volles Vermögen, sich willkürlich zu bewegen, besitzen und hinsichtlich ihrer Ernährung sogleich von
ihren eigenen Anstrengungen und von ihrer eigenen Assimilationsfähigkeit abhängen, sey daher das
kleine Gehirn ebenso gross, ja noch grösser (?) als in ihrem erwachsenen Zustande. Dies sey
der Fall beim Küchlein des Huhns, Fasans, Rebhuhns u. s. w., und zwar ganz auffallend nach
der ersten Woche oder nach 10 Tagen, sobald der Dotter resorbirt worden ist. Beim K albe, Z icklein,
Lamm und wahrscheinlich auch beim Füllen sey es nm Weniges geringer, als im erwachsenen
Thiere. Auch bei denjenigen Vögeln (T aube, Sperling), welche nicht sogleich das volle
Vermögen willkürlicher Bewegung besitzen, aber sich in einem Zustande raschen Wachsthums
befinden, soll das Cerebellum einige Tage lang nach der Ausbrütung und während der Absorption des
Dotters eben so gross oder grösser als im erwachsenen Vogel seyn. Bei solchen Säugethieren hin-
gegen, die einige Zeit gänzlich durch die Muttermilch ernährt werden und Anfangs schwache Kräfte
für geregelte Bewegung haben, ist das Verhältniss zum grossen Gehirn sehr klein, erreicht aber nach
dem Ende des Säugens sein vollkommenes Verhältniss, wie im erwachsenen Thiere, so bei dem K aninchen,
dem Hunde, der Katze Anfangs 1:14, nach 6—8 Wochen nach der Geburt 1 :6. Bei
jungen Schweinen, die gleich nach der Geburt ein geregeltes Bewegungsvermögen haben, aber in
den ersten Monaten von der Muttermilch ganz abhängig sind, fand er zuerst das Verhältniss der
beiden Gehirne = 1:9 , später M l : 6.
Dieser Theorie sieht man leicht das Verfehlte und Künstliche an, und sie widerlegt sich selbst
durch ihre eigenen Beispiele, indem z. B. das erwachsene Schaf ein Drittel vorteilhafteres Verhältniss
des Hinferhauptbirns zum grossen Gehirn besitzt, als das neugeborene Lamm. Dieses hat nämlich
ein Hinterhauptshirn von 6,394 Mill. und ein grosses Gehirn von 45,393 Mül, das Schaf hingegen
dort 18—21, hier 100 — 88 Grmm. und das Lamm also 128, das Schaf oder der Schöps 17 —18?
Hinterhauptshim. So wahrscheinlich noch in den übrigen seiner Beispiele. Mir ist überhaupt kein
Thier bekannt, dessen Hinterhauptshirn bei seiner Geburt ein grösseres Gewichtsverhältniss zeigt, als
in seinem erwachsenen Zustande. Im Gegenteil muss ich behaupten, dass alle Thiere bei ihrer Geburt
ein kleineres Cerebellum haben und dass es in dem Verhältniss wachse, als der Athemprocess
und die damit genau zusammenhängende willkürliche Bewegung sich vervollkommnen. Auch bei dem
neugeborenen Ende steigt sein Gewicht daher sehr schnell, ungeachtet seine Bewegungen ihm so gut
wie gar nicht eine directe Hülfe für die Verschaffung der Nahrung sind und hier auch nicht von der
Resorption von Dotter die Rede ist.
Nach Hamilton ... ist es ausserordentlich uzwne»i,fuewlhua«fut,, \jyß uao kleine weuirn in iiüiiem Alter gewohnlich
abmmmt, wahrscheinlich nur bei Alrophia senilis. Meine aus 102 Wägungen entworfene
Tabelle zeigt in der That bei beiden Geschlechtern ein sehr hohes Verhältniss in den 70—89er Jahren.
Selbst bei zwei 90jährigen Frauen wog es zwar absolut sehr wenig (122 Grmm.), aber es stand doch
für das weibliche Geschlecht in sehr günstiger Proportion zu dem grossen Hirn (13,888), so dass
hieraus jedenfalls zu folgern ist, dass das grosse Gehirn in diesem Alter verhältnissmässig mehr ab-
mmmt, als das kleine. In dem vorhergehenden Jahrzehend, von 80 — 89 Jahren, wovon 5 Fälle
aus beiden Geschlechtern in meine Tabelle aufgenommen worden sind, steht es aber selbst absolut sehr
hoch (166 und 176 Grmm.) und erreicht bei den 2 weiblichen Fällen selbst 14S, welches Verhältniss
m kemem Alter dieses Geschlechts vorzukommen pflegt, selbst nicht in der Blüthezeit desselben.
