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 ethnologische  Craniologie  hinterlassen,  wie  Dr.  Morton  in  Philadelphia in  seinen ’’Crania americana”;  
 dessen  ungeachtet  findet  man  sich  wenig  befriedigt  durch  die  Resultate.  Morton  selbst,  welcher  so  
 mannigfaltige  Facta.von  hohem  Werthe  dargelegt  hat,  ist,  wie  die  ausgezeichneten  Sprachforscher,  
 welche  mit  so  unermüdetem  Fleisse  die  amerikanischen  Sprachen  studirt haben, hauptsächlich  zu dem  
 Resultate  gekommen,  dass  sowohl  die  Race  als  auch  die  Sprache  eine  und  dieselbe  ist.  Es  setzt  
 mich  fast  in  Verlegenheit,  bekennen  zu  müssen,  dass  ich  durch  die  Thatsachen,  welche  Morton  an  
 den  Tag  gelegt  hat,  und  die  vielen  Schädel,  durch  welche  er  so  gütig die Sammlungen in  Stockholm  
 bereichert  hat,  zu- einem  ganz  andern  Resultate  gelangt  bin.  Ich  kann  dieses  nicht  anders  erklären,  
 als  dadurch,  dass  der  ausgezeichnete  Mann  sein  ausgebreitetes  Sprachstudium  und  seine  grosse  
 Gelehrsamkeit  auf  seinen  naturforscherischen Blick hat einwirken lassen*  Soll die Gestalt der Schädel  
 bei  der  Frage  über  die  Menschenracen  in  Betracht  kommen,  so  finden  sich  wohl  kaum  in  irgend  
 einem Theile der Welt solche Gegensätze zwischen Dolichocephalen und Brachycephalen, wie in Amerika;  
 und  so  treten  sie.  auch  in  den  Augen  des  Naturforschers  in  Mortons  ’’Crania  americana^hervor.  
 Ich  erlaube  mir,  in  dieser  Beziehung  hinzuweisen  auf  Taf.  2  Pe ru v ian   Child  from  Atacama;  32  
 Lenni  Lenape;  38  Pawnee;  40  Cotonay,  Blackfoot;  64  Charib  of  Venezuela;  65  Charib  of  
 St.  Vincent,  alle  mit  den  ausgezeichnetsten  dolichocephalischen  Formen,  und andererseits auf Taf.  30,  
 31  Natches,  nebst  der  grossen  Mehrzahl  von  Abbildungen  der  Schädel  von  Chili,  Peru, Mexico und  
 Oregon  etc.  von  ebenso  ausgezeichneter  brachycephalischer  Form.  Wie  viel  auch  diese  Tafeln  selbst  
 beweisen,  so  würde  ich  doch  kaum  gewagt  haben,  eine  solche  Bemerkung  zu  machen,  wenn  nicht  
 eine  ziemlich  reiche  Series  in  unseren  eigenen  Sammlungen,  sowie  mehre  Abbildungen  von  B lumenbach, 
   S a ndifort,  v a n  d er   H oeven  u.  A.  für  meine  Meinung  sprächen. 
 Nach  dem;  was  ich  aus  den  amerikanischen  Schädeln  habe  schliessen  können,  die  ich  theils  in  
 Natura,  theils  in  Abgüssen  und  theils  in  Abbildungen  gesehen  habe,  bin  ich  zu  der Ansicht gelangt,  
 dass  die  dplichocephalische  Form  die  vorherrschende  auf  den* caraibischen  Inseln  und  in  den  östlichen  
 Gegenden  des  grossen  amerikanischen  Continents  ist? von  Amerikas  höchster  nördlicher  Grenze  bis  
 hinab  nach  Paraguay  und  Uruguay,  die  brachycephaUsßjw  dagegen  auf  den  kurilischen  Inseln  und auf  
 dem  Festlande  von  der  Höhe  der  Behringstrasse  im  russischen  Amerika,  in Oregon, Mexico, Ecuador,  
 Peru,  Bolivia,  Chili,  Argentina,  Patagonien  und  im  Feuerlande. 
