%
Von der Entwickelung des Hirnanhanges wissen wir durch S chneidert), T rev iran u s2) und
Andere:
1) dass er bei den niederen Wirbelthieren verhältnissmässig grösser ist und bis zum Menschen
herauf allmählig abnimmt. So verhält er sich zum grossen Gehirn
bei den Vögeln wie 1 :5 2—9 9 ,
— — Wiederkäuern — 1 :7 5—121,
— — Nagern — 1 :104—360,
beim Pferd — 1 : 352,
— Schwein — 1 :4 5 0 ,
bei den Raubthieren — 1 : 723—960,
beim Menschen — 1 : 2304.
2) dass er bei den W asserthieren der drei oberen Thierklassen grösser ist, als bei den
L andthieren derselben Klassen. Damit harmonirt seine Kleinheit in der Klasse der Vögel und
seine Grösse bei den Fischen.
3) dass er bei bedeutenden B ildungsfehlern des Gehirns (Hemicephalie]) oft sehr gross ist,
selten fehlt und häufig ganz normal gefunden wird, was mit seiner frühzeitigen Entwickelung 3) zusammenhängt,
während er übrigens bei Geisteskrankheiten öfters abnorm ist.
4) Nach Stannius4) zeigt der beträchtliche Hirnanhang der Fische CTeleostef), zu verschiedenen
Jah reszeiten und in verschiedenen L ebensaltern bei der gleichen Species untersucht,
Verschiedenheiten in Betreff seiner Anfügung und Ausdehnung.
50 Bei den Säugethieren ([Pferd, Ochs, Schaf, Schwein, Hund, Katze, KaninchenO und in der
Regel auch bei Vögeln, Amphibien und Fischen herrscht der Längen- oder gerade Durchmesser
vor dem Querdurchmesser vor, bei dem Menschen in der Regel der Q uerdürchm esser.
60 Ebenso zeichnet sich der L ängendurchm esser bei jungen Thieren und kleinen Kindern
und Embryonen aus, und nimmt mit dem Alter allmählig ab. So verhält sich der Längendurchmesser
zum Querdurchmesser bei einem Kalbe wie 6 :4 //A oder 60 : 408, bei einem Ochsen wie 9 :7///
oder wie 56,25:43,75$.
70 Der hintere runde Lappen ist bei Kindern weniger entwickelt, als bei Erwachsenen.
Folgende Wägungen stellte ich nach A lter und G eschlecht an:
K in d e r.
G r o s s e s G e h irn . H irn a n h a n g .
Knabe von 6 Wochen 504 Grmm. 200 Mill. = 0,00039g,
— — | Jahr 617 — 210 — = 0,00034g,
Mädchen von 1£ Jahr 986 — 148(?) — = 0,00016g.
W eiber.
a) 1086 Grmm. 535 Mill. = 0,000492g,
b) 1083 —
c) 1102 —
d) 1021 te)
1094 —
500
470
490
723
f) 1076 — (23j. Mädch.) 465
g) 1015 — (30—40 J .) 800
= 0,000461g,
= 0,000420g,
= 0,000420g,
= 0,000660g,
= 0,000432g,
== 0,000788g.
M ä n n e r .
a) 1094 Grmm. 385 Mill. = 0,000351g,
b) 1330 — 615 — = 0,000462g,
c) 1316 450 — = 0,000340g,
d) 1210 (alter Mann) 440 — = 0,000364g,
e) 1087 — (desgl.) 465 — = 0,000428g.
1) D e catarrkis. 111. c. 16.
2) Vermischte Schriften. III. 74.
3) H u s c h te in M e c k e l* s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1830.
4) Handbuch der Zootomie. 1854. S . 131.
Hieraus folgt, dass das Weib durchschnittlich eine Hypophysis von 523 Mill., der Mann nur von
4-83 Mill. hat, trotz seines gewichtigeren grossen Gehirns, und dass das Verhältniss zu diesem im
weiblichen Hirn 0,000491g , im männlichen 0,000384g beträgt.
