„Von der Beobachtung ausgehend, dafs die vorzüglichen Steinkohlenniedeidagen sich
nicht entfernt vom Urgebirge finden, bin ich sehr geneigt anzunehmen, dafs ihre Formation
der des sekundären Gebirges gleichzeitig sey.“ Die durch ein begünstigendes Wärmemafs
entwickelte Vegetation bedeckte früh diejenigen Theile der Oberfläche, die zuerst erhärtet
waren. Ungeheuere Massen von Pflanzen mufsten von den Flüssen, welche die schon mit
Wäldern bedeckte Landstrecken diirckströmten, dem Meere zugeführt werden, auf gleiche
Weise, wie noch jetzt dieses in Beziehung auf die nordischen Meere Statt hat...............
„Während der mannigfaltigen Umwälzungen (jener Zeit) konnte irgend . eine ausgedehnte,
mit Wäldern bedeckte Landstrecke in das Meer einsinken; die Pflanzentheile, durchdrungen
von der Hitze des Wassers und der innern noch nicht abgekühlten Theile der Erde,
vermischt mit den thierischen Substanzen der Meereskörper, zersetzten sich, lösten sich auf,
und gingen in einen gleichsam teigartigen Zustand über. So bildeten sie hier Anhäufungen,
dort Flötze oder Nester von gröfserer oder geringerer Ausdehnung, nach Mafsgabe der Einwirkung
der Meeresströmungen und der sich mit ihnen verbindenden, oder sie zusammenpressenden
Stoffe. Diese Erscheinungen konnten in einigen Gegenden sich mehrere Male,
nach gewissen Zwischenräumen, während welcher sich die steinigen Zwischenschichten wie
z. B. die in den Steinkohlengruben bei Lüttich u. a. m. bildeten, Statt haben. Dafs bei aus-:
serordeutlichen Wasserschwellungen gewaltige Baum - und Pflanzenmassen dem Meere durch
grofse Flüfse zugeschwemmt werden, und dafs sich diese .Vorfälle nach Zwischenräumen
wiederholen k o n n te n is t um so leichter einzusehen, als ähnliche Erscheinungen noch jetzt
z. B. am Po nicht ungewöhnlich sind. — So sehe ich denn die Steinkohlenlager als gewaltige
Niederlager von Pflanzensubstanzen an, die eine völlige Zersetzung, welcher jedoch einige
Theile entgehen konnten, erlitten haben.“ ; ? 7
Bei näherer Erwägung dieser Ansicht ist uns wiederholt aufgefallen, wie schwer es dem
geübtesten Geognosten wird, bei Beobachtung der vorweltlichen Ereignisse sich ganz von den
Begebenheiten der Jetztwelt zu trennen, die schlechterdings sich auf jene Zeit nicht übertragen
lassen. Wie hätte, zum Beispiel en der Zeit der sekundären Bildung, ein Flufs das
llolz der Gebirge mitten in unsern Kontinent bringen können, wo wir jetzt Steinkohlenlager
finden? Die Steinkohle in Böhmen z. B. liegt mit ihrem Dach ,1259-Fufs und noch höher
über der Meeresfläche, höher als der Flufs Mies bei Darowa, um 5Ó0, und höher als die. Moldau
bei Prag um 6q2 Schuh. Der Meeresspiegel in Böhmen,müfste also damals wahrscheinlich
1300 bis 1500 Fufs betragen haben; in diesem Falle war Böhmen, welches rundum von
Urgebirgen umgeben ist, die eine Höhe von 3 bis,5000 Fufs und darüber erreichen, ein für
sich abgeschlossener See, aus welchem das Mittelgebirg und verschiedene einzelne Bergkuppen
im Lande als Inseln hervorragten; die Flüsse, die mit Ausschlufs der Eger sammtheh auf
den böhmischen Gebirgen entspringen, konnten zu'jener Zeit,; bei dem von dem Verfasser
angenommenen hohen Wärmegrade des Erdkörpers und der Wasser, geringen Zuflufs haben,
und mufsten nothwendiger Weise in der grofsen Masse des Wassers, die sie am Fufs des Gränz-
gebirges schon begegneten, ihre Kraft verlieren, so dafs es nicht denkbar ist, dafs sie das
Holz bis mitten in das Land in den Berauner-, Rakonitzer- Kreis hätten forttreiben können.
In manchen Gegenden Deutschlands: liegt die Kohle noch weit höher, wie z. B. in Hering,
wo sie auf einer Höhe von 1700 Schuh angefahren wurde. Wir haben übrigens schon im
ersten und zweiten Hefte so äusserst feine und dennoch vollkommen erhaltene Pflanzenabdrücke
,abbilden lassen, dafs eine Anschwemmung v o n | entfernten Orten undenkbar ist..
Sie ist auch ganz überflüssig, da in einem grofsen, von bewaldeten Bergen umschlossenen
See, der noch ausserdem eine grofse Menge.mit Vegetabiliën bekleideter Inseln einschliefst,
durch Orkane, Erdbeben und Ufereinstürze hinreichend FIolz zusammen kommen moqhte, um
Steinkohlen - Ablagerungen zu bilden. Damit sind wir aber ganz - einverstanden, dafs das
Holz in einem breiartigen aufgelösten Zustande niedergeschlagen wurde.
