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Bemerkungen über Schädel von Guarani-Indianern
aus Brasilien. ^
D e r Professor der Anatomie an der medioinischen Schule zu Bahia (San Salvador) in Brasilien,
Dr. J onathan A b both , hat dem Carolinischen Institute mehre Sehädel von Indianern aus den Bahia
zunächst liegenden Gegenden zugeschickt und überdies von Zeit zu Zeit werthvolle Schädel von
andern brasilianischen Indianern verehrt.
In einem mitfolgenden Briefe, äussert Dr. A b b o t h : ’’Die in den Gegenden zunächst Bahia,
wohnenden Indianer sind sogenannte ’’zahme Ureinwohner”, welche nicht strenge in Kasten getheilt,
sondern vermuthlich eine Mischung von mehren einander verwandten Stämmen sind. Etwas weiter
entfernt leben die Tapuios, ein wilder, raubgieriger, nomadischer Stamm. Die ansässigen Einwohner
sind oft ihren Streifzügen ausgesetzt, und müssen sich beständig im Vertheidigungsstande gegen ihre
Ueberrumpelungen halten. Wo sie irgend können, tödten sie die Einwohner, nehmen mit, was sie
fortbringen können, und zerstören und verbrennen das Uebrige. Nicht weit von denselben Gegenden
leben auch die Botokuden, bekannt als Menschenfresser und durch ihre sonderbare Gewohnheit,
in die Unterlippe und die Ohrläppchen grosse hölzerne Scheiben als Merkmale der Auszeichnung
einzusetzen.” Ein dritter Stamm, dessen A bboth erwähnt, sind die Kamakans, ein friedfertiges,,
gelehriges, abergläubisches und argwöhnisches Volk, welches ebenfalls den Gegenden um Bahia
angehört.
Die hieher gesandten Schädel von Tapuios haben Individuen eines Trupps solcher Indianer
angehört, welche vor zwei Jahren zu einer Plantage herabgekommen sind, um zu plündern. Sie
wurden jedoch bei Zeiten mit scharfen Schüssen empfangen, durch welche ihrer sechs stürzten.
Ihre Köpfe wurden nach Bahia in den anatomischen Saal gesandt, und fünf von ihnen dem hiesigen
*) Öfversigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar 1849 p. 142: Cranier a f Guarani-Indianer fr&n Brasilien.
Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, herausg.. von Joh. Mülleb 4 ^ 4 9 p. 543. Aus d. Schwed.,
von F. C. H. Creplin.
anatomische^ Museum verehrt. Da bisher der Schädelbau dieser Indianer nicht erforscht worden
ist, so dürfte er hier etwas genauer darzulegen sein.
a) Schädel der Tapuios. * *) Sie sind alle lang keilförmig-länglich, mittelgross oder etwas darunter,
die Coronal- und Basilarumrisse fast gleich gross, die Schädel Tm Verhältnisse zur Länge hoch, von
den Seiten fast etwas zusammengeknilfen. Stirn an allen ziemlich niedrig, aber gewölbt; Schläfen
flach; Scheitelhöcker stark, weiter nach hinten liegend als die Processus mastoidei; Hinterhaupt lang,
schmal, mit stark herausstehendem Hinterhauptshöcker; Receptaculum cerebelli klein, horizontal gestellt;
Lineae semicirculares superiores markirt, sich in der Mitte in einen langen, spitzen, erhöhten
Winkel vereinigend, welcher eine kurze, zipfelförmige Zustutzung zu einem Hinterhauptzacken
(Protuberantia occipitalis) bildet. Die Processus mastoidei sind ziemlich gross, Ohrenöffnungen ungemein
gross, rund, trompetenförmig, etwas nach unten gewendet und weit tiefer, als bei Europäern
im Allgemeinen. Basis cranii ziemlich flach; Corpus ossis sphenoidei und Pars basilaris ossis occipitalis
flach, sehr wenig aufwärts steigend; Gelenkknöpfe des Hinterhauptbeins klein und wenig
herausstehend. Die Pyramiden der Schläfenbeine füllen auf eine ungewöhnliche Weise die ganze
Kluft zwischen den Keilbeinflügeln und dem in der Mitte der Basis cranii aus den vereinigten Körperstücken
des Hinterhaupt- und Keilbeins zusammengesetzten Keile, eine stark ausgeprägte Furche
für die Tuba Eustachiana bildend. Gefäss- und Nervenlöcher in der Basis cranii an den meisten
klein. Die Stelle zu beiden Seiten unten, welche den Boden für die Lobi medii oder selbst die Lobi
Hippocampi ausma,cht, und an deren Aussenseite gemeinhin das Jugum sphenoidale liegt, geht ungewöhnlich
weit hinab und ist auch an den Seiten mehr als gewöhnlich angeschwollen. Scheitel theils
gewölbt, theils bei zwei Individuen in der Mitte zu einem gerundeten Rücken erhöht. *.An einem
Individuum ist noch die Sutura frontalis vorhanden. Tubera frontalia nicht ausgezeichnet; Tubera
supraciliaria sehr schwach ausgebildet, Glabella an drei Specimina glatt, convex, an zweien mit
etwas stärkeren Augenbraunenhöckern etwas concav; äussere Augenhöhlenfortsätze ziemlich stark
herausstehend; Ebenen der Schläfenmuskeln sehr gross, die bogenförmigen, sie oben begrenzende^
Linien hoch gegen den Scheitel zu aufsteigend, und sich weit nach hinten zum Hinterhaupt erstreckend;
Nasenbeine kurz, klein und platt liegend, Nasenöffnung klein, an vier Specimina nach oben gerundet,
breit, stumpf, im Ganzen gegen die Breite niedrig und mehr rund als bimförmig, wie bei den Negern;
Nasenzacken klein; Orbita gross, viereckig, der untere äussere Winkel herabgedrückt; Wangengruben
flach; Jochfortsätze gross; Wangenhöcker herausstehend; Jochbeine gross; Jochbrücken etwas heraus-
. stehend; Oberkiefer etwas vorspringend; beide Flügel des Alveolarfortsatzes fast parallel; Bogen
nicht weit, der vordere Theil ziemlich stark nach vorn gerichtet; Zähne mittelgross; Gaumen Wölbung
wenig tief. Unterkiefer ziemlich stark, niedriger, als im Allgemeinen bei den Europäern, hintere
Winkel eben so, mehr herausstehend mit starken Erhabenheiten zur Anheftung der Masseteren; Kinn
vorstehend, wie im Allgemeinen bei den Amerikanern.
Masse nach der Mittelzahl.2)
Länge............................................................................................................... 0,190
Stirnbreite ............................................................................................... 0,093
Hinterhauptsbreite (grösste zwischen den Scheitelhöckern) .. . ... • . • 0,133
x) Ein solcher Schädel ist Fig. III PI. II abgebildet.
2) Nach der von dein Verfasser bei anderen Schädelformen angewendeten Methode, das Verhältniss zwischen der grössten Länge
und Breite, nach den Mittelzahlen berechnet, anschaulicher zu machen, ist dieses hier 1000: 700. Herausg.
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