Aus* dem Umstande, dass sich bei dem in Rede stehenden Skelette nur ein Metallstiick unter
dm feuersteinernen Waffen fand, lässt sich schliessen, dass Britanniens alte Bewohner zu jener Zeit
nicht lange mit den PhÖniciern in Verbindung gestanden hatten, dass das Metall zu der Zeit in
Britannien in hohem Werthe s.tand, und dass die begrabene Person von hohem-Range gewesen ist.
Der metallene Dolch war so fein gearbeitet, dass er mit Sicherheit als ausserhalb Landess-verfertigt
betrachtet wird, indem die ältesten britischen metallenen Waffen sehr plump und grob gearbeitet
waren. Henry1) nimmt an, dass die Phönicier um das Jahr 600 v. Chr. G. angefangen haben die
britischen Inseln zu besuchen, Williamson dagegen, dass dies ein Jahrhundert später geschehen sei,
und er rechnet weiter, dass die Einführung von Metall durch die Phönicier schon 200 Jahre hindurch
Statt gefunden habe, als die hier in Rede stehende Person begraben worden sei, wonach er
denn das ungefähre Alter des Grabes auf 2200 Jahre ansetzt.
Dass das Skelett und die übrigen Gegenstände von organischer Substanz sich während einer so
langen Zeit so gut haben erhalten können, ist dem Einflüsse des Gerbestoffes in dem eichenen Stamme
zuzuschreiben, welcher lange aufgelöst gewesen ist in dem Wasser, das in die Aushöhlung hineingesickert
ist und auf deren organischen Inhalt als ein Einbalsamirungsstoff eingewirkt hat.
Hr. Williamson schliesst aus der geringen Grösse der ^Pfeilspitzen und des Dolches, dass sie
zur Jagd und nicht als Kriegswaffen angewandt worden seien. Er citirt für diese Ansicht F osbroke,
welcher mit Hinsicht auf Fünde in alten Familiengräbern sagt: ’’Arrowheads denote the hunter.”
Uebrigens nimmt er an, die Person sei ein brigaiitischer Häuptling gewesen. P richard hat den
Schädel rubricirt: ’’Skull of ancient British Chief of the Brigantian tribe.” Ich habe geglaubt, diese
Angaben von Williamson hier änführen zu müssen, um die seiner Schrift entlehnten Gründe vor
Augen zu legen, welche dafür zu sprechen scheinen, dass der fragliche Schädel einem Häuptlinge
der ältesten Bewohner Englands angehört habe. Aus welchem Völkerstamme diese gewesen seien,
ist eine Frage, zu deren Beantwortung die englischen Schriftsteller wenig Anleitung geben. Englands
wie Frankreichs Historiker, Archäologen und Ethnologen sehen im Allgemeinen die celtischen
Völker als die ältesten an. Dass indessen die C eiten lange, oft sehr niedrige und schmale Hirnschalen
gehabt haben, findet man schon an mehren Stellen in P richard’s Werken angedeutet; spätere
Untersuchungen von Nilsson, mir selbst u.. M. an einer Menge von Individuen und Schädeln aus
dem celtischen Stamme haben jenes bestätigt. Als ein besonders wichtiger Beitrag in dieser Hinsicht
dürften auch die vielen aus uralten Gräbern in Dänemark gesammelten Hirnschalen von ovaler
Form mit langem Hinterhaupte zu erwähnen sein, welche in dem reichen Museum für die nordischen
Alterthümer zu Kopenhagen bei der Naturforscherversammlung im Jahre 1847 vorgezeigt wurden.
Diese Schädel wurden fast einstimmig als den nordischen Celteh, den Cimbrern, angehörig betrachtet.
Ich habe späterhin Gelegenheit gehabt, wiederum mehre ganz ähnliche vorzeitliche Schädel
aus Schweden, besonders von Öland, zu untersuchen, und bin mehr und mehr überzeugt worden, dass
sie Cimbrern angehört haben, welche unfehlbar in nicht geringer Menge in unserm Lande wohnten.
Stellt man hiermit P richard’s Aeusserung in dem oben angeführten Briefe* 2 3) zusammen, dass er aus
dem nördlichen England Schädel von fast gleicher Breite und Länge und von runder Form erhalten
habe, und die nach seiner Meinung Britten angehört haben, so möchte Grund zu der Annahme
Statt finden, dass der hier in Rede stehende Schädel, obzwar vermuthlich von einem der ältesten
’) History of Great Britain.
2) Ofversigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar 1848 p. 71.
Bewohner des Landes, doch kein celtischer sei, und dass Jig Celten nicht die ältesten Einwohner
Englands waren, sondern dass dessen Aborigines einem andern Völkerstamm angehörten. Welcher
war denn aber dieser Völkerstamm? Diese Frage ist bereits so gut, als beantwortet von N il s so n ,
R ask, R uJ)OLF K ey ser und zum Theil auch von mir.
N ilsson sagt in seinem Werke über die Ureinwohner Skandinaviens’): ’’Das Volk, von welchem
die Lappen die letzten, nach abgelegenen wilden Gebirgsgegenden verdrängten Ueberbleibsel in
unserm skandinavischen Norden sind, hat somit in der grauesten Vorzeit nicht bloss die südlichen
Theile dieses Landes (Schwedens), sondern auch das übrige nördliche und westliche Europa, Dänemark,
Nord-Deutschland, die englischen Inseln und auch einen Theil von Frankreich u. s. w. bewohnt.”
An einer andern Stelle desselben Werkes *) führt er auf Veranlassung von T hierry’s Aeusserung an,
dass die Cimbrer nach ihrer ersten Ankunft in England das Land von wilden Jägern erobert haben:
”Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es ein und derselbe wilde Stamm war, von welchem die
Cimbrer England, und von welchem die Abkömmlinge derselben Cimbrer das südliche Schweden
eroberten.”
A r n d t , R ask und R u d olf K ey ser haben auf die Verwandtschaft zwischen den Tschuden des
Nordens und den Iberiern oder Basken des Südens hingewieSen, wenngleich A r n d t , wie mehre
Andere, hierbei auch etwas die Celfen mit eingemischt hat, welche man jetzt als dem tschudischen
Elemente fremd dürfte ansehen können. K eyser’s vortreffliches Werk8), enthält hierüber eine besonders
interessante Stelle, welche wohl den Historikern, aber wenig den Ethnologen, bekannt
sein dürfte.
’’Betrachten wir”, sagt er, ’’mit der Geschichte als Wegweiser die Verhältnisse in Europa, so
entdecken wir in dessen äussersten Enden zwei Volksstämme, welche dort seit undenklichen Zeiten
ihre Heimath gehabt haben, die Iberier im Südwesten und die Finnlappen im Norden. Von jenen
treffen wir jetzt nur noch ein unbedeutendes Ueberbleibsel an, nämlich die Basken (sie selbst nennen
sich Euskaldunan) in den pyrenäischen Berggegenden. Die Finnlappen wandern bekanntlich weit
■ zerstreut umher im nördlichsten Norwegen, Schweden und Russland. Ueber die Entstehung und
Einwanderung dieser beiden Volksstämme weiss die Geschichte nichts zu berichten. Die Sprache
der Finnlappen zeigt es hingegen deutlich, dass das Volk zum turanischen Geschlechte gehört; und
die Basken geben Grund zur Vermuthung, dass dasselbe der Fall mit den Iberiern gewesen ist
(Rask’s Saml Afh., Th. I., S. 1; Th. H., S. 369). Dass die grossen Bewegungen in Hoch-Asien
zuerst die turanischen Familien angetrieben haben, sich nach dem Westen zu begeben, ist auch
zufolge der Ursache dieser Bewegungen ganz annehmbar. Beide Völkerstämme haben sich erweislich
in der alten Zeit weiter erstreckt, als jetzt, indem nämlich, selbst in einer geschichtlichen Zeit, die
Iberier über die ganze pyrenäische Halbinsel, einen grossen Theil von Frankreich (das ganz§.
Aquitanien nebst dem Küstenlande längs des Mittelmeers), und den nordwestlichen Theil Italiens
(Ligurienj)|ADELUNG’s Mithridates, 2. H., S. 9—12) verbreitet gewesen sind, und die Finnlappen
im nördlichen und innern Theile des jetzigen Finlands umhergestreift haben. Es ist also Grund
zu der Annahme, dass diese Volksstämme, und vielleicht andere jetzt verschwundene, ihnen nahe
verwandte, sämmtlich vom turanischen Geschlechte, die ältesten Bewohner von ganz Europa gewesen
’) Skandinaviska Nordens Ur-inv&nare Cap. II p. 12.
2) A. a. O. Cap. V p. 3, Anm.
3) Om Nordmtendenes Herkomst og Folkeslsegtskab, Christiania 1839.