unmöglich, ja selbst ohne vorausgegangene und schwierig auszuführende
Arbeiten nicht leicht zu bewerkstelligen sein. In wie
weit daher das von Homer gegebene Bild der Odysseusburg an
dieser Stelle möglicher Weise ausgeführt sein könnte, muss ich
Anderen überlassen, die zur Lösung dieser Frage mehr Zeit als
einen flüchtigen Anblick der Ruinen verwenden können. Was
mir aber von naturhistorischer Seite auffiel, ist der Umstand,
dass ungeachtet das Material sowohl hier wie in Cephalonia dasselbe
ist, nämlich ein fester, versteinerungsloser, graulichweisser
Kreidekalk, doch die Spuren der Verwitterung in den Mauerblöcken
der Odysseusburg bei weitem mehr vorgeschritten waren
al sm den Felsblöcken der Kyklopenmauer von Cephalonia. Es
waren nämlich in dem hier roh gelassenen Mauerhaupte der
Blöcke tiefe durch Zerfressen des Steines gebildete Vertiefungen
zu erkennen, welche vergliechen mit der Lager- und Stoss-
fläche des Steines, die noch wenig von der ursprünglichen Rau-
heit^ verloren hatten, im grellen Gegensätze standen. Unbe-
zweifelt lässt sich aus der Beschaffenheit des der ungehinderten
Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzten Gesteines der
Schluss ziehen, dass hier die Exposition viel länger als dort statthaben
musste, daher das Mauerwerk der Odysseusburg jedenfalls
auf ein viel höheres Alter als jenes Anspruch macht. __
Jedem, der vor einem kyklopischen Polygonbaue steht,
muss es auffallen, mit welcher Genauigkeit die Aneinanderfügung
der massenhaften Gesteine stattfindet und wie richtig und scharf
die in den verschiedensten Winkeln an einander stossenden
Flächen bearbeitet sind. Während beim Quaderbaue die einzelnen
Werkstücke unabhängig von einander vorbereitet wrerden
können, ist dies hier nicht der Fall, indem die Winkeln der
Unterlage die Form der Auflage bedingen. Ein Volk mit den
einfachsten mechanischen Hilfsmitteln hat jedoch dies in einer
V eise ausgeführt, die nicht nur alle Anerkennung’ verdient,
sondern uns sogar als Musterwerk vorliegt.
Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, dass sich die
Baumeister solcher Kyklopenmauern gewisser Kunstgriffe bedienten,
welche die Arbeit ungemein erleichterten und die
ihnen dabei zugleich gestatteten, die ungeheuren Steinblöcke
nach ihrer ursprünglichen Bruchform und ihren möglicherweise
natürlichen Flächen zu benützen und anzuwenden, ohne
zu viel Zeit und Arbeit mit der Zurichtung zu verwenden. Es
ist dies die Anwendung von Bleiplatten, welche auf die Lagerfläche
aufgedrückt und in die Winkel hineingejrresst wurden, so
dass sie die Unebenheiten derselben annahm. Nach dieser Form
oder nach diesem Modelle wurde nun unter vielen vorhandenen
Steinen der passendste gewählt und darnach seine Lagerfläche
bearbeitet. Dass ein solcher beweglicher Bleistreifen in der That
als Hilfsmittel diente, geht aus einer Mittheilung Aristoteles’
hervor, wo er denselben „lesbischen KanoiD nennt *).
Wer es in Zweifel ziehen wollte, dass vorzugsweise die
durchaus unregelmässig natürliche Form der Steinblöcke (seien
sie Findlinge oder Bruchsteine) Veranlassung zum Polygonbaue
gab, dem geben wir zu bedenken, dass derselbe vorzugsweise
aus Kalksteinen und Granit aufgeführt wurde, denen jede
I lächenbildung als Bruchstücke mangelt, am wenigsten aber ein
Parallelismus zweier Flächen zukommt, durch welchen allein der
Quaderbau seine natürliche Anwendung gefunden haben kann.
Unberührt ist aber auch die Frage geblieben, in wie weit der
Kyklopenbau von den ursprünglich in einem höheren Grade dargebotenen
frei liegenden Felsstücken (Findlingen) abhängig war,
die zu sammeln und zum Baue zu verwenden sicherlich eine
viel geringere Mühe war, als dieselben erst steinbruchsmässig
zu gewinnen und an die Baustellen zu transportiren. Der Mangel
aller Steinbrüche in der Nähe solcher Kyklopenmauern möchte
dafür sprechen, dass ihr Material ausschliesslich oder doch
grossentheils von Findlingen hergenommen wurde.
*) Über den „lesbischen Kanon“ wurden b ish e r viele E rk lä ru n g en gegeben. Die
wichtigste ist die von Hr. P. W. Fo . r ch h a i nme r : Üb e r die kyklopischen Mauern Griechenlands
und die schleswig-holsteinischen Felsmauern etc. Kiel 1847. 4. 2 Tafeln.