befestigung auf dem Kopfe zu verschaffen, kann kaum als
ernstlich gemeint betrachtet werden. Es ist wahrscheinlicher, dass, seitdem die Mongolen Herren
der Hunben geworden, die mongolische Physiognomie der Preis ward, mit welchem aristokratische
Auszeichnungen verbunden waren. Man suchte deshalb sich dieser Form zu nähern; man erachtete
e s ' für . eine Ehre, sich so zu verunstalten; um das Ansehen zu bekommen, als leite man spinen
Ursprung von der herrschenden Race ab. Dies ist der wahrscheinlichste Grund dieser unnatürlichen
Umgestaltungen, deren die historischen Schriftsteller so ausführliche Erwähnung thun."
Diese Ansicht der Sache stimmt völlig mit der von mir in dem Aufsatze ’’Beiirtheilung der
Phrenologie von anatomisch-ethnologischem Standpunkte aus” 8), und vom Prof. E sc h e ic h t in seinen
Bemerkungen, betreffend die Bedeutung der Formverschiedenheit der Hirnschale und des ganzen
Kopfes4), hinsichtlich des in Rede stehenden Gebrauches bei den,amerikanischen Wilden dargelegten
überein.
.’) Attila, Schilderungen aus der Geschichte des fünften Jahrhunderts. Deutsch von Dr. Eduard Burckiiardt, Leipzig 185§f
2) A. a. O. pag.Alö.
s) S. o. Ab* XÎI.
•) Betyduingen af Hjemesïallens og af hele Hovedets Tormforskjeffighed; Eorhandl, ; ved de skand. Naturforskerej*’ 4:de
Mode, i Christiania. 1844.
Wir sehen solcherweise mehr und mehr Spuren dieses verkehrten Gebrauchs als ehemals
ziemlich allgemein verbreitet in der alten Welt, und man möchte nach T h ie r r y ’s Auctorität ver-
muthen dürfen, dass derselbe vernehmlichst und vielleicht ursp rünglich von den Mongolen herrührend
sei, bei denen er jedoch, so viel mir bekannt ist, jetzt nicht mehr angetroffen wird.
p - Wunderbar möchte es daher Manchem Vorkommen, welcher sich fiir das Studium der Schädelform
bei den verschiedenen Völkerstämmen interessirt, zu erfahren, dass jener barbarische Gebrauch noch
jetzt in einem der civilisirtesten Länder Europas, nämlich in Frankreich, Statt findet. Wir erhalten
hierüber sehr interessante Nachrichten in Dr. F o v il l e s ’s ’’Traité complet de l’anatomie, de la physiologie
et de la pathologie du système nerveux cérébrospinal”. * *)
Dr. F o v il l e sagt nämlich: ’’Dans plusieurs parties de la France, on coiffe les nouveaunës de
bonnets fixés sur la circonférence du crâne lui-même. Tantôt on commence par l’entourer d’un étroit
et long triangle de toile, qui décrit plusieurs tours avant d’être arrêté, et par dessus ce serré-tête
ou bandeau on place un bonnet rond à coulisses, dont les cordons sont serrés suivant la même
circonférence que le serre-tête lui-même. Cette pratique est très-commune en Normandie. Dans
d’autres provinces, on ne commence pas par entourer la tête d’un bandeau; on la couvre d’un bonnet'
ro/id, et ce bonnet se trouve ensuite assujetti par un nombre variable de tours de bande méthodiquement
jetés depuis les bosses frontales jusqu’aux bosses pariétales. C’est ainsi qu’on agit à Toulouse
et dans une grande étendue des pays voisins. •— — —-------------9 — — --------
Une constriction circulaire, suffisante pour fixer la coiffure ne peut manquer de faire cédefc^la
tête si tendre à cet âge. Ce qu’elle perd alors en largeur, elle le gagne en excès de longueur; et
c’est ainsi que se trouvent produits ces crânes allongés et cylindröftles (voy., pl. 22 et 23 Fig 1),
quelquefois même étranglés dans le milieu de leur longueur, qu’on rencontre en proportions variables
dans presque toutes les maisons d’aliénés de France, mais surtout dans celles des départements où
la méthode adoptée pour la coiffure des enfants implique une constation circulaire. — On trouve
des personnes *du Limousin, de Bretagne, du Nord et du Nord-Est de la France avec une déformation
évidente du crâne, dont la cause ne peut être douteuse. — ^ A Paris, où se trouvent rassemblés
des habitants de toutes les parties de la France,* toutes les habitudes de nos provinces se trouvent
importées, et lés déformations du crâne produites par les coiffures vicieuses ne sont nullement rares.
Pl. 23 zeigt drei Profilportraits von Weibern aus der Normandie, deren Schädel auf solche Weise
sehr ähnlich den hunnischen geformt sind.
Dr. F o v il l e hat als Oberarzt der grossen Heilanstalten für Gemüthskranke im Departement
Seine inférieure und Charenton Gelegenheit gehabt, die Schädelform bei einer grossen Anzahl von
Landleuten zu untersuchen. Er hat dabei nicht wenige Individuen mit solchergestalt künstlich
getormten Schädeln angetroffen. Obgleich er die Meinung äussert, dass die Verunstaltung die Verrichtungen
des Gehirns nicht störe, so glaubt er doch auch, dass sie nicht selten Unordnungen in demselben
erzeuge, welche in Gemüthssförungen übergehen. Dies stimmt, so viel man aus M o rto n ’s Schriften
scliliessen kann, nicht überein mit den Erfahrungen über das Verhalten bei den amerikanischen
Indianern. Wahrscheinlicher ist es, dass der geehrte Verfasser hier post hoc statt propter hoc
genommen habe.
Er giebt, wie wir sehen, zwei verschiedene Arten der Umwicklung des Kopfes,A-an. Aus seinen
Angaben kann man nicht entnehmen, dass die angeführte Verfahrungsweise in der Absicht geschehe,
*) ï:re partie, Anatomie, Paris 1844, p. 632, Art. ’’Déformation artificielle du crâne” etc:, u. Atlas, Pi,' 23, Fig. 1, 2.