wir zu untersuchen Gelegenheit fanden, zu reihen und zu beschreiben, um wenigstens ein
Mittel allgemeiner Verständlichkeit unter den Naturforschern zu erleichtern. Unser Bemühen
ist freundlich aufgenommen, die aufgestellten Grundsätze sind näher geprüft, weiter entwickelt
orden; mehrere Naturforscher Laben ihre Aufmerksamkeit den Pflanzen der Vorwelt
zugewendet. Es scheint] uns daher an der Zeit, die Entwicklung der Pflanzenwelt einer
näheren Beschreibung zu unterwerfen und zu versuchen, ob durch Vergleichung mit der
Flora der Jetztwelt der Standpunkt jener der Vorwelt nicht genauer und bestimmter nachgewiesen
wer le. könne.
Wir wählen zu dieser Vergleichung das System der allmähligen Knospen - Entwicklung
von W i lb r a n d * 8) als dasjenige, das die Natur von ihrer beginnenden Entfaltung bis zu
ihrer höchsten Steigerung verfolgt, welches daher der Fortbildung der Erdkruste und des Lebens
auf derselben am meisten entspricht
W ilb r a n d hat für die erste Stufe der Entwicklung der Pflanzenknospe, drei Ausdrücke,
in der Steigerung der allmähligen Vervollkommnung der einfachen Fortpflanzungsknospe
angenommen.
Der erste Ausdruck auf der ersten Stufe wird dadurch versinnlicht, d a fs die F o r t p
fla n z u n g sk n o sp e v o llk om m e n e in fa ch b le ib t, o h n e a l l e r A n d eu tu n g je n e r
G eb ild e , die e in e Blume v o r b ed e u ten . Zu diesem werden gerechnet die Wasseralgen,
die Conferven, und die Tremellen, die Tangenarten (Fucus) und Ulven, und auf dem
trockenen Lande die Schwämme. Diese sämmtlichen Gebilde fehlen der ersten Vegetation,
die wahrscheinlich in einer Temperatur und unter atmosphärischen Verhältnissen der Wasser
sowohl, als der trockenen Erdkruste erzeugt wurde, die der Bildung dieser Pflanzen entgegen
war, zur Gänze. Fucus und Ulven erscheinen zuerst am Ende der Flötzformation und
in der tertiären Bildung, wo die erste Vegetation bereits erloschen, neue atmosphärische
Verhältnisse gebildet waren.
Der zweite Ausdruck auf der ersten Stufe wird durch jene Pflanzen dargestellt, in
w elch en s ich die F-o r t p f l an zu n g skn o sp e in so lch e G eb ild e th e ils a u s d e h n t,
th e ils z u s am m e n z ie h t, w elch e die k ü n ftig e n B lum e n th e ile a n k ü n d ig en .
Auf dieser Stufe erscheinen die Flechten (Lichenes), die Lebermoose (Hepaticae), die
Moose (Musci), der Bärlapp (Lycopodia) und die eigentlichen Farrnkräuter (Filices). Die
Flechten, Lebermoose und Moose, die zunächst der Schneeregion, auf verwittertem Felsgestein,
auf Baumrinden, und überhaupt mehr in kalten und temperirten Regionen, als unter
dem heissen Erdgürtel wohnen, werden als Abdrücke gar nicht angetroffen. Baumartige Ly-
copodioliten und Filiciten erscheinen in der ersten Flora der Vorwelt weit mehr, als dermalen
noch vorhanden sind; denn höchst wahrscheinlich gehören die meisten mit zierlich gestalteter
Rinde Vorgefundenen Phytoliten der Steinkohlenformation, zu erloschenen Gattungen
von Farrnkräutern. Sie übertreffen an Gröfse alle bekannten Baumartigen Farrn; sie sind das
Sinnbild einer üppigen Vegetation unter heisser Zone. — Die wenigen Farrn der späteren
Bildungen sind Zwerge gegen diese Riesengestalten; sie nähern sich ganz jenen, die auch
dermalen unter uns er m Himmelsstrich gedeihen, ob sie gleich der Art nach verschieden sind.
Der dritte Ausdruck auf der ersten Vegetationsstufe bezieht sich au f die H e r V o r b
ild u n g . s o lc h e r G ew ä ch se , w o rin n die F o rtp fla n z u n g s k n o sp e d ie E n t f a l tu
n g z u r B lü th e e r r e ic h t. Sämmtliche hieher gehörigen Gewächse stellen ihrer Natur
nach eine natürliche Familie dar, welche als die dritte in dieser ersten Stufe (als Hauptfamilie)
dieser untergeordnet ist. Die Gewächse, welche diese Familie bilden, sind die Schachtelhalm
Gewächse (Equiseta, Pilularia, Salvinia-, Marsilea, Isoetes), dann die Najaden, Hip-
puris, Chara, Cerätophyllum, Myriophyllum, Callitriche, Najas, Ruppia, Zanichellia, Lemna,
und endlich die Palmenfarren, Zamia und Cycas.
48) W ilb r a n d y Darstellung der gesammten Organisation. Giefsen 1810. Desselben
Ucbersicht der Vegetation Teutschlands. Flora \ter BcL ite Beilage 1824.
