schon doppelt sind und nur zwischen sich eine graue Brücke haben, die den grauen Kern der einen
mit der anderen verbindet. Ihre Verdoppelung zeigt schon die Eigenschaft von symmetrischen Polen
an, zu deren Bedeutung sie sich erhoben haben.
4) Auch die mannichfachslen S chliessnngsdrähte fehlen aber nicht. Es gibt ausser Balken
und Hirnschenkelsystem nur noch Einen von jenen verschiedenen anatomischen Hirnapparat.
Dies ist das System der Gewölbe, d. h. derjenigen Organe, wodurch die hinter einander liegenden
Hirntheile Einer Hemisphäre mit einander vereinigt werden. Es gehört dazu das eigentliche Gewölbe,
der Bogenwulst (G. fornicatus), das Hakenbündel CFasciculns unciformis) und das
Längenbünde] C^asc. longitudinalis) und endlich die zahlreichen bogenförmigen V erbindungsblätter
der einzelnen Windungen, Hunderte von kleinen Ankern, die zwischen die
Strahlungen des Slabkranzes eingeschoben sind, um die kleinen Batterieen von je zwei Windungen
zu schliessen.
Der Bogenwulst ist der Anker für die V order- und H interlappen, das Gewölbe C^°V~
nix) aber der Schliessungsapparal der Pole der C entralganglien (Sehhügel]) mit dem Schläfenlappen,
also ein centroperipherischer Apparat. Das Hakenbündel schlicsst Vorder-
und Unterlappen unter der Insel zusammen, das Längenbündel Unter- und Hinterlappen.
Sehen wir uns aber um nach den Schliessungsdrähten für das grosse Ganze des Nervensystems,
die zugleich die beiden Halbkugeln des grossen Gehirns zu einem kreisförmigen Strome an einander
ketten, so sind es die tausendfachen gekreuzten Schliessungsdrähte, die als Nerven und ihre P rim
itivfasern von Hirn und Rückenmark auslaufen zu den Organen. Die wohl überall vorkommende
Kreuzung der Fasern findet darin vielleicht ihre physikalische Erklärung. Ein Theil der
Nervenfasern eines Organes entspringt von der gleichnamigen Seite der Nervencentra, der andere
von der entgegengesetzten, um sich in dem Gewebe der Organe zu treffen und die Schliessung
herbeizuführen, welche sonst fehlen würde. — Ob nicht eine ähnliche Kette geschlossen wird
durch motorische und sensible Primitivfasern und ihre dem mikroskopischen Beobachter sich bis jetzt
entziehende letzte Verzweigung in der Substanz der Organe, wird die Zeit lehren. Wahrscheinlich
gehl überhaupt hier, in diesem grossen Capillarsysteme der Nervenfasern, ein eben so lebhafter Stoffwechsel
vor sich, wie das benachbarte Haargefässsystem sich dadurch von den GefassStämmen
auszeichnet.
5) Fragen wir endlich nach dem chemischen P rocesse, ohne welchen kein starker elektrischer
Strom möglich ist, nach dem O xydationsprocesse, der dazu gehört, so lässt er sich leicht
nachweisen im Allgemeinen, wie in meiner besonderen Erscheinung. Wenn der Nutritionsprocess
überhaupt ein Oxydationsprocess ist, so zeigt dieser,sich gerade in allen Centris des Nervensystems,
mögen es Ganglien, oder das Rückenmark, oder das Gehirn seyn, noch besonders sehr deutlich, vorausgesetzt
nur, dass die Nerventheile graue Substanz enthalten. Am Gehirn muss überhaupt der
Stoffwechsel den höchsten Grad von Lebendigkeit erreichen, denn es strömt ihm eine grosse Menge
von rothem Blute in vier starken Quellen zu. Diese Blutmenge aber wird grösstentheils für die graue
Substanz verwendet , während durch die Marksubstanz die Arterienzweige gerade hindurchgehen,- ohne
ein dichtes Netz von Haargefässen zu bilden. Es sind also am Hirn die G anglienkugeln der
grauen Substanz offenbar der Sitz des lebendigsten Stoffwechsels und O xydationsprocesses.
Dass dieses so sey, zeigt die chemische Zusamm ensetzung der zwei Hirn Substanzen.