 B lumenbach  hat  Abbildungen  von  zwei  Caraibenschädeln  von  St.  Vincent  geliefert,  Morton  
 ebenfalls,  wie  ich  oben angeführt habe;  unsere Sammlungen besitzen den Abguss von  einem Cäraiben-  
 schädel,  dessen  Original  in  G a l l ’s   Besitz  war  (ich  bin  nicht  ganz  sicher,  ob  es nicht dersmfie Schädel  
 ist,  den  Morton  Taf.  65  aus  dem  Pariser  Museum  hat  abbilden  lassen);  alle  diese  sind  dolichoce-  
 phalisch.  Ich  habe  in  fremden  Museen  auch  mehre  Schädel  von  den  westindischen  Inseln  gesehen,  
 und  die  meisten  dolichocephalisch  befunden.  Prof.  R asch  in  Christiania zeigte  mir vor einigen Jahren  
 einen  Schädel  aus  Newfoundland,  angeblich  von  einem  sogen,  rothen  Indianer;  auch  dieser war dolichocephalisch. 
   Es  scheint  unzweifelhaft  zu  sein,  dass  die  Caraiben  die  vorherrschenden  Bewohner  
 der  kleinen  Antillen  ausmachten,  sowie  dass  dieselbe  Race  dem  benachbarten  innern  Festlande,  dem  
 jetzigen  Venezuela  und  Guiana,  angehört.  Morton  sagt  von  den  Caraiben:  ’’Der  Tlieil  der  amerikanischen  
 Race,  welcher Charibs  genannt wird, bildete  eine Zeit lang ein zahlreiches  und weitverbreitetes  
 Volk.  Ihre  Heimath  waren  die  nördlichen  Regionen  Südamerikas  fast  vom  Amazonenflusse  im  
 Norden  bis  zu  dem  Theil  des  Meeres,  welcher  das  grosse  Orinocothal  umfasst,  nebst  einem  grossen  
 Theil  der  jetzigen  Länder  Guiana  und  Venezuela.  Von  hier haben  sie  ihre\Ansiedelungen  ausgedehnt 
 über  alle  Antillen,  von  Trinidad  bis  St.  Croix  (zu  den  caraibischen  Inseln  rechnete  man  Trinidad,  
 Grenada,  St.  Vincent,  Dominica,  Guadeloupe,  Martinique,  St.  Croix,  St.  Thomas,  Nevis,  Montserrat,  
 Antigua,  St.  Kitts  und  die  Virgin-Isles).”  —  Er  hat  eine  schöne  Zeichnung  und  Beschreibung  des  
 Schädels  eines  ’’Charib  of  Venezuela”  von  Dr.  J oseph   Maria  Vargas  in  Caracas  geliefert.1 2 3)  Man  
 kann  kaum  einen  mehr  charakteristischen dolichocephalischen  Schädel finden.  Zwei  andere Indianerschädel, 
   ebenfalls  von  Venezuela,  sind  abgebildet  und  beschrieben  von  Prof.  Va n   d e r   H o e v e n 8),  
 nämlich  von  den  Ufern  des  kleinen  Rio  de  la  Hacha.  V an  d er   H oeven  sagt  über  diese  Schädel:  
 ’’Der  Volksstamm,  zu  welchem  sie  gehören,  ist  der  der  Goahiro’s,  Guaira’s,  Guajiro’s,  Guag-  
 niro’s,  unter  welchen  Namen  ich  denselben  in  den  mir  zu Gebote  stehenden  Arbeiten erwähnt finde.”  
 J |-   Diese  Schädel  stimmen  mit  dem  obengenannten  von  Morton  überein.  V an  d e r   H oeven’s   Urtheil  
 ist:  ”De  schedel  der  Guahiro’s  behoort  ongetwijfeld  tot  den  dolichocephalischen  vorm.”  Alle  
 Nachrichten  von  Guiana  bekräftigen,  dass  die  dortigen  Indianer  demselben  Volksstamme  wie  die  
 von  Venezuela  angehören,  d.  h.  von  dem  grossen,  ehemals  mächtigen  caraibischen  Stamme  sind.  
