Das Princip, wonach die Lappen dieser H älfte gebaut sind, ist die Form eines
Zickzacks oder einer dreifachen Schlangenlinie.
W as am Wurm nur hier und da angedeutet ist, wird hei dieser unteren ([oder hinteren) Hälfte
der Hemisphären zum festen, bei allen Säugetbieren befolgten Schema.
Bekanntlich ist der Wurm bei einer Reihe von Säugethieren asymmetrisch oder wellenförmig nach
rechts und links hin- und hergewunden. So bei den Carnivoren ([Hund, Katze, Mustelen und Viver-
renj, Kameel, Lama, Pecari nnd überhaupt den Wiederkäuern, sehr stark beim Pferd, weniger beim
Seehunde, den Cetaceen und bei einigen Allen (.Mandrill) und vielleicht auch in sehr geringem Grade
im menschlichen Gehirn (?). Dagegen fehlt diese Krümmung den Insectivoren und Nagern und ist eben
so wenig in dén drei unteren Klassen der Wirbellhiere vorhanden. Sie ist folglich eine später«
Entwickelung des Anfangs vollkommen symmetrischen Wurmes, womit die Enlwickelungsgeschichte
übereinstimmt, welche zeigt, dass sie nach dem Alter variirt und bei jüngeren Säugethieren oft noch
gar nicht existirt. Jedenfalls zeigt sie hin auf ein Vorherrschen der unteren Hälfte des Wurms und
hört beim Menschen wieder auf mit stärkerer Entwickelung der oberen Hälfte desselben und der Hemisphären
des kleinen Gehirns.
Diesen schlangenförmigen Bau hat nun auch regelm ässig jede Hemisphäre, sowie sie sich
von der einfachen Gestalt eines konischen Zapfens erhebt, den sie im Vogelhirn besitzt. Schon bei
den Nagethieren fängt sie an sich hin und her zu winden, bei allen anderen Säugethieren vervollkommnet
sich dies aber zn einer dreifachen Schlangenlinie und sechs Hälften ([Lappen) dieser
drei Curvaturen.
Diese Linie beginnt am W ipfelblatte des oberen Wurms, das bei den Säugethieren viel dicker
und aus mehreren Blättern zusammengesetzt ist. Es läuft vorwärts nach aussen in die obere Hälfte
der e rsten C u rv a tu r, diese erste Hälfte ist aber der o bere h in te re L ap p en CVobus superior
posterior s. semilunaris) des Menschen.
An der Horizontalfurche angelangt, biegt sich der Zug um, macht die zw eite C n rv a tu r oder
erste v ordere Curvatur, geht wieder nach rückwärts oder nach innen zum Wurm zurück als
zweite Hälfte des ersten Gyrus, um hier von Neuem umzubiegen ([dritte C n rv atu r oder erste
h in te re Curvatur); diese zweite Hälfte der ersten Schlangenlinie ist der h in te re u n te re L a p pen
(Lohns postnrior inferior) des Menschen.
Nach dieser d ritte n C n rv atu r läuft er noch einmal wieder vorwärts und auswärts und schlägt
sich mit seinem Endstück um den Seitenrand der Hemisphäre ([die spätere H orizontalfurche)
herum, sogar bis auf deren V order fläche, und läuft daselbst fort bis zum vorderen Wurm oder
den noch rudimentären, mit dem Wurm zusammengeflossenen viereckigen Lappen, von dem er aber
durch eine tiefe Furche vollkommen geschieden ist ([erste Hälfte der zweiten Schlangenlinie).
Dieser dritte Zug ist der z arte L ap p en CLobus gracilis) des menschlichen Gehirns, welcher
also bei den Säugethieren eine viel grössere Ausdehnung hat, als im Menschen. Seine auf die
Vorderfläche herumgreifende Endschlinge will ich umgeschlagene Windung Cgyrus anlroflexus)
nennen. Sie kömmt im menschlichen Gehirn nicht vor. An diesem Orte werden, wie es schon an
der dritten Curvatur der Fall war, die einzelnen Blätter oder Läppchen, welche bisher einen senkrechten
Stand halten, allmählig wagerecht gelagert und ihr Zug dreht sich damit von Neuem um in
einem kürzeren Bogen ([vierte K rüm m ung oder zw eite vordere C urvatur) und wieder
zurück nach dem Wurm als zweite Hälfte der zweiten Schlangenwindung, endet aber etwas früher
neben dem Wurm und stellt den v o rd eren u n teren oder zw eib äu ch ig en L ap p en Qoims
Ueenter) des Menschen dar ([zweite Hälfte der zweiten Schlangenlinie). “
Am Wurm angelangt, beginnt eine dritte grosse Schlangenwindung. Der vorige Zug krümmt
sich hier von Neuem um ([fünfte C n rv a tu r oder zw eite hintere Krümmung), dreht wie
bei der vorigen Curvatur, seine senkrechten Läppchen allmählig in eine horizontale und dann wieder
in eine umgekehrt senkrechte Stellung herum, so dass sie strahlenförmig gegen die hohle Seite der
Schlinge gestellt sind und stellt damit die noch wenig entwickelte M andel CTonsilla) dar.
