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Ueber Schädel der ältesten Bewohner Frankreichs.^
H e r r E ugène R obebt in Paris sandte mir gütigst im Jahre 1846 nebst brieflichen Mittheilungen
über die Ausgrabungen, welche er mit dem Herrn S e bkes hn Herbste 1845 zu Meudon bei VersaillÄ
vorgenommen hatte, einen Schädel aus Marly in derselben Gegend und von derselben Art, als andere'
bei Meudon gefundene, von denen sogleich .die Rede sein wird.
Beim Schlosse Meudon nämlich fand sich ein schlechter, unebener, fast unbefahrbaren: Weg, in
dessen Oberfläche sich Ecken von flachen Steinstücken, ferner Knochenröhren-von Thieren und
Mönschenygund auch Stücke von Schädeln zeigten. Im Sommer und Herbste des Jahres 1845 wurde
ein Umbau dieses Weges vorgenommen. Da man während der Arbeit auf mehre merkwürdige FUndè
gestossen war und diese die Aufmerksamkeit des Hrn. R obbet auf sich gezogen hatten, so begab er
sich in Begleitung des Hrn. S e b b e s und Mehrer nach der Stelle hin und verzeichnete und untersuchte
das beim Graben Vorgefundene. Man traf bei demselben Knochen an von etwa zwei hundert
Menschen-Individuen verschiedenen Geschlechts und jedes Alters, von Fötus im sechsten oder siebenten
Monat an, ferner eine Anzahl grosser Steinstücke, welche, wie man meinte, auf anderen Steinen als
Pfeiler geruht haben mochten, ein Steinstück, welches eine runde Aushöhlung, eine Rinne und einige
durchgehende Löcher besass, und als einem celtischen Opferaltar angehörfg'gewesen betrachtet wurde,
mehre Thonurnen, eine Menge steinerner Geräthschaften, bestehend aus'’Beilen, Spiessen und Lanzenspitzen,
Armbänder von Stein, mehre Gegenstände aus Knochen, durchbohrte Dachszähne, welche
einer Halskette angehört zu haben schienen, eine Hirschhornspitze, die, wie man meinte, als Haarschmuck
gebraucht worden war, ein kleines Bronzestückchen, wahrscheinlich als Münze benutzt,
endlich Dachziegel, von denen man vermuthete, dass sie aus einer spätem (römischen) Periode her-
ruhrten. Die Menschenschädel gehörten zwei verschiedenen Racen an, welche beide für celtische
gehalten wurden. Hr. S e b b e s nennt die eine ’’type Kymri,” die andere ’’type Gail.” Die erstere
kam naher an der Oberfläche vor, die andere, mit dickeren, grau-schieferfarbenen Schädelknochen,
i Öfveraigt af Kongl. Vetetfskaps-Akademiens lörlaudlmgar 1847 p. 27: Om cramer a f Frmhikes äldsla imeväaare.
C V ur Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, herausg. von Joh. Möller 1847 mag. 499. Aus d Schwed
von F. 'G. H. Creplin.
tiefer unter der erstem. Ueber die verschiedene Form dieser beiden Arten von Schädeln kommt
im Berichte nichts vor. *)
Der von Hrn. R ober t hierher gesendete Schädel* 2 3) ist klein, rund, und seine Wände sind nur
von gewöhnlicher Dicke. Dass er von derselben Beschaffenheit ist, wie einer der beiden bei
Meudon gefundenen, schließe ich aus seinem Briefe an mich, in welchem es heisst: ”Celui-ci vient
de Marly le Roi, oü je l’ai reoueilli tont röcemöient dans un monument identique avec celui de
Meudon.”
Die Hirnschale, von oben angesehen, zeigt einen kurz keilförmigen, eirunden Umriss (forma
cuneato-ovata), dessen Länge nur um ungefähr £ die grösste Breite übertrifft. Die Stirn ist schön
gewölbt, ihr Vordertheil steigt beinahe lothrecht hinab und trägt die kleinen Stirnhöcker nahe bei
einander; die hinteren Schläfengegenden zwischen den Scheitelhöckern und den Warzenfortäätzen sind
ansehnlich gewölbt; die Scheitelhöcker gerundet, ziemlich hoch gestellt; der Scheitel ist etwas, doch
nicht bedeutend, gewölbt. Die Spitze der Lambdanath ist hoch gestellt; die Hinterhauptsfläche der
Scheitelbeine ziemlich steil abschüssig, das Hinterhaupt gerundet. Die Warzenfortsätze sind mittel-
mässig, die Ohröffnungen von oben nach unten oval, die vorderen Schläfengegenden flach, die Gelenkfortsätze
des Hinterhauptsbeins hervorstehend. Die Augenbraunenhöcker sind mittelmässig, die Gla-
bella ist stark gewölbt und etwas über die Nasenwurzel vorragend. Die Jochfortsätze, welche abgebrochen
waren, scheinen, so wie die übrigen Antlitzknochen, von zierlicher Bildung gewesen zu sein;
der Unterkiefer ist niedrig.
? Die Ausmessungen des Marly-Schädels werden hier neben den entsprechenden Ausmessungen
eines uralten Schädels aus einem alten Familien-Grabhügel bei Stege auf Möen-) verzeichnet, von
welchem jm Jahre 1838 ein vortrefflicher Gipsabguss durch Hrn. E schricht gütigst mitgetheilt
worden ist.
Höhe des aufsteigenden Astes des Unterkiefers
klein, von rundlicher Form und zierlicher Bildung. Der in Rede stehende Schädel stimmt nicht
allein mit den von Hrn. E schricht 4) und von Hrn. N ilsson 5) beschriebene^ beiden von Stege^überein,
1
L i
Schädel v. Marly. Schädel v. ;Stege.
. . 0,168 0,168
. . 0,095 0,095
. . 0,144 0,140 * f l
. . 0,-500 0 ,494,
. . 0,135 0,136
. . 0,122.. 0,121
. . 0,060 0,061
. . 0,05.6
. . 0,030
auffallend. Beide sind ungewöhnlich
x) Aus dem ausführlicheren Berichte über die Untersuchungen dieser alten Begräbnissplätze, welche späterhin von den Herren
Serres und Robert publicirt worden sind in Comptes Rendues de 1’Acäd. d. Scienc. T. XXI geht eine beinahe völlige
Uebereinstimmung zwischen diesen altén Ueberbleibseln und den Röhrengräbern ("Gänggrifter” Nilsson) Skandinaviens hervor.
Herausg.
2) Er ist Fig. V PI. III abgebildet.
3) Ein Schädel aus diesen Grabhügeln ist Fig. II PI. III abgebildet.
4) Danskt Folkeblad V. 15 Sept. 1837..
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