werden, wenn wir ihm selbst unsere Fragen vorlegen. Leider ist uns dieses aber in vielen Fällen
gar nicht mehr möglich und wird in eben soviel anderen nach manches Jahrhundert verfliessen, ehe
cs möglich ist! Von dem Gehirn unserer Vorfahren,, von so vielen ausgestorbenen Völkerschaften
werden wir niemals im Stande seyn, uns ein Bild anders zu verschaffen, als durch die Betrachtung
seines Gehäuses, das wir aus dem Schoosse der Erde graben, und wie lange wird es noch dauern,
ehe wir von einer vergleichenden A nthropologie des Gehirns reden können! Ja, von bedeutenden
Geistern wie von merkwürdigen thierischen Idioten wird zu jeder Zeit oft keine anatomische
Antwort zu uns herüberdringen, als aus dem Marmortempel ihres Schädels, in dessen Räumen ihr
hoher oder niederer Geist sein Gerälhe aufgestellt hatte.
Begreiflicherweise sind die kubischen Messungen der Schädelhöhle genauer als die Flächenmessungen,
weil einmal die verschiedene Dicke der Schädelwände überhaupt bei verschiedenen Nationalitäten
und Individuen auf sie einwirkt, dann aber auch, weil bei den Flächenmessungen ver-
hältnissmässig mehr Fläche gemessen wird vom Stirnwirbel als vom Scheitelwirbel, an welchen seine
ganze vordere und hintere Wand beide fehlen, was bei den zwei anderen Wirbeln weniger der Fall ist,
denen vielmehr bloss nebst der Basis, die dem Scheitelwirbel ebenfalls fehlt, die eine Wand mangelt.
Zum Theil davon rührt es ohne Zweifel her, dass, wie aus einer Vergleichung der Flächen- und kubischen
Tabellen hervorgeht, das procentige Verhältniss der Stirnoberfläche immer viel grösser ausfällt
gegen das Verhältniss, welches die kubische Messung der Schädelhöhle für den Stirnwirbel ergibt,
so dass man meistens G—109 von der Flächenmessung dieses Wirbels abrechnen muss, um auf das
Resultat der respectiven kubischen Messung zu kommen. Je gewölbter die Stirn, desto mehr, je liegender
und ebener sie ist, desto weniger wird man genöthigt seyn, von ihm abzuziehen, um dieses
Resultat zu erlangen. Auch der Hinterhauptswirbel ist ih diesem Falle, jedoch weit weniger. Dieser
scheinbare Fehler hat aber nichts zu sagen, weil man diese zweierlei Messungen nicht mit einander
vermengen wird, sondern nur eine Vergleichung der Resultate derselben Methode mit einander zu
vergleichen hat, um dann, wie man ersehen kann, bei normalem Bau des Schädels zu mehr oder weniger
analogen Resultaten zu gelangen. Die Flächenmessung hat aber, während sie in den allgemeineren
Resultaten, wo es sich um die Grösse ganzer Wirbel handelt, der kubischen Messung
offenbar an Sicherheit nachsteht, doch den Vortheil vor dieser voraus, dass man mit ihr speciel-
lere Abtheilungen des Schädels messen kann, als mit Hülfe der kubischen Methode, wie die Zwischenscheitelbeine,
die Schuppe, den grossen Flügel, das Scheitelbein u. s. w., wodurch man auf die
Grössenverhältnisse einzelner Windungszüge des Gehirns zu schliessen im Stande ist. Beide Methoden
haben daher ihren besonderen Werth. Jene gibt genauer den Hirninhalt jedes Schädelwirbels an,
diese dringt mehr in das Detail des Gehirns ein.
Man würde aber sehr irren, wenn man den kubischen Messungen der Schädelhöhle denselben
Werth beilegen wollte, als den Messungen des Hirns und seiner Wirbelabtheilungen selbst. Die Schädelhöhle
wird bei den Säugethieren und dem Menschen nicht blos vom Gehirn und seinen Häuten ausgefüllt,
sondern auch von der Cerebrospinalflüssigkeit, welche in ziemlicher Quantität in sie eindringt
und sie bespült, vorzüglich im Acte der Exspiration. Ich werde daher unten auf den Unterschied aufmerksam
machen, welcher zwischen den Verhältnisszahlen der Hirnwägung und der kubischen Messung
durch diesen Umstand herbeigeführt wird. Die Mengen der Hirnhäute, namentlich der harten
Hirnhaut in jedem Schädelwirbel, gleichen sich wieder aus, da sie nahebei von derselben Dicke sind.
