Um noch mehr in das Besondere, in die Eigentümlichkeit der verschiedenen Glieder einer Raije
einzugehen, bedürfte es in den meisten Fällen eines reicheren Materials, als bis hierher vorliegt.
Vergleiche ich den germ anischen Slamm mit den rom anischen Völkern, so scheinen die Völker
jenes Stammes ungefähr 100 C.-C. mehr Hirn zu haben. So ergeben die Tafeln von Tiedemann
durchschnittlich für die Badenser (12 Stück) 11,9 Unzen im Mittel, die Schweden (5 Stück) 41,2, die
Schweizer 43,5, die Engländer (9 Stück) 41,0, die Hannoveraner (6 Stück) 39,8, die Preussen C3 Stück)
39,7, dagegen die Spanier ([16 Stück) 38,5, die Portugiesen ([4 Stück) 39,2, die Italiener ([4 Stück)
40, die Franzosen CIO Stück) aber 40,3. Von anderen Nationen der kaukasischen und anderen
Ragen liegen noch zu wenige Beispiele vor, um nicht alle Berechnung jetzt rein vergeblich zu machen I).
2) Mögen auch durch die Flächenmessungen noch speciellere Verhältnisse erörtert werden können,
als durch kubische Messungen, die sich nur auf die drei Hauptbezirke des Gehirns ([Hinterhaupts-
hirn, Hirn des Scheitelwirbels und des Stirnwirbels) ausdehnen lassen, so dringt man doch dadurch
tiefer ein, als durch Gesammtmessungen der Schädelhöhle und ist auch dies also schon ein grosser
Gewinn.
Um wenigstens die neue Bahn zu brechen und einen Anfang zu machen, mögen die 16 Cubik-
messungen dienen, welche ich von den meisten Menschenraqen über das Verhältniss der drei Schädelwirbel
angestellt habe. Die Zahl ist freilich nur eine geringe zu nennen und deshalb eine zur vollen
Entscheidung unzureichende. Aller Anfang aber ist schwer und ich gebe, was ich konnte. Die mir
zustehenden Schädel habe ich dieser Untersuchung geopfert und die Zeit wird über das Resultat ihr
kritisches Urtheil sprechen.
Zunächst- ersieht man, dass unter den 22 deutschen Männerschädeln
a) der Hinterhauptsw irbel viermal 9S übersteigt und 150 C.-C. erreicht, bei allen 14 Schädeln
anderer Ra^en nur bei einem G rönländer, dessen äusseres Ansehen sehr viel Aehnlichkeit mit
den Berliner Tungusenschädeln hat, diese letzte Zahl erreicht, ja bis über 108 in die Höhe getrieben
wird. Im Gegentheil sinkt sein Inhalt hier (hei’m Neger) herab bis zu 8,3 C.-C. und bei’m
K araiben bis zu 78. Die Durchschnittszahl ist bei beiden 125 C.-C. und 88, letztere ist aber
bei’m Deutschen nur durch 0,138 besser gestellt. Besonders die Malaien erreichen mehrfach 88.
Bei dieser geringen Differenz scheint es sonach zweifelhaft, ob die Europäer mehr oder weniger
kleines Hirn besitzen, als andere Raqen. Die Himwägungen bitte ich hierüber zu vergleichen.
b) Der S cheitelw irbel stellt sich absolut bei’m E uropäer im Mittel zu 1155 C.-C., bei
anderen Ra^en zu 1044 C.-C., im Verhältniss zu den beiden anderen Wirbeln aber bei’m Deutschen
N a u m k e a g : 7 15 93,5. — S h a w n e e (? ): 71. - g ^ D a c o ta : 85. — A s s in a b o in : 97. — M in e ta r i: 84,5. —
M a n d a n t 82; 76,5. — R ic a c a : 71,5. — O sa g e : 8 2 ,5 ; 83. — P a w n e e : 70,5. — C o to n a y : 7 7 ; 79,5. —
O n e id a : 92,5. — C a y n g a : 93,5. — H u ro n : 81 ,5 ; 74. — J o q u o is : 98,5. J a M in g o : 81,5. — C h in o u k :
8 0 ; 74. G o lc o n d a : 81. — S t e u b e n v ille : 9 0 ; 9 2 ; 8 4 ,5 ; 9 2 ,5 ; 88; 75; 8 9 ; 72.
S k u l l s f r o n t t h e M o u n d t.
