Diese brachycephalischeni Pampeaner dehnen sich gegen die Grenzen von Paraguay bis an die
Landmarken der friedlichen Guaranier aus. Diese aber gleichen, wie schon erwähnt ward, in der
Schädelform den Aymaras, Karaiben, Botokuden und' mehren der unabhängigen, wilden und
kriegerischen Stämme von Nordamerika.
Die südlichen Patagonier und Feuerländer, welche von derselben Gattung sind und dieselbe
Schädelform, Hautfarbe, Richtung der Augenspalten und denselben Haarwuchs, wie die Pampeaner,
besitzen, sind als gastfreie, friedliche und wohlwollende, Jagd und “Fischerei treibende Nomaden
bekannt
Diese flüchtigen Blicke in das Gebiet der Ethnologie dürften hinlänglich zeigen, wie wenig die
Phrenologie es vermag, den rechten Zusammenhang zwischen der Schädelform und der nationeilen
Gemüthsart zu erklären.
Der berühmte Phrenologe G. Combe hat zu Morton’s ’’Crania americana” eine besondere Appendix
unter dem Titel ’’Phrenological Remarks on the relation between thé' natural Talents and disposition
of Nations and the Developments of their Brain”, verfasst. Ich fand in dieser Abhandlung was ich
vermuthet hatte, nämlich dass der Verfasser die reichen Materialien des grossen Werks sehr wenig
hat benutzen können und dass er nicht einmal die allerwichtigsten berührt hat.
C ombe hat derselben Abhandlung die Zeichnung eines Schweizerschädels in natürlicher Grösse
beigefügt. Bei einem Besuche der Schweiz hat er die Schädelform des Volkes so gefunden, wie sie
dies Specimen zeigt, welches er, als des Schweizervolks grosse physische, moralische und intellectuelle
Kraft ausdrückend, sowohl bürgerliche als religiöse Freiheit zu erwerben und zu erhalten, hier
vor Augen stellt. Nun gut! Was zeigt denn dieser Schädel in ethnographischer Hinsicht? Ganz
einfach ein gutes Specimen eines deutschen Schädels!
Es ward schon oben angedeutet, dass einige amerikanische Indianerstämme durch Pressung
des Kopfes während der zartesten Kindheit auf eine unnatürliche Art die Schädelbildung entstellen.
Dieselbe Sitte hatte nach H ip pokrates ’ Zeugniss auch bei den alten Scythen Statt gefunden. Alte
Schädel, welche in neueren Zeiten in den österreichischen Staaten gefunden worden sind, und; wie
man meint, Avaren angehört haben, zeigen ein solches Niederdrücken des Kopfes.1) In'Amerika
fiat diese Sitte eine grosse Ausdehnung und Bedeutung gehabt. Wie vorher erwähnt ward, pflegen
die Oregon-Indianer den Kopf von dem Scheitel gegen die Basis abzuplatten, so dass er unnatürlich
niedrig wird. Die Natches u. M. drückten das Hinterhaupt und die Stirn flach und machten den
Kopf kurz, hoch und breit; die Karaiben drückten die Stirn nieder; die Huanchas oder Aymaras
drückten die Stirn herab, die Seiten zusammen, und machten dadurch das Hinterhaupt unnatürlich lang.
Was für eine Bedeutung hatte und hat denn diese Sitte? Die, dem Individuum ein vornehmes
äusseres Ansehen zu geben. Von den Huanchas- und Aymaras-Indianern ist schon bemerkt
worden,-idass diese Verunstaltung vorzüglich bei Schädeln gefunden worden ist, welche, nach der
Beschaffenheit der Gräber zu schliessen, hochgestellten Individuen angehört haben, von denen man
Grund hat zu schliessen, dass sie auch in intellectueller Hinsicht die vornehmsten gewesen seien.
Diese Sitte ist bei mehren Stämmen nun verschwunden, besteht aber noch bei den Indianern
im Oregon. Ein schwedischer Seemann, der Kauffahrtei-Kapitän W aerngren, welcher im vergangenen
Jahre von einer Reise um die Erde zurückkehrte, brachte zwei Schädel dieser, von den Anglo- 3
3) Ein solcher Schädel ist Fig. Y PI. VI abgebildet.
