Aufmerksamkeit zu schenken. Ich fand in diesem Fache der Wissenschaft einen fast völligen l&üngel
an Leitung und Grundlage. Es war daher um so nothsvendiger, eine vorurtheilsfreie und sichere
Erfahrung zu sammeln und ohne Einfluss von vorgefassten Ansichten oder von. schon aufgestellten
Theorieen zu arbeiten.
Ich glaube dabei mit Sicherheit gefunden zu haben, dass ein vorurteilsfreies, gründliches Studium
der Schädelformen der Völkerschaften die Richtigkeit der gegenwärtigen phrenologischen Ansichten
nicht zugestehen lässt. Ich will hiervon einige Beispiele kurz darlegen.
Die celtischen und germanischen Völker, zu denen ich die Deutschen, den grössten Theil
der Franzosen, Engländer und Skandinavier rechne, sind allgemein als diejenigen anerkannt,
welche mit den besten Seelenfähigkeiten begabt sind. Ihre Schädel sind niedrig, lang, oft schmal
mit besonders vorragendem, meistens schmalem Hinterhaupte.
Die slavischen und tschadischen Völker, von'denen mehre Zweige einen hohen Grad von Cultur
erreicht und grosse Geisteskräfte sowohl in Wissenschaft als in Kunst entwickelt haben, aber
doch im Ganzen in den meisten Beziehungen auf einer Culturstufe stehen, die der der celtischen
und germanischen Stämme untergeordnet ist, haben höhere und im Allgemeinen breitere, aber weit
kürzere Schädel, meistens mit stark entwickelten Tubera parietalia und abschüssigem, flachem, kurzem
Hinterhaupte, ohne weder in den geschlechtlichen Verhältnissen, der Kinderliebe, der Zuneigung zur
Heimath und der Freundschaftlichkeit den dolichocephalischen Germanen und Celten nachzustehen.
Unter den Asiaten finden wir ungefähr dieselben Gegensätze zwischen dem Hindu mit niedrigem,
langem Kopfe, und dem Turkomanen, dem Perser und dem Afghanen mit hohem, kurzem.
Unter den Völkern Polynesiens zeichnen sich im Allgemeinen durch hohe Schädel die sogenannten
’’echten P o lynesier” aus, zu welchen die Sandwich-insulaner, die Neuseeländer
u. m. gerechnet werden. Ihre Schädel sind zugleich gewöhnlich gross. Ihre Seeleneigenschaften
entsprechen, nach der Art der Phrenologen zu sehen und zu schliessen, dieser Form nicht.
Die Schädel der Malaien sind von mittlerer Grösse,, hoch, etwas breit und mit .kurzem, oft
breitem Hinterhaupt und grossen Tubera parietalia. — Ihre natürliche Gemüthsart zeigt keine Eigenschaften,
welche nach den Regeln der Phrenologie diesen entsprächen.
Die Schädel der Australier (Australneger) sind denen der Neger ähnlich, nämlich mittelgross,
schmal, etwas niedrig, länglich und mit vorspringendem, lang-abschüssigem, sich verschmälerndem
Hinterhaupte. Hinsichtlich der Seeleneigenschaften stehen die Australier auf einer der niedrigsten
Stufen, weit unter den Hottentotten, Kaffern und Negern. Ich bezweifle es, da^ss irgend ein
Unparteiischer aus dieser Schädelform auf dieses Volkes niedrigen Standpunkt würde schliessen
können. .Selbst die grossen Kiefer sind nicht so hervorstehend, wie bei vielen Kaffer-, und Neg„er-
stämmen.
Die Afrikanischen Völkerschaften haben sämmtlich die längliche Schädelform, vom Busch manne
und dem Hottentotten an bis zum Abyssinier und Kabylen; die Schädel der Letzteren sind, mit
Ausnahme im Allgemeinen grösserer Kinnladen, denen der germanischen Völker sehr ähnlich. Sie
sind doch alle theils Wilde, theils Nomaden und rohe Völker, unter denen, mit wenigen Ausnahmen,
weder Civilisation noch Christenthum vermocht haben, irgend dauerhafte Fortschritte zu machen.
