vor. Er sowohl, als ein anderer slavischer Gelehrter, welcher zugegen war, erlaubten mir, die Form
ihrer Köpfe zu untersuchen. Da P r e sl meine Angabe bestätigt befunden hatte, äusserte e r lic h
besitze einen czechischen Schädel; wenn dieser die Angabe bestätigt, so schenke ich ihn Ihnen.”
Die Form desselben bestätigte auch meine Ansicht, und ich erhielt ihn zum Geschenk. Ein anderer
berühmter Naturforscher, Prof. J ohannes B a p t ista P urkynje in Breslau, auch ein JJzeche, welchem
ich ebenfalls diesen Gegenstand vortrug, widersprach meiner Ansicht eben so wenig. Wenn man
sonach erwägt, dass von den 200—3Q0^Schädeln von Schweden, welche im hiesigen Museum vorhanden
sind, sich nur drei bis vier der slavischen Form näherü, ohne dass jedoch einer derselben sie vollständig
darbietet, dass- dagegen die vier hier angeführten slavischen Schädel sich sämmtlich in der
Grundform so sehr gleichen, so scheint es, dass diese die charakteristische Bildung wirklich aus-
drücken.
In der Decas tertia von B lumenbaUh’s ’’Öollectio craniorum diversarum gentium” ist ein ’’Cranium
Sarmatæ Lituani” beschrieben und im/Profil abgebildet. In der Figur ist das Hinterhaupt nicht so
schräg abschüssig, wie an den hiesigen slavischen Schädeln. Das Occiput bietet ein abschüssiges,
gerundetes Profil mit einem schwachen Tuber occipitale dar; der ganze Schädel und das Hinterhaupt
sind besonders kurz. In der Beschreibung dieses Schädels sagt der gelehrte Verfasser, er habe ihn
hauptsächlich dargestellt, um zu zeigen, wie wenig Camper’s Gesichtslinie zureiche, um die Charaktere
für die Schädel der Völkerschaften zu constituiren. Er bemerkt nämlich, dass, wenn man diesen
Sarmatenschädel nur von der Seite ansehe und ihn mit dem einès Negers von Congo, abgebildet
auf der 18ten Tafel des Werkes, vergleiche, beide -völlig dieselbe Profillinie darbieten, da hingegen
sich die grösste Verschiedenheit zeige, wenn man' diese beiden Schädel von oben ansehe. Der
Negerschädel zeige dann die die Neger charakterisirende,_von den Seiten zusammengedrückte Hirnschale
mit höckeriger, "gewölbter Stirn, wogegen der Sarmatenkopf, welcher, nach dès Verfassers
Ausspruche, einem älteren Manne zugehört hat, (caput) ’’validissimum, valde crassum et ponderosüm”
ist.1) Dies hat der gelehrte Dr. P richard1 so. übersetzt* 2): ”Ich habe gegenwärtig den Schädel eines
Negers aus Congo und den eines Polemlaus Lithauen .vor mir, bei welchen die Gesichtswinkel
gleich sind; vergleiche ich jedoch den schmalen, seitlich zusammengedrückten Schädel des Afrikaners
mit dem viereckigen Kopf des Sarmaten8), so finde ich eine ausserordentliche Verschiedenheit zwischen
ihnen.” P richard hat hier, meiner Ueberzeugung nach, die Meinung des Verfassers richtig
verstanden, obgleich die Verdollmetschung so frei ist, dass man mit Grund annehmen kann, der
Uebersetzer habe sie hauptsächlich auf eigene Erfahrung von den breiten Schädeln, dem abgestutzten
Hinterhaupt und der abgestutzten Stirn des in Rede stehenden Volks, oder von dem, was sqwohl
B lumenbach, als P richard ’’die viereckige Form” genannt haben, gegründet. Ich muss hierbei^jedoch
bemerken, dass P richard im 3ten Theile des citirten Werkes, im Capitel ’’von den physischen Charakteren
der slavischen Nationen”, keine Kennzeichen anführt, welche sie von den übrigen Europäern
unterscheiden. Was B lumenbach hier unter dem Worte Sarmat verstanden hat, ist nicht klar.
Dass der Uebersetzer einen Slaven gemeint hat, erhellt, da er jenes Wort durch Pole wiedergiebt,
deutlich. Die Meinung, dass die Lithauer im Grunde Slaven seien, theilen auch Mehrere; P richard
J) Collectio craniorum diversarum gentium. Becas Hertia, pag. 6, Tab. et Descr. XXII.
2) ’’Researches into the physical History of Mankind”, deutsch: Naturgeschichte des Menschengeschlechts, übersetzt von R.
