Kinde, wo sie noch in ihren Säcken eingeschlossen liegen, bis zum Erwachsenen, wo sie mit langen
tiefen Wurzeln versehen sind, und wiederum bis zum Bejahrten, .bei welchem die Alveolen zusammen-
gefallen und die AlveolarfortsätzS verschwunden sind. Noch auffallender tritt dieses Verhalten bei
einer grossen Anzahl von Thieren auf/ wie beim Elephanten, dem Schweingeschlechte, dem Walross
i m., bei denen gewisse Zähne eine *so bedeutende Entwickelung erreichen, dass das Gesicht und
der grösste Theil d S Kopfes davon fast umgeformt werden. Ebenso bekannt ist der Einfluss, welchen
eine grössere oder geringere Ausdehnung der Geruchsorgane auf die Bildung des Ge|ichtes ausübt;
dasselbe gilt' auch, obwohl in geringerem Grade, Von dem Geschmacksorgan und von den Augen;
doch muss zugegeben werden, dass-flie Kinnladen bei der Gesichtsbildung die Hauptrolle spielen, besonders
da die Jochbeine nicht. Anders als wie Anfänge derselben angesehen*werden\ können. Bei den
Thieren haben die Kaumuskeln einen mächtigen Einfluss .sowohl auf die Kinnladen, als auf die
äussere Fläche des Schädels *ndvdasse')be gilt von der Einwirkung der Nackenmuskeln aufdieBil-(
düng des Hinterkopfes; aber diese Verhältnisse treten beim Menschen in so geringem-Grade hervor,
dass sie hier wenig Beachtung^Yerdiemen,
Das Profil des Gesichts beruht daher wesentlich auf der Bildung der Kinnlac^n. Unter den,
sogenannten iranischen oder indo-europäischen Völkern ist die gerade, lothrechte Profillinie sOhon
seit den ältesten Zeiten als eine Bedingung für ein edles und schönes Gesicht angesehen worden.
Diese Linie beruht wiederum auf der verhältnissmässigen Nettigkeit der Kiefer und- Jochbeine, zu
welcher auch die lothrechte Stellung der Alveolarfortsätze und der Zähne gehört. Der Gegensatz zu
dieser Gesichtsform entsteht durch die unverhältnissmässige Grösse der Kieferpartien, die mehren-
theils mit schief nach auswärts gerichteten Zahnkronen vereint ist eine Bildung, die in allen
Welttheilen ausserhalb Europa angetroffen wird und besonders allgemein ist hei den rohesten und
wildesten Völkern. Sie bildet deutlich einen Uebergang von den Thieren, zunächst den Affen, zu
der edleren Menschengestalt. Wenn sie unter Europäern gefunden wird, ist sie als eine Abweichung
von dem Normaltypus, oder als eine Zwischen- oder Bastardform anzusehen.
Ich habe angenommen, dass diese beiden Bildungen die Grundpfeiler der Hauptabtheilurigen für
die Gesichtsformen ausmachen müssen, die also auch als aus zweien bestehend angenommen werden.
Die erstere, mit gerader oder dem Geraden sich nähernder Profillinie, habe ich die orthognathische
genannt, die letztere die prognathische, eine Benennung, die P richard speciell für die schmale, länglichte
Form mit vorstehenden Kiefern, welche den Neger auszeichnet, eingeführt hat, die ich aber
auch in ausgedehnterem Sinne anwenden zu müssen geglaubt habe.
In diesen beiden Abtheilungen kommen mehre andere Eintheilungsgründe vor, z. B. Prognathen
mit breiten und' Prognathen, mit schmalen Alveolarbögen, mit länglichtem, schmalem oder mit kurzem,
breitem 'Gesichte u. s. wV,.f deren Durchführung ich jedoch verschieben muss, bis ich Gelegenheit
gehabt habe, unsere Sammlungen noch mehr zu bereichern, oder anderswo ausgedehntere Untersuchungen
anzustellen.