■ In de» Sehachtelhalmgewächsen entwickelt.sich die Fortpflanzungsknospe so, dafs sich
äussere Hullen, etwa als schildförmige Gebilde, von innerlichen angedeuteten Fruchtknötchen
(Germma) absondern. Diese Fruchtknötchen sind beim Equisetum mit einer angedeu-
teten,Narbe (Stigma) versehen, und mit vier angedeuteten Stauborganen am Grunde umge-
ben; diese haben aber noch'nicht die Bildung wirklicher Stauborgane. Die Fortpflanzungs-
kngspen vereinigen sich in eine Aehre, welche auf die Gräser hindeutet, und die ganze Entfaltung
der hieher gehörenden Pflanzen kündigt die demnächst .eintretende Geburt der Gräser an.
Die Palmenfarren zeigen eine ähnliche Entwicklung'der Fortpflanzungsknospe, und die
Bildung der Pflanze deutet.,auf eine Verwandtschaft mit den Palmen; diese Gewächse stehen
den Schachtelhalmgewächsen polar gegenüber.
Zwischen beiden stehen die Najaden, sowohl in der Entwicklung der Fortpflanzungsknospe,
als in der Entwicklung der ganzen Pflanze. Was die erste betrifft, so kommen jetzt
Stauborgane (Stamina). und Narben (Stigmata) wirklich zum Vorschein, aber noch undeutlich
: die Fortpflanzungsknospe erreicht demnach mit dieser Entwicklung die nächste Angrän-
zung an die vollkommene Blumenknospe, und hiemit erreicht die erste Pflanzenstufe selbst
ihre Vollendung.
Nehmen wir alle diese Verhältnisse zusammen, so kann es keinem Zweifel unterliegen,
dafs die Schachtelhalmgewächse, die Najaden und Palmenfarren, ihrer inneren Natur nach,
nur Eine natürliche Familie bilden, so verschieden .sie sicii auch, ihrer ,äussern Gestalt nach,
darstellen, und hiernach wieder in untergeordnete Familien, verzweigen.
■ ■ Die Schachtelhalmgewächse erscheinen. in der ersten vorweltlichen Formation Baumartig
und Krautartig. Mangeln gleich mehrere.der jetzt;vorhandenen Gattungen, so treten
andere an die Stelle, die jetzt nicht mehr vorhanden sind; Wir finden sogar Aehren tragende
Gewächse, die, wenn auch uns unbekannt, dieser Stufe der Bildung noch zugezählt werden
müssen.
Auchdie Najaden finden, sich in unseren.Rotularien und Annularien, in Ceratophylli-
ten und Hippuriten vorgebildet.
DiejCycadeen erscheinen in den.späteren Bildungen der Moorkohle zahlreicher, verlieren
sich aber'schon wieder in dei: tertiären Formation.,
Die zweite Pflanzenstufe,, in welcher die sich entfaltende Blumenknospe ztiletzt das
Saamenkorn' aus ihrem Innern hervorgehen läfst, welches bei .dem Aufk.eimen, ein spitziges
Blättchen hervortreibt, wird durch die Monoeotyledone gebildet. Die Natur dieser Pflanzen
bestehet ..darin, dafs. die Blattbildung noch nicht in einem entschiedenen Gegensatz gegen die
Stammbildung auftritt. Monoeotyledone Pflanzen gehen durch die ganze Flötzformation hindurch,
erscheinen auch noch, obghnchf seltener, und von den Dicotyledonen zurückgedrängt,
in den tertiären Gebilden.
Ob dicotyledbne Pflanzen, welche die dritte Stufe bilden, bei denen, nächst 2 oder
mehr Cotybädonen, die Blattbildung im Gleichgewichte mit der. Stammbildung einen Gegensatz
mit.derselben däbstellt, sowohl in der ersten Vegetation, ,ja : selbst bis zu der Mergelkohle
hinauf vorhanden waren, läfst sich nicht mit Bestimmtheit darthun, wenigstens.ist noch zur
Zeit kein Blatt mit anastomosirenden Blattnerven aus jenen Formationen'bekannt. Die Car-
politen, .deren innerer Kern nie vorhanden ist, folglich keinen Embrio zur Untersuchung
darbietet, reichen nicht hin, um hierüber zu entscheiden; doch dürfte die Zapfenfrucht (Co-
nites3armatus) die wir Tab. XLVI. F. l, abgebildet haben, mit Wahrscheinlichkeit dahin zu
rechnen s.eyii.
■ Deutlich bestimmbar traten die Blätter dicotyledoner Bäume erst in den letzteren Bildungen
der Flötzformation nächst der Moorkohle, und in dem Quadersandstein auf, gehen
die ganze, tertiäre Formation in zunehmender Menge hindurch, und. finden sich noch in den
allerjüngsten Gebilden ganz mit unserer gegenwärtigen Vegetation übereinstimmend.
Die Vegetation der Vorwelt ist demnach denselben Gesetzen gefolgt, denen sie noch
dermalen unterworfen ist, doch bedingt durch äussere Umstände und Verhältnisse, welche
die Entwicklung einzelner Familien begünstigten oder hemmten. Sie war allgemein dieselbe
ohne .bemerkbaren Unterschied der Zonen jf' sie entwickelte in jugendlicher Kraft Reihen von
herrlichen Formen, die zwar jetzt nicht mehr in dieser Pracht und Fülle vorhanden zu seyn