W enn die Marksubstanz, oder überhaupt die Primitivfasern, woraus sie allein besteht, vorzüglich
Fette enthält, sehen wir in der grauen Substanz an ihrer Stelle W asser und Pigment. Das
letztere nimmt in der Ganglienkugel den Ort ein, wo in der Primitivfaser das Fett sich befindet. Das
Fett ist hier in Pigment und Wasser zerfallen und durch einen — sit venia convparationi — der Vermoderung
ähnlichen Prozess verwandelt worden. Pigment unterscheidet sich vom Fett durch eine
grössere Menge von Kohlenstoff und Oxygen und durch weniger Wasserstoff. Dieser ist an das zugeführte
Oxygen getreten und hat W asser gebildet, die Carbonverbindung aber hat sich, indem sie
ebenfalls mehr Oxygen aufgenommen hat, in das Pigment verwandelt, welches in der Zellenhöhle der
Ganglienkugel in einzelnen Haufen von Pigmentkügelchen und Flecken erscheint, während ein grosser
Theil des Fettes, auf dessen Kosten es entstanden ist, verschwindet, dies um so mehr, je erw achsener
die graue Substanz ist. Die centrale Thätigkeit der Nervenkörper beruht zweifelsohne grössten-
theils auf diesem Oxydationsprocesse, womit Elektricität frei uud der Continuirliche elektrische Nerven-
strom zu Stande gebracht wird. Ihre elektromotorische Kraft hat darin ihren Grund, die blosse Leitungsfähigkeit
der Nervenfasern aber in dem basischen Fette. Der ungleiche Grad von Pigmentirung der
verschiedenen Ganglienkugeln zeigt auf einen höheren Grad des Oxydationsproeesses und damit der
elektrischen Bewegung hin, welche von ihnen ausgeht. Die Ganglienkugeln, welche motorische Fasern
(zu den Muskeln, elektrischen Organen u. s. w.) absenden, scheinen mehr Pigment zu enthalten,
als die kleineren, mit sensitiven Fasern in Verbindung stehenden (m otorische und sensible
Ganglienkugeln]). Viele sind auch ungefärbt und stehen vielleicht bei diesem elektrischen Apparate
zu jenen polar, d. h. wie Kupferpole zu den Zinkpolen oder wie Respiration zu Nutrition (respiratorische
und nutritive Nervenkörper?]), worüber die Beobachtungen weiteren Aufschluss versprechen*
In bei Weitem den meisten Fällen erkrankt auch die graue Substanz, viel seltener die weisse*
Ausser diesem nach der Zahl der nothwendigen Elemente einer Säule eingerichteten Apparate gibt
es am Gehirn bekanntlich keine weiteren mehr und kann keine geben. Der Bau unseres Seelenorganes
ist im Grossen damit geschlossen. Unterdessen arbeitet die nie stillstehende Naturkraft immer
fort, um auf diesen Grundpfeilern des neuroelektrischen Prozesses eine Mannichfalligkeit von feineren
Nüangen zu erzeugen, welche, den zahllosen Combinationen der Psyche entsprechend, sie begleiten
von Alter zu Alter, von Generation zu Generation, von Volk zu Volk, bis alle physikalischen Com-
binatiouen und Möglichkeiten erschöpft sind und damit unser Planet, dessen höchster Ausdruck die
Menschheit und in ihr wiederum das Gehirn ist, die höchste Höhe ihrer Entwickelung erreicht hat;
denn jeder Zeit und jedem Menschen ist ein gewisses Ebenmaass in dem Baue ihres Gehirns zuge-
theilt. Jeder Mensch ist eine psychische wie physische Formel, ein physisches und psychisches Glied
in der unendlichen Welt der Körper und Geister.
IL D as k lein e G ehirn.
Auch am kleinen Gehirn sind die Bestandtheile eines vollkommenen elektrischen Apparates nicht
zu verkennen, aber anders gelagert, als am grossen Gehirn, und unvollkommener. Der Indifferenzpunkt
zuerst ist hier in der Mitte des Ganzen angebracht und heisst Wurm. Die Hemisphären
sind seine symmetrischen Pole. Was am grossen Gehirn sich schon zu zwei scharf getrennten
besonderen Elementen (Plattenpaaren]) entwickelt hat, hat sich hier noch nicht oder viel
weniger über die Bedeutung einfachen Pols erhoben, das kleine Gehirn ist somit die Uebergangspe-
riode von dem noch einfacher gebauten Rückenmarke zum grossen Gehirn, an welchem eine indifferente
Mitte nur noch in der Vierhügelmasse, der Zirbel, dem grauen Hügel, dem Hirnanhang und dergleichen
untergeordneten Gebilden erscheint. Der Wurm ist also nicht einer Commissur gleichzustellen,
sondern einem Anfangspunkte, von welchem aus nach beiden Seiten hin sich das kleine Hirn symmetrisch
ausbreitet, seine symmetrische Polarität entfaltet. Commissuren sind feuchte L eiter und
stehen in geradem Verhältnisse zur Vollkommenheit des Gehirns, der Wurm hingegen befindet sich
im umgekehrten. Das kleine Gehirn bringt es noch nicht zur vollständigen Auseinanderlegung in zwei
Plattenpaare*
Die schärferen Gegensätze sind aber ausserdem auch hier wie am grossen Gehirn in jeder Hemisphäre
selbst angebracht, jedoch ohne einen besonderen jed erseitig en Indifferenzpunkt zu entwickeln.
Wir suchen nämlich an den Hemisphären des kleinen Gehirns vergeblich nach Windungen,
welche den Centralwindungen des grossen Gehirns correspondiren. Vielmehr bleibt das kleine Gehirn
auch in dieser Beziehung auf niederer Stufe stehen, es beharrt, auch selbst auf der höchsten Stufe
seiner Entwickelung im Menschen, bei dem Typus, den wir am grossen Gehirn der Säugethiere kennen
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