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 lang  unsere  Seele  schmachte.  Selbst  die  occasionalistische  Form  der  Verbindung,  welche  Lolze  
 entwickelt  hat,  entspricht nicht  der Natur der  Sache;  denn  auch liier erscheinen beide  Hälften  unseres  
 Daseyns,  Körper  und  Geist,  als zwei  einander mehr  oder  weniger fremde Gebiete,  während sie doch  
 aus  Einem  Urquell  entsprossen angesehen  werden  müssen,  von  dem  sie  getragen  werden  und  durch  
 welchen hindurch sie in stetem Zusammenhänge,  in innigem Wechsel Verhältnisse bleiben.  Dazu kömmt  
 aber  dort  noch  die InConsequenz,  dass  trotz  dieser  Annahme  dennoch  dem  Gedanken  die  Centralorgane  
 des  Nervensystems  als  eine  variable,  immer  aber  doch  materielle Krall  zu  Gebote  stehen  
 sollen,  was  mit.  anderen  Worten  heisst,  dass  der  Gedanke  auf  das  Gehirn  als  seinen Diener  ein-  
 wirkt.  Dadurch wird aber  der  Standpunkt  noch schiefer,  die Causalverbindung  wird  durch  ein  Hin-  
 terthürchen  wieder  eingeschmuggelt,  das  Hirn  als  Handlanger  und  Dolmetscher  zwischen  Leib  und  
 Seele  gestellt  und  der  übrige Leib  zu  einer  geistlosen Maschine  herabgewürdigt,  was er nicht  ist. 
 Können  nun  aber  beide  Erscheinungsweisen  unseres  Lebens  nur  mit  einander  parallelisirt,  nicht  
 causal  aus  einander  entwickelt werden,  wie  andere Naturerscheinungen,  so ist gleichwohl das Studium  
 des  Hirnbaues  und  seiner  inneren  Spannungen  und  Leitungen  psychologisch  nicht  weniger  wichtig,  
 als  wenn  sie  ursächlich  verbunden  wären,  weil sie  uns einen Fingerzeig  geben  für  die  Gedankenwelt,  
 die ihnen parallel läuft,  eine  Symbolik  des  Geistes. 
 Unter diesen Umständen  wird man  sogleich  die Frage stellen:  Sind  Gedanke  und  Nervenbewegung  
 wirklich  so  abzusondernde,  einander  entgegengesetzte  Gebiete  des  Lebens,  wo  findest  Du dann  die  
 Handhabe,  um  sie  auch  nur parallelisiren  zu  können,  wo  die  Eigenschaften,  die  dennoch  beiden so  
 gemein  sind,  dass sie  in  wissenschaftliche  Verbindung gesetzt  werden  können? —  Ich  antworte, es  
 sind  die Kategorieen,  denen  sie  mehr  oder minder  beide  unterworfen  sind. 
 Abgesehen  von  der  Schwierigkeit  dieser Antwort,  die derjenigen gleich  ist,  wenn  wir  die  Farbe  
 mit  der  sie  begleitenden  Aelherschwingung  parallelisiren  wollen,  sind  doch  beide  der  Zeit,  ja  in  gewisser  
 Hinsicht  auch  den  Gesetzen  des Raumes  unterworfen.  Ihre  Erscheinungen  kommen  und  vergehen, 
   ihr  Gang  ist  langsam  oder  schnell  und  hat  seinen  bestimmten  Rhythmus.  Sie  sind  einfach  
 oder  zusammengesetzt,  gleichartig  und  entgegengesetzt,  nehmen  an Intensität  und  Bestimmtheit  der  
 Erscheinung  zu  und ab,  trennen sich  und  breiten sich aus  oder  fassen  zusammen  und  ziehen  sich  und  
 ihr  Object  auf Einen Punkt  zusammen.  Die verschiedenen  Vorstellungen,  wie die  einzelnen Nerven-  
 bewegungen  sind,  jede  für  sich,  durch  das  Band  der  Causalilät  auf  das  Engste  unter  einander  verbunden  
 und  verwandeln  sich  daher in  einander,  läutern  sich  von  Stufe zu Stufe  und  ziehen  einander  