" n r,?'ne sehr merkwürdige Erscheinung, die nur durch eine grössere Zahl von Beobachtungen
ihre Bestahgung Oder Widerlegung erwarten mag! Eine grössere Härte der Hirnsubstanz in Brücke
und Markknopf ist mir immer noch die wahrscheinlichste Erklärung l).
H ? be,“e g | B W e n z e l Sber Jen Allersunterschied des kleinen und grossen "Gehirns konnte ich deshalb
leider nicht bennUen, weil sie eine andere A rt der Trennnng des Hinterhauplsbirns nnd des grossen Gehirns als ich und
andere Beobachter, anwendeten (1., c. P . 265.J. Sie schnitte, nämlich die Brücke am v o rd e re n Rande des a’sJte n d e n
ervus Ingemtnua senkrecht m querer Richtung durch, wodurch sie zwar gerade hinter den hinteren Vierhügeln heranska
Imche nw, eard ee r sieei na bSertu ncku te(nd abse soknledienresr em) itdlbeer ileBnr.ü cke am grossen, das andere, grössere, am Hin.erhaunU t a si'tzt ena Hness„en .
2 . H i n t e r h a u p t s h i r n u n d g r o s s e s G e h i r n n a c h d e m G e s c h l e c h t e .
Die Meinungen sind sehr darüber gelheilt, ob das Hinterhauptshim im Verhältniss zu dem grossen
Gehirn schwerer sey, im männlichen oder im weiblichen Geschlechte. In der That ist es keine
leicht zu entscheidende Streitfrage.
Wenn Gail *) angibt, dass das kleine Gehirn sowohl beim Menschen als bei den Thieren in der
Regel im weiblichen Geschlecht um ein M erkliches kleiner sey, als im männlichen, ja, dass man
dadurch allein in den meisten Fällen die weiblichen von den männlichen Exemplaren unterscheiden
könne, so behauptet Ham ilton, dass es in jenem verhältnissmässig weit g rö sser sey, als in männlichen
Körpern, dort nämlich sey das Verhältniss wie 1:7,6, hier wie 1:8,4 oder, nach Procenten,
dass es dort 12,51, hier 11,1® der gesammten Hirnmasse ausmache. Dies trete sowohl beim Menschen
als bei den Thieren hervor, ja sogar absolut scheine das weibliche Cerebellum schwerer zu seyn.
S olly 2) will das Gewichtsverhältniss des kleinen Hirns zum grossen beim Manne wie 1:94
(=9,468), beim Weibe wie l:9 ,i (=9,76?) gefunden haben, hat aber dabei entweder Kinder vor
sich gehabt oder, was wahrscheinlicher ist, das verlängerte Mark nebst Brücke gar nicht zum Gehirn
gerechnet.
R eid’s zahlreiche Wägungen geben nach Peacock’s Berechnung im Mittel für den Mann ein
Verhältniss des Cerebellum zum Cerebrum von 1:8,057 (=11,04?) und von 1:7,87 (= 11,278) für die
Frau, würden sich also ebenfalls, obgleich nur wenig, auf die Seite des weiblichen Geschlechts stellen.
P eacock’s eigene Tabellen von 43 männlichen und 15 weiblichen Gehirnen geben das Verhältniss
von 1:7,93 (= 11,1988) für das Weib, und 1:7,98 (= 11,1368) für den Mann, und stellen sich
also auf die Seite des m ännlichen Geschlechts. Er hält es daher für sehr streitig, ob das Ueber-
gewicht des kleinen Gehirns auf der Seite des weiblichen Geschlechts eine allgemeine Regel sey, wie
Reid es kurz vor ihm angegeben hatte.
Mit diesem Resultate harmoniren die neuesten, in der Note nach Alter und Geschlecht zusammengestellten
14 Hirnwägungen aus den 20—60er Jahren eines anderen englischen Arztes, H. 0. Sankey 3),
Offenbar eine ganz unnatürliche Trennung zu Gunsten eines ganz s e n k r e c h te n Schnittes, worauf es doch nicht ankömmt I
Auch scheinen sie das verlängerte Mark nicht zum Gehirn gerechnet zu haben. Ihre Tabelle enthält daher überall niederere
W erlhe für das Hinterhauptshim, als meine Collectivtabelle. Eine Correction aber war auch nicht möglich.
1) Anatomie und Physiologie des Nervensystens im Allgemeinen und des Gehirns insbesondere. Bd. I. Thl. 2. S. 536.
2) T h e hum an brain. L o n d . 1836. 8.
3 ) Ueber die specifische Schwere des Gehirns in B r it. R e v . Jan. 1853.