Die von dem Verfasser aufgeworfene Frage,- durch welche Verfahrungsart die Natur
die Pflanzensubstanzen in Bitumen verwandle, ihre ursprüngliche Beschaffenheit völlig.verstecke,
ihre Kennzeichen auslösche, und neue an ihre Stelle setze? beleuchtet er selbst durch
zwei Bemerkungen: erstens, dafs sich das Holz und die Pflanzentheile leicht in Kohle verwandeln,
wenn sie durch eine lange Zeit in der Erde vergraben liegen, wie er in den Tiefen
| der Umgegend Roms, der phlegräisclien Felder, und in dem Vicentinischen bemerkt habe,
| wo öfter einzelne, in Kohlen verwandelte Holzstücke angetroffen werden.
Es scheine ihm, dafs diese Verkohlung des in der Erde eingeschlossenen Flolzes der
ft es durchdringenden Feuchtigkeit zuzuschreib.en, und dafs sie eine durch das Oxygen des Was-
I sers veranlafste, förmliche Oxydation sey.
Zweitens, dafs auch durch einige Säuren, besonders die Schwefelsäure, eine gleiche
I Umwandlung in Kohle zu erwarten stehe. Auch diese Oxydation durch Säuren hänge, wie
ft er glaube, davon ab, dafs sich der Sauerstoff allmäklig ‘von der Säure trennt und sich mit
I der Pflanzensubstanz vereint; übrigens habe wahrscheinlich die Natur bei der Bildung der
■ grofsen Anhäufungen der Pflanzensubstanzen auch weit wirksamere, wiewohl den angeführ-
|, ten ähnliche Mittel zu ihrer Verfügung gehabt.“ Hierbei wollen wir blos erinnern, dafs
I: Eichenholz, das bei Wasserbauten Jahrhunderte lang unter Wasser gelegen ist, zwar immer
f t schwarz wird, aber nie verkohlt ^selbst das Holz der in Plolland wiedergefundenen römi-
| sehen Brücke ist zwar schwarz , läfst sich aber als Holz verarbeiten. Durch die Umgebun-
K gen von Rom und die phlegraischen Felder streicht aber der mittelländische Schwefelzug,
f t den Herr P r z y s t a n o w s k y nachgewiesen hat, wo auch Spuren v erschiedener Kohlen gefun-
| den werden.
Die Ansichten von der Urwelt, welche Cu v ie r in der zweiten Auflage seines Werkes
B über die fossilen Knochen entwickelt hat, beziehen sich vorzugsweise auf diejenige Umbildung
■ der Erdrinde, durch welche die Thiere und Pflanzen verschlungen wurden. Eine schnell
I emgetretene Revolution wird auch hier als Ursache einer plötzlichen Veränderung des Klima’s
■ angenommen, ohne sich auf die Ursachen, durch welche sie selbst bewirkt wurde, einzulassen.
■ Die Thiere fanden ihr Grab in der erstarrenden Natur, ihre Ueliorreste bedeckten entweder
I Erdschichten, oder sie erhielten sich in den Eismassen mehi? oder weniger unbeschädigt bis
■ in unsere Tage.
Die Oberfläche, die wir jetzt bewohnen, ist her dieser Katastrophe aus den, Fluthen
■ hervorgetreten. Die in verschiedenen Bildungsschichten neben einander vorkommenden Ver-
B Steinerungen aus süssem und gesalzenem .WajSer beweisen jedoch, dafs sie mehr wie eine
B Wasserbedeckung erlitten haben.
Aus diesem Grunde scheint es dem Verfasser von gröfserer Wichtigkeit, die Ablage-
■ rungen von der Kreide-aufwärts genau zu durchforschen, als sich in Hypothesen über die
noch in einem gröfsern Dunkel verhüllten, frühem Formationen zu verlieren.
Wir müssen uns zwar Vorbehalten, um eine Periode weiter zurückzutreten, indem
■ die häufigsten Pflanzenabdrücke in der, offenbar der Kreide vorangehenden, altern Sckwarz-
S kohlenformation gefunden werden, und uns von einer frühem Vegetation auf den zuerst er-
I« härteten und abgetrockneten Gebirgen Kunde geben. Damit, sind wir aber einverstanden,
kW dafs, wenn alle Länder mit einer solchen Aufmerksamkeit untersucht würden, wie Herr
f t C u v ie r und B ro n g n a r t die Umgegend von Paris, und Herr W e ifs ” ) die Oberfläche
■ Siidbaierns, besonders in Hinsicht auf die ehemaligen Seen- und Flufs-Gebiete beobachtet
! | ta te n , man höchst wahrscheinlich, durch folgerechte Rückschlüsse, zu bestimmteren Resulta-
■ tßn gelangen würde, als auf dem Wege des Weltenboues, durch noch so sinnreiche Hypothesen.
Der praktische Geognost mufs bei Thatsachen stehen bleiben. Die fossile Pflanze ist
B ihm ein sicherer Beweis,einer vorhanden gewesenen Vegetation; eine Schalthier-Versteinerung
■ bezeugt eine Wasserüberdeckung; ein Säugethier ein belebtes Festland, u. s. f. Aus näherer
■ Untersuchung vieler fossilen Pflanzen und Versteinerungen ergeben sich auf einander fol-
■ jgende Perioden, die uns allmählig zurückführen werden; um dahin zu gelangen, müssen abör
■ noch viele, und sehr genaue Untersuchungen vorausgehen, zu diinen wir wiederholt die
Naturforscher aller Zonen aufrufen. 12
12) Siidbaierns Oberfläche nach ihrer äussern Gestalt von JVe ifs. Brunchen 1820.