 an  oder  stossen  sich  ab  und  verdrängen  einander.  Beide  richten  sich  bald  auf  das  Innere,  bald  auf  
 die  Aussenwelt.  Wenn  das Hirn  Bewegungen hat,  so  hat  der Geist  seine geselzmässigen  V eränderungen, 
   die  das  in  der  Zeit  sind,  was  die  Bewegungen  für  den Raum.  Die  Mathematik  und  
 Metaphysik  lässt  sich  mit  Einem  Worte  auf beide anwenden,  ja  man  hat  dies  unbewusst von jeher  
 gethan.  So  hat  man  den  Silz  der Seele  fast  immer  in  die  nur  Einmal  im  Hirn  vorkommenden,  in  
 die unpaaren,  mittleren Hirntheile verlegt,  weil  man  es  der Einfachheit  der  Seele  angemessen zu seyn  
 glaubte,  ihr  auch  ein  einfaches  Organ  und  den Mittelpunkt  des  Hirns  anzuweisen.  Aus  demselben  
 Grunde  versetzte  man  die  isolirenden  und  spontanen  Kräfte  des  Geistes in  die  Ganglienkugeln,  das  
 einigende Bewusstseyn  in die  Commissuren  und  die  Gedankenbewegung  stellte man  mit den Bewegungen  
 des  Nervenprincips  zusammen.  Kurz,  es  liegt  diesem  Verfahren  Übefall  ein  wissenschaftliches  
 Parallelisiren  nach  einzelnen  Kategorieen  zu  Grunde.  Auf  dieses  Gleichstellen  wird  sich  also  unsere  
 wissenschaftliche  Erklärung  der  Verbindung von  geistigem und  körperlichem  Leben  zu  beschränken  
 haben.  Die Sicherheit  dieses  Verfahrens  wird  aber  zu  schärfen seyn  durch  alle  Mittel  der  Naturforschung, 
   durch Beobachtung und Experiment. 
 Uebrigens  wird  bei jeder  der  vier  möglichen  Ansichten  über  die  Arl  des Zusammenhanges  von  
 Geist  und  Körper  das  körperliche  Substrat  dem  Gedanken  entsprechen,  ihm  verwandt  seyn müssen,  
 man mag die Welt als  unsere  V orstellung betrachten,  wie  Fichte,  oder  das Hirn  als  In stru 16S 
 ment des  Geistes,  wie  die Theologen  und  Spiritualisten,  oder  als Ursache  der  Gedanken,  wie  die  
 Materialisten,  oder  als  gleichzeitigen  sym bolischen Ausdruck  derselben  ansehen.  Ist die  Aussenwelt  
 lediglich  unsere  Vorstellung,  so  sind  Sinneserscheinungen  wie  Gedanken  nur  niedere  oder  
 höhere Vorstellungen unseres Ich,  also nur dem Grade nach verschieden,  und  es  handelt sich hier  gar  
 nicht um eine  vom Gedanken  verschiedene Körperwelt,  die  bei dieser Ansicht vielmehr  selbst  eine Art  
 von  Gedanken ist.  Oder ist das Hirn sammt seinen elektrischen Erzitterungen Instrum ent,  d. h.  der  
 erste  Angriffspunkt,  von wo  aus  der über  den Körper  erhabene,  einer materiellen  Basis  baare  Geist  
 auf unseren  übrigen  Körper  wirkt,  so  müssen die Saiten  dieses Clavichords auch  eine Verwandtschaft  
 zu  dem  tastenden Finger  der Gedanken haben,  wenn  es  soll  angeschlagen werden können.  Ist ferner  
 nach  der  dritten  Ansicht  die Hirnmasse  der Boden,  aus  welchem die  ätherische Quelle  unserer  Vorstellungen  
 hervorströmt*'wie  die  Galle  aus  der  Leber,  so  ist  zu bedenken,  dass  eine Wirkung  an  
 sich  eben  nur  eine W iederholung  ihrer  zeugenden Ursachen  ist.  Sind  endlich  beide  Processe  
 sym bolisch  mit  einander  verbunden  und  der  Gedanke der  Hirnbewegung inhärent,  löst sich  die  
 ganze  Natur  in  eine  vom  Geiste  begleitete  Raumwelt  auf,-so  müssen  sie  auch  einander  adäquat  
 seyn. 