Amerikanern so genannten Flatheadsr mit. Der eine Schädel ist in hohem Grade abgeplattet,1)
der andere etwas weniger; beide sind vom Ghenouk-Stamme. Sie wurden aü& einem Begräbnissplatze
auf einem Inselchen im ColumbiaflMse hervorgeholt. Die Leichen waren jedoch nicht in die Erde
gesenkt, sondern, mit ihren Kleidern angethan, in kleine Ganoes gelegt, welche von ziemlich hohen
Bretterstützen getragen wurden. Herr W aerngren glaubte, dass die Individuen, deren Schädel er
mitbrachte, höchstens etwa ein Jahr zuvor gestorben wären.
Morton beschreibt die Flathead-Indianer nach L ew is ’, Clark’s und T ownsend’s Berichten.
Die Art, den Kopf abzuplatten, ist verschieden bei den verschiedenen Stämmen. Die Wallamut-
Indianer legen das Kind kurz nach der Geburt auf ein kleines Brett, an dessen Kanten Oesen von-
Hanf oder Leder befestigt sind. Nachdem das neugeborne Kind auf das Brett gelegt worden ist,
werden durch die Oesen Schnüre oder Riemen gezogen, welche kreuzweise und quer über dasselbe
Weggehen und angezogen werden, so dass das kleine Wesen fest an das Brett gebunden wird. Am
Ende des Brettes, welches e ile Aushöhlung hat, in welche das Hinterhaupt zu liegen kommt, ist
durch Lederstreifen ein anderes kleines Brett befestigt, welches mittelst Zuziehens der Schnüre, die
von der obern Kante des kleinen Brettes bis zu andern Löchern in dem grossem gehen, auf des
Kindes Scheitel drückt.
Die Chenouken legen das Kind in einem kleinen, aus dem ausgehöhlten Stamm eines Nadelholzbaumes
verfertigten Troge auf ein Bett aus Grasmatten und binden es auf die angegebene Weise
fest. Auf den Kopf wird ein kleines Polster, ebenfalls aus geflochtenem Grase, gelegt und so festgebunden,
dass es auf denselben drückt. In diesem Apparate wird das Kind von vier bis acht
Monate, oder so lange festgehalten, bis die Näthe seiner Hirnschale- einigermassen vereinigt sind
und die Knochen Stärke und Festigkeit erlangt haben. Selten oder nie wird es aus dem Troge
herausgenommen, falls nicht eine bedenkliche Unpässlichkeit vor der Vollendung des Abplattungs-
processes eintritt.
Diese Abplattung des Kopfes hat bei den Indianern des Columbiaflusses eine so hohe Bedeutung;
dass sie nicht erlaubt ist bei ihren Sklaven (die sich grösstentheils von anderen angrenzenden Stämmen
herschreiben). Wenn das Pressen Krankheit halber nicht bei dem Kinde hat vorgenommen
werden können, so nimmt der Schädel die bei dem Stamme normale Form an; aber die Individuen,
welche nicht auf solche Art plattköpfig gemacht worden sind, können nie Einfluss gewinnen oder
sich zu irgend einer Würde in dem Stamme erheben, und werden nicht selten als Sklaven verkauft.
Morton fügt noch ferner hinzu: ’’Gelehrte haben die Ansicht aufgestellt, dass das künstliche Formen
des Schädel^ durch mehre auf einander folgende Generationen fortgesetzt, mit der Zeit angeboren
und bestehend würde. Durch die Zeugnisse, welche wir von den amerikanischen Völkern her entnehmen,
unter denen die charakteristische Form des Schädels sich beständig erhält, obgleich, die Kunst sie
bei den Individuen unmittelbar entstellen kann, ist diese Hypothese- als völlig unbegründet befunden
worden.”
E schricht hat in seinem Vortrage bei der Zusammenkunft der Naturforscher in Christiania,
betreffend die Bedeutung der Formverschiedenheit der Hirnschale und des ganzen Kopfes ), meinei
Meinung nach den Grund zu dieser abscheulichen Sitte am richtigsten erklärt, dass nämlich bei * 2
J) Dieser Schädel ist Fig. VI PI. YI abgebildet.
2) ’’Angaaende Betydningen af Hjerneskallens og af helfe Hovedets Formforskjellighed.” Forhandl. ved de Skand. Naturf. fjerde
Mode i Christiania 1844 p. 78.