Wie leicht in dergleichen Fragen ein Fehlgriff begangen werden kann, lässt sich am besten ein-
sehen, wenn man bedenkt, dass man, wie von B a er gezeigt hat, nicht einmal ein unbedingtes
Vertrauen auf solche reisenden Forscher wie Q üoy und G aimard setzen darf, welche sowohl Beschreibungen
als auch Abbildungen von Schädeln derjenigen Völker, deren Heimathländer sie
selbst besuchten, geliefert haben. Bedenkt man ferner alle Umwälzungen, die unter den Völkern
vorgegangen sind, wie, so weit die Tradition und die Geschichte etwas davon wissen — und sie
wissen in der That sehr wenig mit vollkommener Sicherheit, das Meiste unvollständig, Vieles ganz
falsch das eine Volk das andere verdrängt hat, um selbst wiederum einem noch mächtigeren zu unterliegen
oder bisweilen wohl ganz zu verschwinden; bedenkt man endlich, welch ein beinahe unübersehbarer
Zeitraum von dem Dasein des menschlichen Geschlechtes hinter der nunmehr so
unbedeutenden Periode der Geschichte durch die Forschungen der letzten Jahre sich eröffnet hat,
so dürfte es nicht schwer einzusehen sein, wie leicht bei ethnologischen Untersuchungen Fehlgriffe
gemacht werden können. Wahrscheinlich werden auch solche Fehlgriffe, die sowohl von A. R etzius
als von Anderen gemacht worden sind — auch künftige Verfasser werden ohne Zweifel solchen
Fehlern nicht entgehen|||früher oder später an das Tageslicht gezogen werden; denn das ist der
Gang einer jeden fortschreitenden Forschung.
A. R et z iu s hat durch seine ethnologischen Werke einen grossen Rahmen errichtet, in welchen er
selbst schon viele Bilder eintrug und es künftigen Forschern überliess noch nachzutragen, bis das
genealogische Gemälde des Menschengeschlechts vollendet sein wird. — Er war gegen eigne Irrthümer
keineswegs blind und berichtigte dieselben gern. Darum hat auch der Herausg. dergleichen,
meistentheils von dem Verf. selbst in späteren Schriften modificirte oder berichtigte Ansichten in
signirten Noten angeführt.
Die Holzschnitte, welche früher die Abhandlungen des Verf. begleiteten, sind in dieser Auflage
ausgetauscht worden gegen Lithographien die nach Photographien der von dem Verf. benutzten Schädeln
aus dem Museum des Carolinischen Medico-chirurgischen Institutes ausgeführt worden sind. Die
Photographien sind zu einem Viertel der natürlichen Grösse in dem photographischen Atelier des Carolinischen
Institutes angefertigt. Die vier ersten Tafeln beabsichtigen eine etwaige Uebersiclit einiger der
wichtigeren Schädelformen, nach der Eintheilung des Verf. in Gruppen aufgestellt, zu liefern. Innerhalb
einer jeden Gruppe sind die Schädel im Allgemeinen nach der geographischen Verbreitung geordnet, wie
der Verf. selbst zu thun pflegte, da eine sichrere und wissenschaftlichere Anordnung jetzt noch nicht
möglich ist. Dass inzwischen diese hier abgebildeten Schädel keinesweges als Typen zu betrachten
sind, liegt in der Natur der Sache, selbst und bedarf keiner weiteren Betonung. Die beiden letzten
Tafeln enthalten ausschliesslich'Schädel, die von dem Verf. näher beschrieben sind.
Da der Verf. selbst seine Messungsmethode nicht vollständig beschrieben, und er bisweilen in
verschiedenen Abhandlungen seinen Massen etwas ungleiche Benennungen ertheilt hat, so hielt der
Herausg. dafür, er müsste diese Masse mit den Aufklärungen, welche der Verf. an verschiedenen
Stellen darüber ertheilt, zusammenstellen. Auch hat der Herausg., welcher durch die Untersuchung
der von dem Verf. gemessenen S<jhädel Gelegenheit hatte, diese Masse kennen zu lernen, einige
kürzere Anmerkungen hinzugefügt. Den einen oder andern wichtigeren Druck- und Ablesungsfehler
in den Massziffern (letztere ohne Zweifel von einem nicht immer ganz zuverlässigem Instrumente
herrührend) hat der Herausg. für seine Pflicht erachtet zu berichtigen.
Zu dieser gesammelten Auflage sind die deutschen Uebersetzungen, welche zuvor in J. Müller ’s
und H ornschuch’s Archiven veröffentlicht waren, benutzt worden. Die meisten derselben sind von
Dr. Cr e pl in in Greifswald, eine von Herr W. Mev e s in Stockholm und eine von Prof. W. P e t er s
in Berlin. Die Uebersetzung der vorher noch nicht deutsch herausgegebenen Aufsätze ist besorgt
worden von Dr. C. .F. F risch in Stockholm,' welcher auch die;.ȟbrigen Uebersetzungen durchgesehen
und dieselben, wo es zur Uebereinstimmung mit dem Originale nöthig war, geändert hat.
Stockholm im Juni 1864. Gustaf Retzius.