A var en die hinterlistigsten und unglückbringendsten von allen uralischen Völkern ; er führt aus
N estor an, dass sie hochgewachsen und stolz waren, die Weiber als Zugvieh vor Fuhrwerke spannten
u. s. w., dass Gott sie aber bis auf den letzten Mann vernichtet habe. — Die R ussen sollen noch
sprüchwörtlieh sagen: ’’Die oder Jene sind vergangen, wie die Obren (Avaren), ohne Erbe und Erben.”
Dies bezieht sich, meint man, auf eine pestartige Epidemie, welche irgend einen kleinern Zweig des
in Rede stehenden Volkes vertilgt habe. Indessen giebt es noch mächtige Stämme der Avare n im
Kaukasus, wo sie bedeutende Landstrecken inne haben und an dem Verteidigungskriege gegen die
Russen tätigen A nteil nehmen; es ist noch zu erforschen übrig, in wie fern diese A varen
dieselbe Schädelform besitzen, wie die vormaligen europäischen. Aus dem vorgezeigten Schädel
konnte man schliessen, dass dies Volk zu den Gentes brachycephalae orthognathae oder zu derselben
Klasse, wie die Türken, Sla v en , Finn en u. s. m. gehörte. Die ethnographischen Charaktere
des Schädels sind: Hinterhaupt kurz (Diam. fronto-occip. 0,170), hoch (D. occip. Vertical. 0,157);
eine senkrechte Linie von dessen oberstem durch die Tubera parietalia gebildeten Theile herabgezogen
fällt weit hinter den Theil des Hinterhauptbeins, auf welchem sich die bogenförmigen Linien
befinden. Die grösste Breite (0,137) fällt dicht über die Höhe der Schuppeimäthe der Schläfenbeine.
Das Stirnbein, ungewöhnlich hoch und sehr abschüssig, hat auf der Mitte (2" über den
Augenbraunenbögen) eine querüberlaufende Vertiefung und gleich über dieser einen ebenfalls querlaufenden,
stark erhöhten Höcker; zwischen diesem und den Scheitelhöckern läuft wieder eine querüber
gehende Vertiefung, welche die Vereinigung der Pfeil- , und der Kranznajfch grifft. Die Jochbögen
sind klein, wenig hervorstehend, die Alveolarfortsätze des Oberkiefers klein, iothrecht; die vorderen
Oeffnungen der Augenhöhlen rhomboidal, der Gaumen gut gewölbt, die Masioidalfortsätze klein.
E dwa r d s d. Ae. hat nach Mo r r e n 1) erklärt, dass die vom Grafen B r euner bpi Krems gefundenen
Schädel mit denen der Karaiben und Vormaligen Chilenen übereinstimmend E dw a r d s hat dabei
übersehen, dass sowohl die Schädel der Karaiben als der vormaligen Chilenen, denen der Avaren
entgegengesetzt, ein besonders weit herausstehendes Hinterhaupt, und so auch herausstehende Kinnladen
besitzen, wonach diese Völker in eine ganz andere Klasse einzureihen sind. Sie gehören nämlich
zu den Gentes dolichocephalae prognathae. E dwa r d s hat sich an die zurückgedrückte Stirn gehalten,
welche auch die genannten Amerikaner auszeichnet. Bei den Karaiben ist dieser Eindruck künstlich,
und man vermuthet, dass dasselbe der Fall bei den ehemaligen Chilenen sei, was Hr. R etzius
indessen bezweifelt. Man möchte auch rücksichtlich der Avaren die Frage aufwerfen, ob nicht die
Schädel durch Hülfe künstlicher Mittel ihre wunderliche Form angenommen haben; wäre dies:aber
der Fall gewesen, so würde es gewiss von den slavischen Annalisten nicht unerwähnt geblieben sein.* 2 3 *)
Die beiden Czechen-, wie die beiden Polenschädel, welche sämmtlich vorgezeigt wurden, Hessen
dieselben Formen erblicken, welche Hr. R et z iu s als den grossen slavischen Volkstamm charakterisirend
beschrieben hat.8) Derselbe, hatte im vergangenen Uahre die Bildung der Hirnschale eines herumwandernden
Slovaken aus Ungarn untersucht und auch bei dieser Gelegenheit die Richtigkeit seiner
Angaben von der slavischen Schädelform in der genannten Abhandlung bestätigt gefunden.
