b) durch Auswüchse und Spaltungen in zwei Aeste, welche Anastom osen hervor-
bringen oder wodurch
e) E indrücke auf einem breiteren Stücke einer Längswindung und endlich Inseln entstehen.
Auf diese Weise werden die Randwülste zahlreicher und schmäler, netzartig verbundener, ihr
ganzes System complicirter. Schlängelungen zeigen mehr auf blosse Vergrösserung der Oberfläche
hin, in den Spaltungen und Inseln drückt sich dagegen schon zugleich ein höherer Grad von Differen-
zirung, eine Lappenbildung und eine Cpncentralion besonderer Kräfte aus.
10) Die Verfeinerung und die mit ihr Hand in Hand gehende Vermehrung der Randwülste ist
im Erwachsenen am geringsten an der Mitte der Seitenfläche des grossen Gehirns. Hier liegen die
gröbsten und einfachsten Randwülste, aber auch die allertiefsten Hirnfurchen. Von da aus vorwärts
wie rückwärts nimmt ihre Verästelung, Verfeinerung, Verwickelung zu, so dass am vorderen und
hinteren Hirnend'e die zahlreichsten und schmälsten, am kürzesten geschlängelten Wülste angetroffen
werden, aber auch die flachsten Furchen zwischen ihnen, eine Erscheinung, die wohl mit dem verschiedenen
Alter oder der Jugend der Windungen theilweis zusammenhängt, indem, je älter eine
Windung ist, desto weiter sie auch aus der Tiefe hervorwächst.
11) In den niederen Säugethierhirnen sind die oberen oder mittleren Urwülste die vorherrschenden
, ja auch die früher sich entwickelnden, insofern die ersten flachen Eindrücke an der glatten Hirnoberfläche
der höheren Nagethiere neben der Miltelspalte der Länge nach auflreten und also die vierte
Urwindung in der Höhe ihres Bogens andeuten, ehe noch von der ersten, zweiten und dritten Urwin-
dung eine Spur vorhanden ist. Unter den höheren Ordnungen der Säugethiere herrschen am Hirn der
Herbivoren die zwei mittleren Urwindungen vor, während die erste Urwindung noch sehr - untergeordnet
ist. Bei den Raubthieren hingegen (Katze, Hund, Wolf, Bär u. s. w.) ist die erste Urwin-
dung weit grösser und in gleichem Verhältniss mit der zweiten, dritten und vierten Windung ausgebildet.
Auch sieht es aus, als ob die vierte Urwindung allmählig von den unteren nach der Mittellinie
hin verdrängt und selbst an die Innenfläche der Hemisphäre verwiesen würde, was dann mit der Einrollung
der Halbhugeln in Zusammenhang zu bringen wäre. So verschwindet beim Schwein die
vierte Urwindung in der Mitte des Hirns gänzlich von der Oberfläche und taucht nur nach vorn und
hinten hervor. In den Affen scheint sie noch mehr zurückgedrängt zu seyn.
12) Von der ersten Windung scheint dann wiederum die vordere Hälfte ihres Ringes den Anfang
zu einer grossarligen neuen Entwickelung zu machen, die erst im Affen beginnt, im Menschen aber
zu hoher Vollendung gelangt.
Dies ist die E ntstehung des K lap p d eck els C O p ercu lum ).
Er entsteht zunächst durch ein Herabwachsen der vorderen Bogenhälfte der ersten Urwindung,
vielleicht nimmt er aber auch gleich Anfangs von der Mitte ihres Ringes seinen Anfang, wofür der
menschliche Fötusbau und manches Andere spricht, so dass also an seiner Bildung beide Bogenhälften
einen Antheil haben. Nach und nach durchsetzt diese neue grossarlige Falle sämmtliche vier Urwindungen
und zersprengt ihre Ringe vollständig in zwei Hälften. Gleichwie Streifen- und Sehhügel
durch eine Furche und den Hornslreifen getrennt werden, so die ihnen entsprechenden Vorder-
und Hinterlappen durch die gleich zu erwähnende Centralfurche und ihre Wülste.
Im Affenhirn hat der untere Rand des Klappdeckels noch eine sehr schiefe Richtung, im Menschenhirn
dagegen senkt er sich zu einer mehr queren Lage herab, so dass sein unterer Rand der
Lage nach der Schuppennaht entspricht. Dadurch aber tren n t sich erst die Sylvische
Grube in ihre zwei Arme (Aen aufsteigenden und queren.Ast), welche das Affenhirn noch
nicht zeigt, es müssten denn Spuren davon beim Chimpansé und Orang-Utang angetroffen, werden.