 Wenn ich  aber  zurückkehre  zu der Frage über den  Sitz  der  Seele,  und wenn  es  unstatthaft i s t ,  
 sobald  man  darunter  unser  gesammtes  geistiges Leben  versteht,  ihr  einen besonderen Sitz  zuzuweisen, 
   dieses Geistige als  nolhwendiger Begleiter Aller Materie vielmehr in verschiedenen Abstufungen  
 über unseren  ganzen Körper  vertheilt  ist,  so  steht  es  damit  anders,  wenn  man  unter  Seele  das  
 Gefühl  der  P ersönlichkeit  versteht. 
 Hier  verweiset  uns  die  Erfahrung  auf  die  Nervenmasse  und  namentlich  auf das  Gehirn.  „Das  
 Nervensystem ist überhaupt der  eigentliche  Leib unseres Ich,  die  anderen  Theile sind der Leib dieses  
 Leibes,  die  nährende  und  schützende Borke  seines  zarten Markes.“  Es ist  das  Prinzip  der Einheit  
 und  Sympathie  in  unserem Körper,  der  Träger  der  Harmonie  und. des  Gleichgewichts  unserer Maschine  
 und  damit  auch  der  erste Regulator  der  Gesundheit.  Von  allen  seinen Theilen  ist-aber  das  
 Hirn  der Mittelpunkt,  von  welchem  diese Thätigkeiten ausgehen  und  wohin sie zusammenfliessen.  Alles  
 arbeitet  im Grunde für Hirn und Nervensystem.  Der Auszug aller feinen  Lebenssäfte,  welche  die  
 Verdauung  aus  Speise,  Trank  und  Luft  bereitet  und die als  Blut  auch die  Nervenmasse durchströmen,  
 schlägt  sich  als  Nervensubstanz nieder,  die,  wie sie  aus den edelsten Stoffen entstanden ist,  ihrerseits  
 das  Geschenk in veredelter Gestalt  zurückgiebt  und  die  ganze  thierische Maschine  mit  ihrem Nervengeiste  
 durchdringt,  belebt,  regiert  und  zusammenhält,  so  dass  die Einheit  und Vollkommenheit  des  
 Lebens  gleichen Schritt  halten  mit  der Entwickelung des  Nervensystems.  Unter allen  Theilen ist das  
 Gehirn  das  Thier,  ja  der  eigentliche Mensch  in unserem Körper.  Mit  der Ausbildung  dieses  höchsten  
 Centrum  des Nervensystems  wird daher auch  diejenige Einheit der Empfindungen  erst  möglich,  welche  
 wir  das  Gefühl  der  P ersönlichkeit  oder  des  Iohs nennen. 
 Versteht  man  also  unter  Seele  das  Gefühl  einer persönlichen Existenz,  das  Selbstbewusstseyn,  
 so  ist  der Sitz  dieser Seele  ohne  Zweifel  das  Gehirn.  Sobald  mit  der  Geburt im  kindlichen  Körper  
 die  lebendigere  Thätigkeit  des  Gehirns  erwacht,  hebt  auch  beinahe  plötzlich  dieses  persönliche Bewusstseyn  
 an,  und  an jenen  missgebildeten Kindern,  welche  doppelt zur Welt  kommen,  doppelte  zusammengewachsene  
 Leiber  haben,  da treten  die  Zeichen  eines  doppelten  Ichs  nur  dann  entschieden  
 hervor,  wo  das  Kind  zwei Köpfe  hat  oder auch nur  zwei Hirne,  die  in  einer  Art  von  Kopf  einge-  
 schloSsen  sind.  Nicht  nur,  dass  der  eine Kopf  dann  vielleicht  einathmet,  während  der  andere  das  
 Ausathmen besorgt,  der Eine vielleicht schläft,  wenn der Andere  wacht,  der  Eine  erröthet,  wenn der  
 Andere erblasst,  der  Eine weint  auch wohl,  während der Andere lacht, und beide Köpfe fragen einander  
 um Rath  oder gerathen  in  Streit mit einander l). 
 1)  K. W .  S ta rk ,  Pathologische Fragmente.  Weimar,  1825.  Bd. 2.  S. 101.  T h .  B a r t h o l i n u i ,  H a t. a m t.  Cent.  1.  H ist. 66,  
 wo  der Genueser Lazarus Colloredo  mit  dessen  bloss  aus  einem Kopf  und Brust  bestehenden  Halbbruder  beschrieben  und  abgebildet  
 wird,  Ferner  B u c h a n a n ’s  vom Nabel  aufwärts doppelte Missgeburt,  welche  einen völlig verschiedenen Willen halte,  in 
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