*) Mém. sur les Ossemens humains des Tourbières de la Flandre, Gand 1832.
2) Gestützt auf spätere Forschungen und den nachgewiesenen Zeugnissen aus Hippokrates und Strabo erklärte sich'der Verf.
späterhin entschieden für die Ansicht, dass die Schädelform dieser Avaren durch künstliche Umformung entstanden ist.
S. U. seine Abhandlungen: Beurtheilung der Phrenologie von anatomisch-ethnologischem Standpunkte aus; Ueber die künstlich
geformten Schädel der alten Wel^. iind : Blick auf den gegenwärtigen Standpunkt der Ethnologie etc. Herausg.
3) S. o. Abhandl. I. Ueber die Schädelformen der Nordbewohifeis, '
I H .
•Y Ueber
die Form des Knochengerüstes des Kopfes bei
verschiedenen Völkern.1)
on allen Abteilungen^, der Naturgeschichte ist die Kenntniss vom Menschengeschlechte die am
wenigsten erforschte^ Einerseits zeigen die verschiedenen Menschenracen so grosse Verschiedenheiten,
dass man versucht wird, dieselben als getrennte Arten eines Geschlechtes zu betrachten, andrerseits
können' keine anwendbaren Charaktere aufgestellt werden, die ein solches Verfahren rechtfertigen
würden. Man hat daher sogenannte MenscbMgeschlechts-Varietäten oder Volksracen angenommen;
aber man hat weder einen vollkommen sicherfi£Begriff von dem, was man unter dem Worte Menschen-
race verstehen soll, feststellen, noch bestimmen können, welche diese Racen sind. L inné sowohl,
wie B lumenbach, theilte die Racen nach den Weltteilen ein. L inné, der weder Malayen, noch
andere Bewohner der Südsee kannte, nahm nur vier an, B lumenbach fügte noch eine fünfte hinzu.
Nach ihm hat fast jeder Schriftsteller, welcher den Gegenstand behandelt hat, irgend. eine^Jeränderung
getuscht, und manche haben ganz eigene, neue- Aufstellungen geliefert, von denen bei näherer Prüfung
doch keine Stand hält.
Im Allgemeinen hat man sich bei der Aufstellung an Farbe, Haar, Gesichtszüge, Körpergestalt
und Sprache gehalten. Es ist Jeicht zu begreifen, wie schwer und fast unmöglich es sein muss,
genaue Vergleiçhungen zwischen den verschiedenen Racen und Völkerstämmen in allen diesen Verhältnissen
anzustellen, da es zumal in der Natur der Sache liegt, dass die Gegenstände nicht zur
Vergleichung und Untersuchung gesammelt und wie andere Naturprodukte in den Museen zusammengestellt
werden können. B lumenbach war derjenige, welcher zuerst dadurch einen anderen und
sicherem Weg einschlug, dass er Schädel verschiedener Nationen sammelte, und es sind seine guten,
im LiNNÈiséiien Geiste verfassten Beschreibungen mit den dazu gehörenden Abbildungen, welche,
*) Forliandlinger ved de Skandin. Naturforsk. fjerde Mode i Christiania Julians,44 pag. 33. Offentligt föredrag (öffentlicher
Vortrag): Om formen o f hufmidets benstomme hßs^phka folkslag.
Archiv für Anat., Physiol., und wissenschaftl., Medi^jstfausg. von Joh. Müller 1848 pag. 263. Aus d. Schwed. von W. Meves.