Ich habe daher , geglaubt, zwei Grundformen für den Schädel, die dolichocephalische und die
brachycephalische, und zwei für das Gesicht, die orthognathische und die prognathische, annéhmen zu
müssen. Eine jede der genannten Schädelformen kann mit beiden Gesichtsformen vereint sein, in
Anleitung dessen die Grundformen des Kopfes zu vier angenommen und die Völkerschaften, nach
diesen gruppirt, in Gentes dolichocephalae orthognathae und prognathae, und in Gentes brachycephalae
orthognathae und prognathae getheilt werden.
Tjj Europa finden sich Formae dolichocephalae orthognathae und brachycephalae orthognathae.
Die erstere Bildung ist herrschend in dem westlichen, kleineren, dichter bevölkerten*, durch höhere
Cultur ausgezeichneten Theile, die letztere in dem östlichen, grösseren, dünner bevölkerten, in welchem
mehre Völker auf einer niedrigeren Culturstufe steheik
Zu Europa’s Gentes dolichocephalae orthognathae
? " / Schweden,
l Norweger,
I Dänen,
j Holländer,
/ Deutsche,
gehöi en | Engländer (Celten),
] Franzosen,
I Irländer,
Schotten,
\ Belgier.
_ JJnter den Franzosen kommt ein nicht unbedeutenden Theil Gelten vor, welche sich unter den
Europäern am meisten von allerf Nationen seit den älteste#Zeiten und noch gegenwärtig durch die
Länge des Schädels, und besonders des, Hinterhaupts, anszeichnen. Heber die Schädelformen der
Spanier, Portugiesen, Ita liener undrGriechen fehlt es mir an Kenntniss; ich vesmuthe aber,
dass sie^zu derselben Abtheilung gehöi^tfs w e rd e |^ ls die eben genannten.
Was die Schweden betrifft, so ist-e^ a u ss eA lle f Zweifel gestellt, dass sie ovale Schädel haben,
mit langem Hinterhaupt und. gerader, fc«ät lothrechter Profillinie und wohl proportionirten Gesichtsformen
Dass das Verhältniss bei den Norwegern ebenso ist, habe ichfbei meinem Aufenthalte in
Norwegen diesen Sommer Gelegenheit gehabt, bekräftigt zu sehen theils du®h Betrachtung einer
Anzahl Landleute, die ich auf der Eeise antraf, und theils durch die Schädelsammlung des anatomischen
Museums in Christiania, aus welcher ich mit Erlaubniss des Vorstehers, Hrn. Dr. H e ib e bg ,
ohne Auswahl das Specimen herausnahm, welches ich hier vorlege. Dieser Schädel zeigt die reinste
dolichocephalisch-orthognathische Form. Ein anderer, von einem norwegischen Krieger aus dem
Mittelalter, den ich selbst mitbrachte, ist im Umfang etwas kleiner, aber ganz von derselben Gestalt.
Den kleinen Eindruck über dem Hinterhauptsfficker, der ziemlich allgemein »bei den Schweden
verkommt und in meinem vorigen Vortrage erwähnt wurde, habe ich bei den Norwegern nicht gefunden.
Was die celtischen Volksstämme betrifft, so hat schon Prof. N il s so n gezeigt, dass diejenigen,
welche ehemals Schweden bewohnten, besonders lange Köpfe gehabt habem Ein in Gips abgegossener
keltischer Schädel, den ich durch den Herrn Major B eamish aus London erhalten habe, ist durch
sein langes Hinterhaupt und seine niedrige Stirn ausgezeichnet; ein anderer Celtenkopf, ebenfalls
in Gips, welcher mir von Dr. W il d e in Dublin übersandt wurde, ist auch sehr länglieht, mit langem
Hinterhaupt.
Vor drei Jahren erhielt ich Besuch von einem gelehrten Franzosen, dessen Schädel meine
Aufmerksamkeit erregte. Die Stirnhöcker fehlten, die Stim bildete eine schräge, nach hinten auf-
steigende, etwas gewölbte Fläche bis gegen die Grenze des Hinterhauptes hin; das letztere war sehr
lang und gross. Auf Befragen wegen seiner Abstammung erfuhr ich, dass seine Heimath vor uralten
Zeiten von Celten bewohnt gewesen sei. Später habe ich noch zwei andere Franzosen mit derselben
Form des Kopfes angetroffen, die ebenfalls meinten, dass sie von celtischem Stamme, waren.
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