Unter den amerikanischen Menschenracen kommen sowohl dolichocephalische, als brachycepha-
lische Völkerschaften vor. Nirgends finden sich solche Extreme in diesen Formen, als in der
neuen Welt, wo sie bei mehren Stämmen künstlich hervorgebracht werden. Der grösste Theil der
Canada-Indianer ist, soviel ich weiss, dolichocephalisch. In den vereinten Staaten kommen beide
Form® in .verschiedenen Territorien vor. Beiderlei Völker werden jedoch als tapfer, klug und
freiheitsliebend beschrieben. Stämme von beiden Formen haben sich für Civilisation empfänglich
gezeigt. In den Oregongegenden um den Columbiafluss leben brachycephalische Volksstämme, welche
durch Pressung den Kopf von dem Scheitel gegen die Basis platt drücken, woher sie den Namen
’’Flatheads” bekommen haben. Man möchte glauben, aus dieser Niedrigkeit des Schädels auf eine
niedere Entwickelung der Seelenfähigkeiten schliessen zu dürfen. Aber Morton sagt im Gegentheile,
diese Indianer seien klug, intelligent und tapfer.
Auch die Indianer in Mexico sind zum grössten Theil Brachycephalen; mehre derselben platten
den Kopf von hinten nach vorn ab, wodurch derselbe oft .eine unnatürliche Höhe und Kürze bekommt.
Am meisten zeichnen sich unter diesen die Natches-Indianer aus, welche früher ihr Gebiet bis in
das Missisippi-Thal hinab ausgedehnt haben. Morton hat in seinem prachtvollen Werke *) einen
Natches-Schädel abgebildet, welcher einen erstaunlichen Grad von solcher Abplattung zeigt, durch
die der Kopf eine monströse Höhe, Breite und Kürze erlangt hat. Bei diesen müsste man einen
grossen Mangel an denjenigen Eigenschaften bemerken, deren Organe im Hinterkopfe liegen, und
eine übertriebene Entwicklung derjenigen, welche ihre Stelle quer über dem Scheitel haben. —
Morton glaubt, die Natches seien Abkömmlinge der grossen toltecanischen Familie, und bezeichnet
sie als ein besonders friedfertiges Volk, welches seine Ehre nicht darein setze, seine Mitmebsehen
zu vernichteni‘ -Ihre Institutionen waren feudal und die Adelschaft war nur in weiblicher Linie
erblich. — Die Ethnographen haben, soviel ich weiss, keine weitere Nachricht über die intellectuellen
und moralischen Eigenthümlichkeiten dieser Völker ertheilt. Ihr ehemaliger Sonnencultus, den sie,
wie man meint, von den Toltecanern geerbt hatten, ist dein Lichte des Christenthums gewichen.
In Venezuela, Guiana, Brasilien, Paraguay und den angrenzenden Staaten ist wieder die dolichocephalische
Form herrschend. Zu dieser gehören die Karaiben, Botokuden, Guaranier u. m.
Die Karaiben hatten ehedem die Gewohnheit, die Stirn künstlich herabzudrücken. Diese Stämme,
welche vormals als wilde, kriegerische Menschenfresser berüchtigt waren, sind in späteren Zeiten
christliche, friedfertige Ackerbauer und zum Theil auch fleissige Handwerker geworden. Die früher
unbändigen Guaranier in Paraguay lebten lange mit grosser Geduld unter F rancia’s despotischer
Herrschaft, während andere Stämme eine gewisse Unabhängigkeit behalten und gute Gesetze gestiftet
haben. Mehre Botokudenhorden haben in ihren Gesetzen sogar die Todesstrafe abgeschafft. —
Unter diesen Veränderungen in der intellectuellen und moralischen Beschaffenheit derselben Völker
behalten die civilisirten, soviel man bisher weiss, dieselbe Schädelform, als ihre noch wilden, in den
Wäldern lebenden Stammverwandten, sowie man dafür hält, dass diese dieselben Seelenzüge besitzen,
wie ihre wilden Nachbarsbrüder von der braehycephalisclien Form, obgleich die Gesichtszüge und
der Ausdruck im Ganzen höchst verschieden bei den freien unabhängigen und bei den von den Colo-
nisten zu Sklaven gemachten Indianern von demselben Stamm sind.
In Peru kommen von der brachycephalischen Form die von Mexico-her eingewanderten In c a s* 2)
mit besonders kurzem und flachem Hinterhaupte, ferner die Chincas oder Yungas, welche T schudi
zu den Ureinwohnern dieses Landes zählt, vor. Demselben Schriftsteller zufolge besitzt Peru auch
zwei Völkerschaften mit langen Schädeln (Dolichocephalen), nämlich die Huaüehas und Aymaras.
Auch diese letzteren Völker rechnet er zu den Urbewohnern des Landes. Die Huanehas machen
H Crania aitiericana. Tab. XX u. XXI.
2) Mobton a. a. O.