Die Läppchen derselben setzen sich nun in die obere kürzere und schwächere H älfte der
dritten Schlangenwindung fort und werden so zu den Flocken CPlocculi). Die Flocke ist
demnach nichts als die sech ste C u rv atu r oder dritte vordere Krümmung. Sie wendet deshalb
ihre Wölbung nach vorn und aussen und ihre hohle Seite in umgekehrter Richtung. Der markige
Flockenstiel (Pedunculus floccuU) liegt in der Höhlung dieser Curvatur und stellt daher selbst eine
Rinne dar. Ihre zarten Läppchen laufen deshalb eben so strahlenförmig nach allen Richtungen aus
einander, wie dies an jeder der übrigen Krümmungen der hinteren Hemisphärenhälfte der Fall war,
und so hört hiermit dieser Zickzack an der Seite des Kleinhirnschenkels allmählig verdünnt auf.
Diesen Bau empfehle ich zuerst bei den Carnivoren (Fuchs, Katze, Iltis) zu sludiren und dann
erst bei den Wiederkäuern und Solipeden und endlich bei den Affen und Menschen zu untersuchen.
Auf diesen drei Hauptwindungszügen oder sechs Hälften derselben beruht es
dass! es nur sechs Lappen an jeder H albkugel, auch am menschlichen Cerebellum
gibt. Ihre Zahl wird bestimmt durch den dreimaligen Zickzack dieser Windungen.
Kein Thier hat daher mehr als sechs Lappen, wohl aber gibt» es deren weit weniger. Selbst der
Mensch, welcher das vollkommenste Cerebellum besitzt, erhebt sich nicht über diese Zahl. Es muss
also eine, physiologische Nolhwendigkeit, ein nothwendiger psychologischer Mechanismus die weitere
Vermehrung derselben, einen vier- oder fünffachen Zickzack, verbieten.
Wie sich aber dieser einfache Thierbau in den menschlichen Typus verwandelt, soll sogleich
gezeigt werden. So viel ich sehe, ist auch der Entwickelungstypus unseres Cerebellum derselben
Art.
Vorher mag darauf hingewiesen werden, dass dieses BUdungsprincip auf mehrere Eigenthümlich-
keiten des menschlichen Gehirns das erwünschte Licht wirft;
1) erhält sogleich die ganze Gestalt und Zusammensetzung der Flocke Klarheit und Nothwen-
digkeit dadurch, dass wir sie nun als die ä u sse re oder vordere Endschlinge des dreifachen
Zickzacks ansehen.
2) Ebenso erklärt sich der ganze Bau der menschlichen Mandel ans ihrer Bedeutung als dritte
in n e re Endschlinge. Hebt man die menschliche Mandel in die Höhe und betrachtet ihre untere
hohle Fläche, womit sie auf dem verlängerten Mark aufliegt, so gewahrt man leicht die Spalte auch
ihrer schlingenlormigen Construction (untere Mittelfurche der Mandel, suleus medius tormllae
inferior Valent.), Cm sie legen sich, wie es die Gestalt einer Schlinge fordert, die Läppchen der
Mandel in verschiedener Richtung strahlenförmig herum, bis sie die umgekehrte senkrechte Stellung
wieder erlangt haben.
3) Ebenso befindet sich gerade über der Tonsille, an der Stelle der zw eiten inneren oder
hinteren Krümmung, wo der hintere untere Lappen übergeht in den zarten Lappen, ein, der
Tonsille ähnlicher, jedoch kleinerer, abgesetzter Körper, den ich die kleine Mandel CTonsilla mi-
nor) nennen will und dessen anatomisches, strahlenförmiges Verhalten ebenfalls nur der Ausdruck
einer Schlinge ist.
4) Blickt man in die tiefen Furchen zwischen den einzelnen Lappen hinein, z. B. zwischen oberen
hinteren und unteren hinteren Lappen, so treten in der Tiefe eine Reihe Läppchen schief abwärts
herüber von dem ersten zum zweiten Lappen, offenbar die Ueberbleibsel ihres in der früheren Zeit
scharf ausgesprochenen schlingenlormigen Ueberganges in einander.
5) Die Gestalt der Doppelpyramide am unteren Wurm (Pyram ide und Z apfen), deren
Grundflächen sich berühren und deren Spitzen sich die eine aufwärts, die andere abwärts kehren,
hängt endlich ebenfalls damit zusammen. Die zweite und d ritte innere Curvatur CTonsilla minor
et major) liegen nämlich gerade längs den sich verschmälernden Seitentheileu der Doppelpyramide
und drücken den Wurm hier keilförmig zusammen, während die Basis dieser Doppelpyramide in dem
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