C ir c le v ille , Ohio: 86,5. — T e n e s s e e : 87,5. — A ta k a p a r: 76. — N a tc h e z : 80. — S a n ta , P eru: 7 4 ,5 .—
R im a c , P eru: 7 9 ; 76 ,5 ; 89,5. — M is s is s ip p i: 85,5.
F l a t h h e a d s o f C o lu m b ia r i v e r h o r i z o n t a l c o m p r e s s e d .
C lic k ita t: 79. frr. C o w a lils k : 75. — K a la p o o y a h : 87. — C la ls a p : 78. — K ille m o o k : 92. — C h i-
no u k : 69...‘*7- K la ts to n i: 7 0 .^ rr C h in o u k : 84.
A n c i e n t P e r u v ia n s .
A ta c am a : 72,5. — A ric a : 81,5. — P e ru : 65,5 Cub."
1) M o rto n ’s Maasse se in e r Gegenden an amerikanischen Stämmen sind folgende:
A lte r P e ru a n e r.
Mittel.
N e u e r P e ru a n e r . In k a .
Im Mittel.
H o ro n e
(Irokese).
A r a u e a n e r. PI a ltk ö p fe (Stämme vom
Columbiaflusse).
I n n e r e C a p a c itä t 1336,6 1200 1361,2 1197,2 1443 1295,0 1300.
V o rd e re K am m e r 516,6 421,5 549,4 524,8 516,6 528,0 529.
H in te re K am m er 820,0 777,3 811,8 688,8 820,0 795,4 771.
C o ro n a lg e g e n d 266,5 239,0 258,3 196,8 246 252,5 182.
zu 74,68$, bei den 14 andern Raçenscliâdcln 76,65, also 2# höher. Dort war die höchste und kleinste
Zahl 1397 und 1030 C.-C., sowie 20,44 und 15,08#, hier 1224 C.-C. (K araibe) und 840 C.-C.
(Weger) und 19,45 und 13#.
<0 Der S tirn w irb el hat beim Deutschen einen durchschnittlichen Inhalt von 262 C.-C.,
hei den anderen Raçenschâdeln 210 C.-C., dort aber 16,82# im Mittel, hier 15,37#. Dort war der
grösste und kleinste Inhalt 316 C.-C. und 217 C.-C. oder 20 und 15#, hier 300 und 159 C.-C.,
sowie 19 und 13#.
Hiermit ist nachgewiesen, dass der Hauptunterschied zwischen der germanischen Raçc und
den übrigen vorzüglich im S tirn - und Scheitelw irbel liegt und der H interhauptsw irbel weniger
betheiligt ist. Der Slirnwirbel ist 1 —2# inhaltsvoller, besonders stellt sich dies günstige Resultat
hoch, wenn man die 7 Malaien für sich nimmt und die besseren Menschenarien weglässt.
Diese Völker haben also einen mehr kindlichen und weiblichen Typus in Beziehung auf diejenigen
Schädelwirbel, welche das grosse Gehirn enthalten.
Das günstige Verhältniss der europäischen Slirnbildung wird vielleicht noch höher anzunehmen
seyn, wenn man bedenkt, dass die deutschen Schädel, welche ich gemessen habe, von dem anatomischen
Theater stammen, also von Züchtlingen, Selbstmördern und dergleichen Individuen, von denen
man eine sehr rühmliche Proportion der edleren Schädelwirbel kaum erwarten kann; denn man
weiss, wie die Civilisation auch auf das Gehirn und seine Grössenverhältnisse wirkt *). Dazu kömmt, 1
1) Der Colonel H am . S m ith (T h e n a tu ra l k isto ry o f th e hum an species. E d in b . 1848. p . 194) sagt: ,,T h e d ifférence o f size
in heads o f th e educated an d ined u ca te d classes am ong civilized nations is not secret to h a tte rs,“ und weiter (p. 159), nachdem
er M orton’s Messungsresultat milgelheilt hat, dass die Neger unter den Menschenraçen die kleinste Schädelhöhle haben:
,,though there m a y be som e doubt, w h etker th e N egro crania th a t served fo r h is ex p e rim e n t, w ere not, in p a rt a t least,
derived fro m slaves o f th e Southern S ta te s o f N o rth -A m eric a, w ho being descended from m ix e d A fric an trib es an d m uck
m ore e d u c a te d , hâve larges heads th a n new N egroes from th e coast. We have perso n a lly w isnessed th e issue o f m ili-
ta r y chacos ( c a p s ) to th e 2d W est In d ia R e g im en t a t th e tim e w hen a ll th e ra n k a n d file w ere bought out o f slave
