Die Bevölkerung der Stadt hat in dem Gemische von Griechen
und Juden einen sehr hervortretenden orientalischen Zug, der
sich nicht nur in den Physiognomien sondern auch in der etwas
abweichenden Tracht ausspricht. Wenn auch die grössere Reinlichkeit,
deren man sich hier zu hefleissigen scheint, wohlthuend
auf den Fremden wirkt, so ist dennoch für das Dringlichste hier
eben so wenig wie anderswo Sorge getragen und die sonst so
liebliche auf dem Felsen horstende, fernblickende Stadt hat
nicht weniger Misthaufen und Schmutzwinkel zwischen den
Häusern aufzuweisen wie andere griechische Ortschaften, zu
deren Comfort diese „parties honteusesu jedenfalls als unabänderliche
Apertinentien zu gehören scheinen.
Dem Scharfblicke unseres meisterhaften Führers (Dolmetschers
und Reisemarschalls) F r a n ç o i s Yi t a l i s ist es nicht
entgangen, inmitten der dichtesten Häusermenge ein nettes
reinliches von Niemanden bewohntes Häuschen ausfindig zu
machen. Hier kehrten wir zu und machten es uns im oberen
Stockwerk bequem. Die Fenster im Osten liessen das Auge über
die niedriger gelegenen Häuser hinweg in die weiteste Ferne
schweifen, wo Meer und Himmel sich nicht mehr von einander
zu trennen s.chienen. Hier tauchten aus dem blauen Grunde
einige Klippen hervor, im weiten Nordosten erhob sich ein
Streifen, die Insel S k y r o s , das Grab des verbannten göttergleichen
Helden Theseus, womit die Athenienser das erste
Werk der Undankbarkeit gegen ihre hervorragenden Männer
besiegelten.
Wir waren kaum mit der Einrichtung unserer neuen Wohnung
fertig geworden, als die Ankunft der Mylordos (MuXopioç),
für die wir hier ohne weiters gelten mussten, einige Neugierige
und Dienstbeflissene herbeizog. Zuerst bot uns der Bürgermeister
der Stadt und was er sonst noch war, an den bereits
vom Ministerium des Innern in Athen eine Weisung ergangen
war, uns nach Kräften in Allem zu unterstützen, was unsere
Reisezwecke fördern könnte, mit grösser Bereitwilligkeit seine
Dienste an. Darauf trat ein Mann in’s Zimmer, der uns in vaterländischer
Sprache anredete und dem auch deutscher Sinn aus
dem Auge leuchtete; es war der seit mehr als 10 Jahre bei dem
nahen Braunkohlenwerke als Steiger an g este llteH errWu ltisch .
Dies war natürlich mein Mann, von dem ich die meiste Unterstützung
und Beihilfe für meine Zwecke erwartete und in der
That auch erlangte. Da das Braunkohlenwerk nur eine kleine
Stunde von der Stadt entfernt war, so wurde sogleich bestimmt,
dass wir täglich Morgens dahin reiten, dort uns umsehen und
sammeln und Abends mit der gewonnenen Ausbeute wieder in
die Stadt zurückkehren sollten. Dies wurde auch am nächsten
Morgen sogleich in Ausführung gebracht. Zur Förderung der
Kohlen nach dem Hafen hat die Regierung, der das Bergwerk
zugehört, bis zur Colonie mit vielen Kosten eine fahrbare Strasse
angelegt, die sich nur mühsam durch die Felsenenge und in
steiler Höhe über einen zuweilen sehr gewaltsam tosenden
Bergbach hindurchwindet. Wir ritten diesen Weg zuerst in
einiger Begleitung; der Morgen war prachtvoll, die Gegend
äusserst pittoresk.
Als wir an die Stelle gelangten, wo einige verfallene Bauten,
Halden und Stollen uns von ferne entgegenwinkten, war ich,
der ich dem Zuge vorausging, nicht in Verlegenheit, das Häuschen
des Herrn Wu l t i s c h zu finden. Eine nette Anlage von
Wein- und Gemüsepflanzungen, mit Blumen durchwirkt, führten
etwas bergan zu einem aus weissen Steinen (Kalkmergelschiefer)
gebauten Hause, das hinter dem Laubwerk von Feigen- und
anderen Obstbäumen fast verborgen war. Ein mit so viel Sorgfalt
gepflegtes Gut, von ferne schon von allem Hierländischen
weit abstehend, konnte nur das Ergebniss deutschen Fleisses,
deutscher Beharrlichkeit sein. Ich hatte mich auch nicht geirrt.
• • • Kaum als ich in die Hausflur trat, kam mir auch die deutscbe
emsige Hausfrau entgegen und begrüsste mich eben so freundlich,
wie ihr Häuschen freundlich und lachend aussah. Drei oder vier
Knaben, alle frische und gesunde Kinder, hier im Lande geboren,
aber ihrer Muttersprache nicht untreu geworden, umstanden sie
und horchten mit Begierde auf meine Auiforderung, mir bei der
beabsichtigten Einsammlung der Petrefacte hehilflich zu sein, von
denen mir aus dem Kasten des Herrn "Wult isch sogleich einige
U n ge v. Kelse in Griechenland, n