Wagner. Leipzig 1840. Bd. I. S. 329.
3) Prichard nimmt an, dass die jetzigen Sla v en von den Sa rm a ten der Vorzeit abstammen.
führt selbst nach A delung* an, dass die Sprache* der Lithauer | der Stammwörter mit den slavishen
Sprachen gemein habe,' und es sind diese Gründe, welche mich glauben lassen, dass ich berechtigt
sei, hier^BLUMENBAca’s Cranium ’’Sarmatse Lituani” als meine Erfahrung über die kurzen Schädel der
slavischen Völkerschaften bestätigend anzusehen.
Somit" dürfte 4nan annehmen können, dass die Gesichtsbildung beim slavischen Volksstamme von
der allgemeinen, bei den Europäern vorkömmenden wenig verschieden sei, wogegen die Hirnschale
derselben durch ihre Kürze und ihre Annäherung an die viereckige oder kugelrunde Form sich ganz
und gar von der langen ovalen Form unterscheide, welche P richard für die indo-atlantischen Völkerschaften
im Allgemeinen annimmt, und welche, nach dem von mir Dargelegten, bei den Schweden
so gut erhalten geblieben ist.
Mehrere Schriftsteller halten dafür, dass die Slaven, Skandinavier und Germanen ihren Ursprung
von demselben Stammvolke nahmen; es scheinf&demnach kühn zu sein, auf die angeführten
Verschiedenheiten der Hirnschale eine andere Ansicht zu> gründen. Die Geschichte selbst spricht
jedoch für die nationale Verschiedenheit der Slaven schon bei ihrem ersten Auftreten im fünften Jahrhunderte,
obgleich sie, wie man meint, lange vor ihrer Erwähnung von den Schriftstellern in Europa
weit verbreitet gewesen sind ’).
Nicht weniger spricht dafür die Beständigkeit, mit welcher die Slaven unter fremder Herrschaft
und in so vielseitiger Berührung mit anderen Volksstämmen ihre Nationalität in Deutschland beibehalten.
Den deutlichsten Beweis dafür liefern die Czechen in Deutschland, welche dort über tausend
Jahre in Böhmen^und in Berührung mit Germanen, auch lange unter deutscher Obergewalt, doch
noch vollkommen ihre reiche Sprache, ihren Nationalcharakter und ihre Eigentümlichkeiten besitzen.
Dies-■ ?zeigt, dass zwischen ihnen und der deutschen Bevölkerung des Landes eine Scheidewand
bestehen muss, welche weder die Zeit hat verwüsten, noch die Politik niederbrechen können.
Da ich unter die slavischen Schädel zwei russische mit eingerechnet habe, Bo' muss ich erwähnen,
dass ich die Russen als Sla v en betrachtet habe, weil Russlands Bevölkerung zum grössten Theil
aus diesem Stamme besteht, welcher im Laufev dßHZeiten im europäischen Russland theils durch
seine eigene Ausbreitung und Vergrösserung, theils durch Kreuzung mit den übrigen älteren Völkern
herrschend geworden ist.
In Betreff der Schädel der Russen äuSsern B lumenbach und I senflamm auch etwas, das auf die
Form hinzudeuten scheint, welche ich für die charakteristische-:bei den S la v en angesehen habe.
Ich führe hier eine Stelle aus I senflamm’s ’’Beschreibung einiger mtenschlichen Köpfe von verschiedenen
Racen” 2) an: ’’Eine Abbildung und Beschreibung eines Tschiidenkopfs giebt uns B lumenbach,
Dec. IV, p. 8, und bemerkt dabei, dass die ganze Form die Mitte zwischen der caucasischen und
mongolischen Ra§e halte, so wie er auch in der Schrift: de Gen. hum. var., p. XXXH, in der Note,
bemerkt, dass viele von den Köpfen russisher Nationen, die er besitzt, mehr oder weniger etwas
von der mongolischen Bildung haben, was ich auch h äufig zu beoba chten G eleg en h eit
hatte.” I senflamm war nämlich längere Zeit hindurch Professor an der Dorpater Universität gewesen
und hatte vermuthlich gute Gelegenheit gehabt, die Schädelform der R u ssen kennen zu
lernen. Unter ’’etwas von der mongolischen Bildung” wird deutlich die Kürze dieser Schädel oder
ihre Annäherung an die ”Forma quädratd" verstanden.
j Geschickte von Böhmen, von F. Palacki, Prag 1836, Bd. L**B. 56.
2) Denkschr. d. phys. med. Soc. in Erlangen, — Nürnberg 1813, S. 2.