enthoben, dass der bei Grafenegg gefundene Schädel einem Individuum der einstmaligen Bewohner
des Landes ängehört hat. F it z in g e r hat nicht allein die wichtigeren diesen Schädel betreffenden
Umstände erörtert, sondern auch einen ganz ähnlichen von Atzgersdorf, ebenfalls in (Nieder-) Oesterreich,
Meilen von Wien, erhalten, welcher dort im Beisein des Orts-Arztes, Dr. Mü l l e r , ausgegraben
worden war. Sowohl dieser Schädel, als auch das Original des erstgenannten, befinden sich jetzt
im kaiserl. anatomischen Museum in Wien.
Der Verf. bespricht die Aehnlichkeit zwischen diesen Schädeln und den in der Krim gefundenen
und von den Herren R a t h k e und K a r l M e y e r beschriebenen. Er citirt H ip po k r a t e s ’ Angabe *)
von den s. g. Macrocephali oder den Scythen in der Nähe des mäotischen Sumpfes» welche
künstlich geformte Hirnschalen hatten. Ferner wird P ompo n iu s M e l a * 2 3) citirt, welcher angiebt, dass
die Sitte, die Gestalt des Kopfes künstlich zu verändern, bei den Einwohnern um den Bosporus
existirt habe; P l in iu s d. Ä ., welcher Macrocephalen unter den Einwohnern in der Nähe von Ceresus,
dem^ jetzigen Keresun am Schwarzen Meer in Natoliën erwähnt; wie auch S t e ph a n u s B y za n t in u s 8),
welcher von diesen; macrocephalischen Scythen unter den Bewohnern von Kolchis, dem jetzigen
Mingrelien an der östlichen Seite,des Schwarzen Meèrs, spricht. Er erwähnt auch auß S t r a b o 4)
der Derbicken am Kaukasus gegen das Kaspische Meer hin, und der Sigynnen, medischer Colo-
nisten, welche im Donauthale am Isterflusse gewohnt haben sollen, als Volksstämme, welche die Gewohnheit
gehabt haben, den Kopf so umzuformen, dass die S%n herv^rgeschoben ward.
^ Der geehrte Verf. erwähnt auch eines andern merkwürdigen Umstandes in Bezug auf die
Beschreibung dieser Schädel, nämlich einer Medaille von unbekanntem Ursprünge, vorstellend die
Zerstörung der Stadt Aquileja durch A t t il a . Die Vorderseite dieser Medaille zeigte A t t il a ’s Bild
im Profil unter derselben Gestalt, wie die hier erwähnten Avarenschädel. Dieselbe Medaille in
Gold existirt auch im königl. Münzcabinet zu Stockholm, wo ich durch die Gewogenheit des Herrn
Reichsarchivars H il d e b r a n d Gelegenheit bekommen habe, sie zu sehen und der Aeusserung des
Herrn Dr. F it z in g e r beizustimmen.
Neben diesen wichtigen Erläuterungen, betreffend die eigentümlich geformten Avarenschädel,
enthält diese gründliche Abhandlung auch eine genauere Untersuchung der im Calvarienberge im
Wiener Walde gefundenen Menschenschädel, welche vom Grafen R asoumovsky als eine eigene Form
darstellend beschrieben worden sind 5), und welche ich in meinem erwähnten Vortrage nach unrichtiger
Vermuthung als in der Form mit den Avarenschädeln übereinkommend dargestellt habe*- Dr.
F it z in g e r hat sich Gelegenheit verschafft, dieselben zu untersuchen und zeigt, dass sie die slavische
Schädelform besitzen. Die äusserst gründliche und gelehrte Abhandlung wird durch vier schön ausgeführte
Tafeln erläutert, von denen zwei die Avarenschädel und zwei die letztgenannten slavischen
Schädel vom Calvarienberge vor Augen legen.
Eine völlige Uebereinstimmung mit den oben erwähnten Avarenschädeln zeigen Zeichnungen
eines in der Schweiz gefundenen Schädels, welche Hr T royon m i r i zugesendet hat, die hier, *äuf
ejn Viertel ihrer Grösse reducirt, copirt mitgetheilt werden.
*) De aëre, aquis et locis, Lib. I.
2) De situ orbis^fLib. I Cap. 19.
3) Geographica.
*) Lib. XI Cap. 11.
5) Oken’s Isis 183$f»p. 157.
Das Original wird in des Heihn T royon archäologischen Sammlungen auf seinem Lähdgute
Bel-air bei Lausanne im Canton Waadt aufbewahrt. Der Schädel wurde am Boden eines Grabhügels
von sehr hohem Alter gefunden; Zierrathen oder Gerätschaften fanden sich in seiner Nähei nicht
Unter mehr als zwei hundert Grabhügeln, welche Hr. T roy o n in der Nähe untersuchte, war jener
der einzige seiner Art.
Herr T royon theilte bei^derselben Gelegenheit auch Nachricht von mehren solchen Schädeln
mit, welche bei dem Dorfe St. Romain in Savoyen in ähnlichen Grabhügeln ebenfalls ohne beiliegende
Zierrate und Gerätschaften gefunden worden waren. Sie waren so schadhaft, dass sie kurz nach
dem Herausnehmen zerfielen. Es gelang indessen einen Oberteil z^erhalten, welchen der Dr. GossE
in Genf besitzt. Eine Zeichnung desselben im Viertel seiner Giesse kann ich ebenfallsiin Folge
der Güte des Herrn T roy o n hier mittheilen.
Es scheint keinem Zweifel unterliegen zu
können, dass diese Schädel demselben Volke
a. Sutura coronalis.
b. » sagittalis.
. C o. » lambdoidca.
e. Tuber supraorbitale.
f . » parietale.
g. Pars squamosa ossis
occipitis.
h k h. Grosse Lücke an der
rechten Seite durch
die weggefallenen
Schläfentheile.
angehört haben, als die österreichischen Ava-
ren, welche wahrscheinlich im Gefolge von
A t t il a ’s Heer gewesen sind.
Hiermit im Zusammenhänge dürfte es auch
angeführt zu werden verdienen, dass Prof.
D u v ern o y in Paris eine Zeichnung und Beschreibung
eines hohen, brachycephalisehen
Schädels von sehr hohem Alter mitgetheilt
hat, welcher i. J. 1849 nicht tief unter der
Erdoberfläche beim Graben zum Zweck einer
Weglegung im Doubsthale, unfern von Mandeuse, gefunden worden ist. . Pröf. D u v ern o y äussert
selbst die lUeberzeugung, ’’dass derselbe Einem* von A t t il a ’s Kriegsleuten angehört” habe, da in
jener Gegend die Ruinen einer alten von A t t il a zerstörten römischen Stadt existiren. Er hat vollkommen
die Gestalt eines finnischen nicht gepressten Schädels.
Welches Erstaunen verursachten nicht die missgebildeten Hirnschalen der Huänchas-Indianer,
welche P en t la n d von Titicaca in Peru mitbrachte! Welches Erstaunen verursachten nicht die vielen
vergfchiedenen künstlich gemachten Scliädelfonmen, die durch M o rto n ’s Werk ’’Crania americana” bekannt