Hiermit wird namentlich der Schläfenlappen herabgedrängt und verkleinert sich auch. Bei den übrigen
Säugethieren ist dieser und der lobus Rippocampi sehr gross und im Affenhirn wiederum grösser als
im Menschenhirn. Selbst die niedersten Säugethiere CNagethiere, Beutelthiere, Maulwurf u. s. w.)
haben enorm grosse Ammonshörner, wie sie denn ein grosses Gewölbe überhaupt besitzen. Es zeichnet
sich durch grosse Breite aus, im Menschen hingegen wird es schmal und lang, weil es durch das
zunehmende Wachsthum des Klappdeckels und die damit gleichen Schritt gehende Rückwärlsdrängung
des Schläfenlappens in die Länge gezogen wird. Vielleicht steht damit auch in Zusammenhang der
verhältnissmässig grosse Flächeninhalt ihrer Schlafbeinschuppe, welche im Menschen nur 5 bis 8 bis
höchstens 108 der Schädeldecke beträgt (s. Tabelle), beim Pavian dagegen schon zu 148 herangewachsen
ist, vielleicht auch die verschiedene Breite des Keilbeinfortsatzes des Scheitelbeins, die Verbindung
der Schuppe mit dem Stirnbein u. s. w.
Analysiren wir aber genau den Klappdeckel des Menschen, so besteht er, wie Rolando ihn
bereits vortrefflich geschildert und dargestellt hat, aus vier hinter einander liegenden Windungen. Rolando
hat jedoch dabei keine Rücksicht auf das Windungssyslem der Säugethiere genommen, und es
ist ihm daher die so sehr verschiedene Bedeutung dieser vier Windungen entgangen!
Von ihnen sind die mittleren die Stämme, die seitlichen lediglich deren Aeste, nebst mehreren
anderen Windungen.
Die mittleren zwei sind die grössten und längsten Windungen des ganzen Gehirns, beginnen an
der Mitte des unteren Randes des Klappdeckels und laufen unter mehreren Schlängelungen in schiefer
Richtung rückwärts in die Höhe bis zur Längenspalte des Gehirns,, krümmen sich auch wohl selbst
etwas an dessen Innenfläche herab und gehen durch einen kurzen Bogen in einander über, so wie sie
es auch an ihrem unteren Ende thun, sind also eigentlich eine lange Insel.
Sie enden gerade der Mitte der Pfeilnaht gegenüber und theilen sonach die Hemisphäre
in zwei ziemlich gleich grosse Hälften, eine vordere und eine hintere. Zwischen sich haben sie die
tiefste und längste Himfurche.
Schon Vicq d’A zyr hat sie beobachtet, Rolando aber genauer beschrieben. Foville nennt
die vordere Circumvolution transverse parietale anterieure, die hintere Circumvolution transverse medioparietale,
fügt aber noch eine Iranwerse occipilale und surciliere hinzu und verwirrt dadurch, sowie
noch durch andere künstliche Darstellungen, das natürliche Verhältniss der Windungen.
Ich nenne sie, theils wegen ihrer Lage in der Mitte des Hirns, theils wegen ihrer centralen Bedeutung,
die vordere und die hintere Centralwindung (jfyrus centralis anterior et posterior),
die sie trennende Furche aber die C entralfurche (suleus hemisphaerae centralis). Auch verdienten
sie den Namen K lappdeckelw ülste und K lappdeckelfurche Cgyri et suleus pperculi),
wenn nicht der Klappdeckel noch von zwei anderen Neben Windungen zusammengesetzt wäre. Leu-
ret nennt die letztere nach- Rolando Scissura Rolando. Sie fehlt mit dem Klappdeckel allen Säugethieren
und erscheint erst bei den Affen, ist hier aber kurz und flach. Erst im menschh'chen Gehirn
erreicht sie ihre beträchtliche Tiefe und Länge.
Das obere und hintere Ende der hinteren Centralwindung befindet sich gerade über dem Balkenwulst.
Man kann daher auf die Länge des Balkens aus diesem ihrem Ende ungefähr schliessen. Je
länger er wird, desto weiter reichen im Allgemeinen die Centralwindungen rückwärts. Daher ist die
Centralfurche bei den Affen noch senkrecht und gar oft trifft man sie auch am Menschenhirn bei verschiedenen
Individuen senkrechter oder schiefer an. Jedoch steht Beides keinesw egs in einem
constanten Verhältnisse.
Von ihnen gehen nun, wie von zwei mächtigen Stämmen, drei mehr oder minder getrennte
Züge von Windungen nach dem vorderen und hinteren Ende des Gehirns hin, also Längswindundungen.
Es sind dieselben Längswindungen, welche ich Urwindungen bei den Säugethieren genannt
habe. Sie werden aber im Menschenhim unklar, weil sich die grossen, queren Centralwindungen
wie eine Wand zwischen sie geschoben und ihre Hufeisen an der Stelle der Wölbung ihres
Bogens völlig zersprengt haben. Will man sich schnell in den labyrinthischen Gestalten der menschlichen
Hirnwindungen zurecht finden, so muss man seinen Blick zuerst auf die Centralfurche und ihre
Windungen richten und von da aus dann vor- und rückwärts nach dem Stirnhirn und Zwischenscheitel-
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