Die G estalt des Hirnanhanges ist in Beziehung auf Breite, Länge und Höhe vielen Varietäten
unterworfen, die bei beiden Geschlechtern Vorkommen. Jedoch schien mir der weibliche mehr rundlich
-v iereck ig , d. h. mit einem verhältnissmässig zum Querdurchmesser grösseren geraden Durchmesser
versehen, der männliche Hirnanhang dagegen mehr der Quere nach entwickelt zu seyn.
Daher denn vielleicht der weibliche Türkensattel im Vergleich zu seiner Breite länger ist (vergl. S. 9).
Der Hirnanhang des Weibes hat wenigstens viel häufiger diese abgerundet viereckige Gestalt und
ist dann bei beiden Geschlechtern an den beiden Seitenflächen mit einem Eindruck für die Carotis
ßmpressio carotica) versehen, deren vorletzte Krümmung mit ihrer Wölbung sich an den Hirnanhang
anlegt.
Noch deutlicher als im Menschen fand ich den Geschlechtsunterschied bei dem Stier und der Kuh.
Dort war er aber mehr rund und kurz, bei der Kuh platt und lang, daher hier der Türkensattel länger
und ebener ist. Er war nämlich
L ä n g e . B r e ite . H öbe,
beim S t ie r 21 Mill. = 42,9g 14 Mill. = 28,6g 14 Mill. = 28,5g,
bei der K u h 28 — = 49,1g 18 — = 31,6g 11 — = 19,3g.
Der weibliche zeichnete sich also durch Länge und B reite, der männliche durch Höhe auSi
Im hohen Alter scheint der Querdurchmesser zuzunehmen und seine obere Fläche häufig gruben-
artig einzusinken.
D. D e r B a lk e n .
Man weiss, dass der Balken (corpus callosumj eine der wichtigsten und höchsten Einrichtungen
des Gehirns ist und demgemäss auch sehr spät entsteht, im Thierreich, wie in der menschlichen
Frucht. Er steht im Gegensatz der Entwickelung zu allen niederen Hirnorganen (verlängertem Mark,
"Wurm und Vierbügeln) und geht ziemlich gleichen Schritt mit den höheren von ihnen (Brücke, Halbkugeln
beider Hirne). Die Vermuthung ist daher wohl eine richtige, dass auch durch Alter, Geschlecht
und Ra$e in seinem Grössen- und Lagerungsverhältniss Modittcationen herbeigefiiihrt werden,
was dadurch noch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass seine Länge bei einzelnen Menschen sehr verschieden
ausfällt. Niemand aber wird behaupten wollen, dass diese Ungleichheit seiner Grösse nur
zufällig, rein individuellen Ursprungs und keinem allgemeineren Gesetz unterworfen sey, insbesondere
nicht den grossen Naturverhältnissen von Alter, Geschlecht und Nationalität.
Ueber seine Grösse liegen zwar eine ganze Anzahl von Messungen in den anatomischen Schriften
vor, allein meistens lauten die Angaben ganz allgemein, es wird nur der Extreme seiner sehr wechselnden
Grösse gedacht, selbst in.den grösseren anatomischen Handbüchern (von Meckel, Hildebrand
W eber, Arnold u. s. w.). In dem grossen Specialwerke über das Gehirn von Burdachl)
wird nur erwähnt, dass er an der inneren Fläche der Hemisphären weiter nach vorn als nach hinten
reiche (10—18w vom vorderen Hirnende entfernt und 22—27/// vom hinteren) und, wo sehr entwickelt,
ziemlich eben so lang sey, als der vor und der hinter ihm liegende Theil der Halbkugeln
zusammengenommen. Nach J. Fr. Meckel 2) macht seine Länge etwas mehr aus, als die zwei
mittleren Fünftel der Länge der Hemisphären. Nach ihm und K rause3) ist er 311 lang, nach Bur-
daoh 2" 3111 — 3 " 6 " , nach Arnold*) 2" 6 " '- 3 " u.s.w.
1) a. a. O. II. 142.
2) a. a. O. III. SOI.
3 ) Handbuch der Anatomie. S . 1021.
4 ) Handbuch der Anatomie. S. 738.