Anwohnern nach der eben im Bau begriffenen Capelle zu
urtheilen, dazu ausersehen. Nicht wenig war ich überrascht in
dem als Baustein verwendeten Kalksteintuffe ein gut erhaltenes
Platanenblatt zu entdecken, also hier wie bei uns in demselben
den Archivarius der Localgeschichte der Vegetation unserer
gegenwärtigen Weltperiode zu erkennen. Welch’ kleine Ursachen,
wie folgenreich die Wirkungen! Leider war es mir nicht
vei gönnt, das Kalktufflager selbst in Augenschein zu nehmen
und Sammlungen davon anzustellen.
War die Nacht in diesem Khane auf mitgeführten Betten
über alle Erwartung erträglich abgelaufen, so war uns doch für
die frühesten Morgenstunden, nämlich von 2 Uhr an unerwartet
ein seltsamer Ohrenschmaus zu Theil geworden. Unsere AVirths-
leute im Nebengemache ergötzten sich mit ländlicher Musik,
die, so leise und eintönig sie auch war, statt den Schlaf zu
unterstützen ihn vielmehr auf das Unwiederbringlichste vertrieb.
Meine Neugierde war endlich nicht wenig angefacht, nach vierstündigem
Anhören dieser dem .Zirpen unserer Heimchen nicht
unähnlichen Töne, das Instrument kennen zu lernen, auf dem
dieselben hervorgebracht wurden. Es war zu meinem Erstaunen
eine Laute (KiSäpcc) mit einem sehr langen Griffe, darüber
vier dünne Metallsaiten gespannt und nach Belieben angezogen.
Die, wie es sich von selbst versteht, nicht in bestimmten Tonintervallen
gestimmten Saiten wurden durch ein kleines Hölzchen
in Schwingungen versetzt. Nimmt man noch, dass der
resonnirende Theil des Instrumentes in einer rohen Aushöhlung
eines Baumastes bestand, so lässt sich denken, welcher Wohlklang,
welche Harmonie durch das ununterbrochene Kneipen
der Seiten erzeugt wurde und wie selbst dem geduldigsten Hörer
endlich nach vier qualvoll durchwachten Morgenstunden die
Verzweiflung nahe kommen musste. Gerne hätte ich mir dies
Probestück des neuhellenischen Trepanders eigen gemacht und
mit nach Hause gebracht, wenn es zu erwarten gewesen wäre
dass das ellenlange Tetracbord sich in. Gesellschaft mit Pflanzen
und Steinen in einer Kiste wohl vertragen hätte.
Unter üblen Auspicien des Wetters traten wir am folgenden
Morgen wieder unsere Weiterreise an. Die Mühle in unserer Nachbarschaft
und der zu ihr fliegende Steg, ein wahres Meisterstück
ursprünglicher Baukunst blieb links vom Wege, der sich bald
in ein Dickicht von Platanen verlor. Eine Strecke lang verfolgten
wir die Ufer des Baches, endlich liessen wir den unruhigen
Gesellen fahren und begaben uns zu seiner Rechten an die Seite
des Gebirges, da sich die Schlucht fast zu schliessen schien. Der
Saumpfad war äusserst beschwerlich und wand sich, der Bergform
folgend, in alle seine Vertiefungen und Erhöhungen, nur
hie und da von einem kleinen vom Firste kommenden Bächlein
oder von einer Quelle unterbrochen.
Das Gebüsch, das noch immer an Waldes Statt die Hauptdecke
bildete, wurde dichter und zugleich hochstämmig. Olea
europcea L., Erica arborea L. und Erica verticillata Forsk.
bildeten die Hauptbestandtheile, aber statt Arbutus Unedo fand
sich nun die viel schönere Arbutus Andrachne mit ihren gelb-
rothen geglätteten Stämmen ein, immer das dichteste Buschwerk
bildend. Hier endlich, beiläufig in einer Höhe von 1000 bis
1200 Fuss traten die ersten Greise der Whldvegetation, die
Eichen hervor, z^war immerhin vereinzelt, aber in ihrer vollsten
Majestät als uralte dickstämmige Magnaten, unverwüstbar
selbst dort, wo die Axt oder der Feuerbrand es versuchte, diese
Zeugen ursprünglicher Vegetationskraft des Landes hinweg
zu fegen.
Eine der stattlichsten Steineichen (Quercus Ile x Lin)
wurde gemessen, ihr Stamm hatte am Grunde 8‘8 Meter =
27-8 Fuss, — 3 Fuss darüber 3-7 Meter = 12 Fuss im Umfange.
Dessgleichen mass ein Stamm von Quercus pubescens
Willd. 5-8 Meter = 18 Fuss unten und 2 Meter — 6 Fuss
in der Mitte des Stammes im Umfange. An quellenreichen
vertieften Stellen hatten sich nun auch Gruppen von Einus
Apollinis Ant. gezeigt, wie überall Zeugen vorhandener Feuchtigkeit
und daher auch die Sammelpunkte oder vielmehr die
Asyle der wenigen und sparsam über das Land vertheilten
Moose und Flechten. Doch beurkundeten dieselben eine grosse