 Was  die  Mehrzahl  der  Indianer  des  grossen  Landes  Brasilien  anbetrifft,  so  wie  die  von  Paraguay,  
 so  ist  man.  allgemein  der  Ansicht,  dass  sie  zu  dem  grossen  Tupi-  oder  Guarani stamme  gehören  
 (er  wurde  in  Brasilien  von  den. Portugiesen  Tupi,  im  Süden  von  den  Spaniern  Guarani  genannt).  
 P richard  sagt  an  einer  Stelle:  ’’Der  grosse  Tupi-  oder  Guaranistamm  ist  über  die  ganze  östliche  
 Küste  von  Südamerika  verbreitet  von  der  Mündung  des  Platastromes  oder  von  der  Mündung  des  
 Uruguay,  welcher  sich  in  denselben  ergiesst,  bis  zur  Mündung  des  Amazonenstromes. ^  Wahrscheinlich? 
   dehnt  er  sich,  wie  A zara  annahm,  bis  nach  Guiana  aus.  Die  meisten  Schriftsteller nehmen an,  
 dass  der  grösste  Theil  von  Brasiliens  Ureinwohnern  aus  Stämmen besteht, Welche mit den Guaranis  
 verwandt  sind.  Weiter  südlich  kennen  wir  jedoch  diesen  Stamm  noch  besser.  Man  kann  nämlich  in  
 dieser  Richtung  denselben  bis  zum  16.  Grad südl.  Br.  verfolgen,  und  selbst  bis Montevideo  und bis  an  
 den  Platafluss.  Ueber diese Länderstrecke  war der Stamm an mehren verschiedenen Punkten zerstreut.  
 Er  hatte  bei  Buenos  Ayres  einen  Theil  von -^Ysidro  und  die  Inseln  in  Parana  inne.  Am  oberen  
 Paraguay,chatte  er  sich  fast  über  den  ganzen j$qentralen  Theil  des  Continents  ausgebreitet;  in  ;der  
 Provinz  Chiquitos,  in  Chaco  hatte  er  sich  bis  zum  Östlichen  Fusse  der  Andes  ausgedehnt  und-  sich  
 in  den  Thälern  dieser  grossen  Bergkette  verbreitet.  Er  hatte  vor  der  Regierung  des  berühmten  
 Eroberers  Inca  L loque  Y u pa nqu i  grosse  Districte  dieser  Landstriche  inne.”4)  An  anderen  Stellen  
 werden  di#! Guaranis  in  Corrientes,  Bolivia,  Neu-Granada und  anderen Ländern erwähnt.  In  meiner  
 Beschreibung  ter  Guaranischädel  in  der  Kön:  Akademie  der  Wissenschaften5)  habe  ich  zu  zeigen  
 gesucht,  dfCSs  die  Aymaras  in  Peru  ebenfalls  vom  Guaranistamme  sind.  Wir  haben  im  Museum  
 des  Carolinischen  Instituts  zwei  vollständige  Mumien  von  Aymaras.  Ihre  Schädel  sind ganz  gleich  
 den  Schädeln  der  Guaranis;  wahrscheinlich  sind  Morton’s   ’’Ancient  P e ru v ian s”  und  die  sog.  
 Huanchas  (T schudi)  auch  vom  Guaranistamme,  obgleich  ihre  Schädel  offenbar  durch  Druck  so  
 unförmlich^lang  geworden  sind.  Bekanntlich  trägt  ein  brasilianischer  Guaranistamm  den  Namen  
 ’’Aymores.” 
 1)  A.  a.  O.  pag.  236. 
 2)  A.  a.  0 .  PI.  LXIV. 
 3)  Tijdschrift  voor  de  Wis-  en  Natuurkundige  Wetenschappen  uitgegeven  door  de  Eerste  Klasse  van  het  Kon.  Ned.  Instituut.  
 Deel  V.  p.  36. 
 4)  Researches  into  the  physical  history  of  Mankind. 
 5)  S.  o.  Abhand.  XVIII.