I. Der Mensch.
1. Di e V i e r h ü g e l .
Die beiden G eschlechter weichen im Menschen insofern von einander ab, als in den männlichen
Gehirnen die hinteren Vierhügel in einem etwas besseren Verhältnisse zu den vorderen
stehen, als in den weiblichen Hirnen, denn dort machten sie von der Vierhügelmasse 43—458, hier
nur 428 aus. In dem S tiere ist dieser Unterschied, der im Menschen ohne genaue Messung nicht
in die Augen fällt, sogar auf den ersten Anblick wahrzunehmen, indem dort die hinteren, hier die
vorderen Vierhügel nach Proportion grösser sind. Bei einem Vergleiche mit dem Gewichte des ganzen
grossen Gehirns aber findet man, dass die ganze Oberfläche der Vierhügelmasse im Manne 33,48, im
Weibe 38,48 ausmacht. Wenn also auch im männlichen Geschlecht die hinteren Vierhügel besser bedacht
zu seyn Schemen, so hat doch die ganze Vierhügelmassc im Verhältniss zum grossen Gehirn
im weiblichen Körper eine günstigere Stellung.
2. Di e S e h h ü g e l u n d S t r e i f e n h ü g e l .
Wie die Sehhügel schon beim Fötus verhältnissmässig grösser sind, als die Streifenhügel und
Hemisphären*), so zeichnen sich auch noch die kindlichen Sehhügel nicht nur vor denen des erwachsenen
Mannes durch eine mehr viereckige, weniger in die Länge gezogene Gestalt, sondern auch
durch eine im Vergleich mit den Streifenhügeln bedeutendere Grösse aus; denn bei dem 21 Jahr alten
Mädchen, das am Croup gestorben war, betrug die Oberfläche des Sehhügels sogar 50,728, die des
Streifenhügels nur 49,288, war also noch absolut grösser als dieser.
Zu dem Gewicht des grossen Gehirns verhielten sie sich
Vierhügel. Sehhügel. Streifenhügel,
im Erwachsenen 0,0017 : 99,9983$ 2,70:97,30g 3,33 : 96,33g,
unter einander nach dem Gewicht im Erwachsenen 30 Gran = 5,3g : 240 Gran = 42,1g : 300 Gran = 52,6g.
Bei den zwei G eschlechtern aber liegt ein Hauptunterschied ebenfalls in dem Verhältniss dieser
zwei Hirnganglien. Der Sehhügel herrscht im W eibe, der Streifenhügel mehr im Manne
vor; denn jener maass im Durchschnitt von drei Fällen bei W eibern verschiedenen Alters 50,18 und
im Mittel von fünf Fällen beim Manne 42,28, ist also beim weiblichen Geschlecht um 88 grösser.
Aber auch beide Hirnganglien zusammen, mit dem Gewicht des grossen Gehirns verglichen, stehen im
Weibe besser, als im Manne, indem sie dort 678, hier nur 608 ausmachten, so dass ich, da ein
Gleiches auch bei den Vierhügeln gefunden wurde, den Ausspruch wagen darf, dass die ganze
Masse der drei H irnganglien (Wierhügel, Sehhügel und S treifenhügel) im w eiblichen
K örper zu dem ganzen grossen Gehirn günstiger gestellt sey, als im m ännlichen,
nämlich im Manne mit 65,28, im Weibe mit 71,28 (nach der hier gebrauchten Berechnung).
Ein Satz, der sowohl mit dem Kindes- und Fötusalter, als wovon* unten die Rede seyn wird. auch mit dem Thierreiche harmenirt,
schwDäcahmeri t2 1 )s.timmt überein, dass der weibliche Sehnerv stärker ist, alle übrigen Hirnnerven dagegen
1) Meckel, Handbuch der Anatomie III. 574.
2) Berthold in W .gner’s Handbuch der Physiologie HI. 612. Meine wenigen Wägungen und Messungen bestätigen „„d
speeiahsiren diu. Ich schnitt 30 Miü. des Sehnerven hinter dem Augapfel ab bei einem Kinde von 15 Monaten, hei einem
wiclh t d, es A» ugaMpfje"lbs.r 'SeB“e imM ‘Knnined’e zv°eer hdieielt eänu sssiecrhe dSiceslee liOer gaaln eu ”wd iev e3rg,6ü6c5h :d 0a,s2 1G0e wGicrmhtm d. ie=ae s 9S9e,h9n4e:r0v,e0n6st8ü,c ksh eimmi t2 4dieämhr iGgeen
Manne wie 7,0:0,130 Grmm. = 99,9814 : 0,0186}, heim 35jährigen Manne wie 8,0: 0,24 Grmm. = 99,97 : 0,038 nnd
heim 50jähr,gen Manne wie 8,0 = 0,326 Grmm. = 99,674 = 0,326}. Ferner wog der Apfel einer 50jährigen Weibsperao»
7,5 Grmm. , der eines Manues 8 Grmm., der Querdurchschnitt ihres Sehnerven 3'" von dem Apfel entfernt aber hatte einen
gleichen Flächeninhalt, namheh 8r ;Mill. Hieraus darf ich scbliessen, dass Kind und Frau eine verhältnissmässig dickere Netzshtaeuhtu
nhge sdietsz eAo,u gaelss imde rE mMbarnyno.. Dies Resultat stimmt auch mit der ansserordentüchen Dicke dieser Haut bei der ersten EntZugleich
aber hat die Oberfläche des Sehhügels im weiblichen Gehirn eine mehr viereckige,
beim Manne eine mehr längliche, schmale Gestalt, wodurch also das Weib auch in dieser Hinsicht
den kindlichen Typus besitzt.