sh ip s, a n d th e sergéants alone being in p a r t w h ite, m en o f colour, negroes fro m N o r th A m erican or born C reoles, and
i t w as observed, th a t scarcely a n y fitte d th e heads o f th e p riva tes excepting th e tw o sm allest sises ; in m any cases
robust m en o f th e sta n d a rd h e ig h t, req u ired p a d d in g an inch a n d a h a lf in thickness to f it th e ir ca p s, w hile those
o f th e non-com m issioned officers w ere a d ju ste d w ith o u t a n y additio n a l a id . — ' Die Kreolen, d. b. die in Brasilien gezeugten
N eger, werden als Sclaven den eingefübrten Afrikaner-Negern weit vorgezogen und als Kutscher oder Bedienten
verwendet, weil sie klüger und gewandter sind, als die afrikanischen Neger. (Ausland, 1836. I. S. 462.) Neuere schieben
die Veredlung der Gesichts- und Kopfbildung der heutigen O sm a n lis weniger auf die Vermischung mit dem georgischen
Blute ihrer Harems, als auf Klima und Civilisation. Ebenso bei den ursprünglich tschudischen (mongolischen) U n g a rn . Die
B a r a b ra s von Nubien, ein Zweig der Noboten, eines Negervolkes, das vor 15 Jahrhunderten durch D io c le tia n von einer
Oase des westlichen Afrika in das Nilthal versetzt w urde, haben, wie die verwandten Bewohner von Kordofan und Senoaar,
durch die Civilisation, durch Ackerbau und Handel edlere Formen erhalten, ohne dass bei allen diesen Völkern eine wesentliche
Kreuzung mit Kaukasiern staltgefunden haben soll. Die gewaltsame Einführung des Islam, des Vorläufers des Chrislen-
thums, hat überhaupt bei fast allen Völkern Afrika’s anf ihre Cultur und dadurch auch auf ihren körperlichen Typus allerdings
mächtig gew irkt, vielleicht auch auf Schädel, Lippen und Zahnstand, was freilich Alles schneller durch Kreuzung herbeigeführt
wird. In den ärmsten Districten von Irland (Sligo, Leitrim , Mayo) sollen dagegen die hohen Gestalten und die edlen
Gesichtszüge der früheren Bewohner in wenigen Jahrhunderten durch Nolh und Elend fast bis auf den prognalhischen Negertypus
zurückgeworfen worden seyn. (S . P r itc b a r d , Vol. II. Cap. 9. und J . W. d e M u e l l e r , D e s causes d e la colora
tio n d e la p ea u e t des différences d a n s les form es d u crâne au p o in t d e vue d e l'u n ité d u genre. hum ain. S tu ttg .
1853. p . 64 sq. A c tio n d e l'intelligence su r la fo rm e d e la tè te .) Siebt man die verschiedenen Menschenraçen als eine
Reihe von S tu fe n an , die niederen, wie die N eger, Malaien, Amerikaner, Mongolen, gewissermaassen als Hemmungsbildung,
deren Gehirn namentlich auf früheren Stufen stehen geblieben sey und dessen Stufen auch von dem Kaukasier, um zur
vollendeten Gestalt zu gelangen, durchlaufen werden müssen, so lässt sich obige Erscheinung wohl erklären. Wenn hingegen
die verschiedenen Raçen nicht sowohl als Enlwickelungsperioden als vielmehr als Produkte eines anthropologischen Differenzii-
rungsprocesses oder als Gegensätze angesehen werden, würde man nicht denken können, dass ein Neger anders in einen
Europäer übergehen könnte, als durch Kreuzung ; denn auch dem Klima widersteht selbst Jahrtausende hindurch hartnäckig der
Raçentypus, wie die mongolische Raçe beweist, die, von den tibetanischen Gebirgen stammend, in den verschiedensten Klimatcn
von China durch alle nördlichen Striche von Asien und Europa bis nach Lappland und weiter ihren eigentbümlicben Schädel-
und Gesichtsbau auf ihren nordwestlichen Wanderungen ohne wesentliche Veränderung mit fortgetragen hat. Die Kreuzung
wird bei allen solchen Verwandlungen die Hauptursache seyn, Klima und Civilisation wirken weit langsamer und bringen zwar
edlere Formen hervor, ohne aber den Raçentypus zu vernichten.