Für die ganze Schädelhöhle beträgt aber, die harte Hirnhaut ungefähr 70 Grammen, und die vom
Hirn abgezogene weiche Hirnhaut nebst Adergeflechten und ablaufendem Blute je nach ihrer Dicke
und Anfüllung mit Blut 50 — 60 Grammen, so dass man etwa 130 Grammen von der kubischen Messung
abziehen muss, um das Volum des Hirns selbst zu erhalten. Dazu kommt dann noch die Menge
des Hirnwassers.
E rstes Kapitel.
A. Wägungen des gesammten Gehirns.
A. Nach dem Alter.
Wägungen des ganzen Encephalon sind in grosser Anzahl angestellt worden, besonders in der
neueren Zeit, am meisten in England, wo man auf statistische Arbeiten auch dieser Art mit Recht
einen grossen Werth legt. Die älteren, sehr abweichenden und wegen der nicht immer angegebenen
Gewichtsarten wenig brauchbaren Angaben von Piccolhuomini an bis auf die Gebrüder Wenzel
und aufMascagni haben Tiedemann *) und Todd 2) gesammelt. In neuerer Zeit haben H am
ilton 3), Sims *), Parchappe 5), Tiedemann 6), Reid 7), Peacock 8)? Lelut 9) und Bucknil
110) mehr oder weniger ausgedehnte Beobachtungsreihen geliefert, und ich selbst füge hier ebenfalls
eine Anzahl von Wägungen des Gehirns und seiner gröberen Theile hinzu, nämlich von Kindern,
Erwachsenen, Männern und Frauen und von Thieren ([Säugethieren und Vögeln), um vorzüglich
Gewichtsunterschiede nach Alter, Geschlecht und RaQen aufzudecken. Ausser diesen meinen Tabellen
habe ich meine Beobachtungen mit denen von Sims, R eid, Peacock, Tiedemann und P archappe
nach dem Geschlecht .und dem Alter geordnet, alle zu einer übersichtlichen Tabelle zusammengestellt,
die verschiedenen Gewichte auf Grammen berechnet, die Mittelzahlen sammt der Anzahl
der .jedesmaligen Beobachtungen angegeben und in der letzten Columne die Mittelzahlen auch für sämmt-
liche Beobachtungen berechnet.
Aus dieser Zusammenstellung geht nun Folgendes hervor.
Die grösste Schwere erreicht das Gehirn nach einem Durchschnitt von 339 männlichen und 245
weiblichen Gehirnen während des Laufs der dreissiger Jahre, nämlich im männlichen Geschlecht
ein Gewicht von 1424 Grammen, im w eiblichen ein Gewicht von 1272 Grammen. Vorher und
nachher sinkt es aber bei beiden Geschlechtern. Jedoch ist es merkwürdig, dass es im Weibe, wie
im Manne, im höchsten Alter wieder steigt. Nach Zehntausendtheilen berechnet verhält sich dieses
;endermaassen : Mann. Weib.
von 20—30 Jahren steigt es 57 336.
- 3 0 -4 0 H E n 35 95.
- 4 0 -5 0 — fällt es 128 _ .
l l f f 50—60 - H 9 - 57 266.
H 60—70 —1 - 829 164.
— 70—80 _ ’ _ M- 289 797.
- 8 0 -9 0 — steigt es 391 505.
1) a. a. 0. S. 3.
2 ) R o b . B e n t l e y T o d d , T h e description an d p h ysio l. A n a to m y o f th e brain etc. L ond. 1845.
3) In A l e x . M o n r o , T h e anatom y o f th e brain. E d in b . 1831. 8. p. 4.
4) M edico - C kirurg. T ransactions. Vol. X I X . L o n d . 1835. oder Oppenheim’s Hamburger Zcitschr. f. d. gesammle Medi-
cin. 1836. Bd. 3. S. 87.
5) S u r le V olum e d e la tê te e t d e l’encepkale chez l’homme. P a ris. 1837.
6) a. a. 0. S. 6.
7) M o n th ly Journal o f m edical Science. 1843. A p ril.
8) M onthly Journal o f m ed. Sc. Vol. V II. A ug. S ep t. 1846. p. 101. 166: T ables o f th e w eig h ts o f some o f the organs
o f th e hum an body.
9) D u p o id s d u cerveau dans ses ra p p o rts avec le développem ent d e V intelligence, in der G a zette m édicale d e P aris. 1837. T. V. p. 146.
8) Jaliresbericht.