Indem ich endlich einen senkrechten Querdurchschnitt durch den Streifenhügel — dem Anfänge
des Hornstreifes — bei einem männlichen und an einem weiblichen Gehirn machte, ergab sich, dass
der Nucleus caudatus bei beiden Geschlechtern 113 DMill. auf der Durchschnittsfläche hatte, der Nucléus
lentiformis dagegen am männlichen Gehirn 525|jpMill., am weiblichen nur 300 DMill., so dass
der männliche Linsenkern um 225 DMill. grösser war.
Diese Geschlechtsverschiedenheit, wenn sie Regel seyn sollte, lässt sich damit sehr wohl in
Uebereinstimmung bringen, dass der Linsenkern die später sich entwickelnde Abtheilung des ganzen
Streifenhügels ist und deshalb wahrscheinlich auch sein edlerer Theil. Er ist bei den Säugethieren,
z. B. im Gehirn des Hundes, noch äusserst klein im Verhältniss zum Nucleus caudatus und besteht
hier nur aus einer nach aussen nmgebogenen Spitze des unteren Endes vom geschwänzten Kern.
Deshalb entwickelt sich dann auch der Stammlappen, der mit ihm genau zusammenhängt, so spät
Dagegen ist der Nucleus taeniaeformis im Hunde schon bei Weitem vollkommener ausgebildet.
II. Die Menschenraçen.
Die anthropologische Encéphalotomie, welche kaum an das ganze Gehirn und an grosses und
kleines Gehirn reicht, vermag natürlich in ihrem jetzigen Zustande noch viel weniger, sich bis zu
einer Bestimmung zu erheben, ob beim Neger oder bei anderen Menschenraçen die Centralganglien,
was wahrscheinlich, ein anderes Gewichts- und Grössenverhältniss zu deirHemisphären haben, als
beim Kaukasier. Tiedemann!) konnte zwar im inneren Baue des Negers Honoré „durchaus keinen
Unterschied von denen des Hirns der Europäer wahrnehmen.“ Vierhügel, Hirnklappen, Wasserleitung,
Zirbel, Sehhügel, Streifenhügel, Balken und die beiden anderen Commissuren verhielten sich
ganz wie hier. Zwar fand er nicht die weiche Commissur, sie mangelt aber auch oft im Hirn der
Europäer. Die Zirbel mit ihrem Sande, das Gewölbe mit seinen Theilen Çweissen Hügelchen, Seepferdefüssen
mit ihren Digitationen, Klauen), Scheidewand u. s. w. glichen ganz denen der europäischen
Völker. —_ Ohne genaue Messungen lässt sich dies indess nach dem blossen Ansehen dieser
Theile gar nicht mit solcher Zuverlässigkeit behaupten. Nach dem, was ich für Alter und Geschlecht
bereits beigebracht habe, muss man vielmehr mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit das Ge-
gentheil erwarten, wie ich denn auch von den Windungen des Negers es darthun werde. Das Negerhirn
wird ohne Zweifel, wie in dieser Hinsicht, so auch im Betreff der Centralganglien, in den
Typus eines kindlichen Hirns oder eines Affenhirns hinüberspielen. Bei anderen Raçen und Völkern
mögen die Differenzen, wenn dergleichen existiren, jedenfalls viel feiner seyn und eine entsprechende
feine Untersuchung bedürfen, um mit Sicherheit festgestellt zu werden.
III. Die Thiere.
Es ist bekannt, dass eigentliche Hemisphären in dem Thierreiche Anfangs gar nicht existiren,
dass vielmehr die Centralganglien die erste Grundlage des grossen Gehirns bilden, über welche sich
nach und nach die Hemisphären von vorn nach hinten hinwegwölben. Diese werden daher in ein um
so besseres Verhältniss zu ihnen kommen, je vollkommener das Hirn ist, je höher seine intellectuel-
len und moralischen Eigenschaften stehen. Ohne bis jetzt Erfahrungen über die Alters- und Geschlechtsverschiedenheiten
dieser Theile bei den Säugethieren und Vögeln gemacht zu haben, ausser
den schon angeführten, will ich nur bemerken, dass sie auch noch bei den Säugethieren zu den Hemisphären
in einem besseren Verhältnisse stehen als beim Menschen. Während Seh- und Streifenhügel
dem Gewichte nach bei uns nur 58 des grossen Gehirns betragen, so erheben sie sich bei den
1) a. a. O. S. 59.